Matthias Litterst in seinem Büro im Rathaus von Dörlinbach. Montag, 3. August, war hier sein erster Arbeitstag. Foto: Schabel

Interview: Schuttertals Bürgermeister ist seit 100 Tagen im Amt / Entwicklung von Bauland und schnelles Internet Schwerpunkte

Schuttertal - Den Posten des Bürgermeisters hat Matthias Litterst mit einem großen Vertrauensvorschuss angetreten, die Wahl gewann er mit fast 100 Prozent der Stimmen. 100 Tage ist er nun am morgigen Sonntag im Amt. Wir haben mit ihm über seine bisherige Zeit auf dem Rathaus gesprochen und darüber, was er in Schuttertal noch vorhat. Beim Gespräch im Büro von Litterst trugen sowohl der Bürgermeister als auch der LZ-Redakteur Masken. Für das Foto hat Litterst die Maske kurz abgesetzt – aber der gebotene Abstand wurde auch dabei eingehalten.

Herr Litterst, haben Sie das Coronavirus schon Mal verflucht?

Das tun wir vermutlich alle täglich. Weil es uns alle unmittelbar betrifft, sei es beruflich oder privat. Ich spiele zum Beispiel im Musikverein Ortenberg, aber unsere Proben ruhen natürlich zurzeit. Hier auf dem Rathaus wird der tägliche Dienst aller Mitarbeiter von der Pandemie bestimmt.

Es gilt immer wieder, neue Regeln umzusetzen, für öffentliche Gebäude, Schulen, Kindergärten, Gastronomie, Handel. Das gesamte Leben unserer Gemeinde wird von Corona bestimmt, deshalb beschäftigt das auch uns in der Verwaltung. Zum Beispiel mussten wir die Vereine darüber informieren, dass sie nicht mehr in den Hallen trainieren dürfen. So ergeben sich fast täglich neue Fragen im Zusammenhang mit Corona, die Umsetzung aller Vorgaben frisst unglaublich viel Zeit.

Wie läuft zurzeit die Arbeit der Verwaltung?

Aktuell ist niemand im Home Office, wir schützen unsere Mitarbeiter hier auf dem Rathaus durch bauliche Veränderungen, zum Beispiel Trennwände. Trotzdem mussten in den vergangenen Wochen immer wieder Mitarbeiter zuhause bleiben, da es Verdachtsfälle gab.

Ich habe die klare Anweisung rausgegeben, dass jeder zuhause bleiben soll, bei dem auch nur die Nase läuft oder bei dem im erweiterten Umfeld auch nur der leiseste Verdacht besteht, dass sich jemand angesteckt hat. So waren einige Mitarbeiter mehrere Tage zuhause, ich selbst war zwei Tage daheim. Es erschwert natürlich die Arbeit, wenn immer wieder Leute von heute auf morgen ausfallen.

35 Bürgermeister haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann in einem Brief um Lockerungen gebeten, zum Beispiel für die Gastronomie. Teilen Sie diese Position?

Mich hat dieser Brief nie erreicht, die Frage, ob ich unterschreiben soll, hat sich für mich also nicht gestellt. Ich habe meine Meinung dazu, aber ich sehe es jetzt als meine wichtigste Aufgabe an, den Bürgern als Stütze zur Seite zu stehen, für sie helfend da zu sein, wo es möglich ist.

Das klingt danach, dass Sie den Brief eher nicht unterschrieben hätten.

Diese Frage stellt sich mir nicht.

Wie lief die Wohnungssuche, haben Sie sich in Schuttertal gut eingelebt?

Der eine oder andere hatte sich auf meine Anzeige hin gemeldet, Mitte September bin ich dann in eine 48 Quadratmeter große Wohnung eingezogen, die zu einem Bauernhof in Schweighausen gehört. Die Wohnung nutze ich öfters in der Mittagspause, um mal eine halbe Stunde abschalten zu können.

Zweimal oder dreimal in der Woche übernachte ich auch dort. Mir ist es wichtig, die Gemeinde richtig zu kennen, ein Teil von ihr zu sein, und dazu gehört es auch, hier mal früh morgens oder spät abends durch Schuttertal zu fahren und das eine oder andere zu sehen.

Wann wird’s den richtigen Umzug aus Ortenberg nach Schuttertal geben, mit der ganzen Familie?

Da kann ich Ihnen kein konkretes Datum nennen. Dieser Frage werden wir uns mittelfristig stellen, aber da spielt einiges rein, denn wir haben Kinder- im Kindergarten- und Schulalter. Aber das Thema mit der Familie kommt ganz bestimmt wieder auf den Tisch.

Es war gar nicht so leicht, sich mit Ihnen für dieses Gespräch zu verabreden, Sie haben offenbar einen vollgepackten Terminplan.

Wir haben hier alle Hände voll zu tun, das ist definitiv so. Viele Termine, die aufgrund von Corona verschoben wurden, habe ich in den letzten Wochen versucht nachzuholen, etwa mit Vereinen. Es ist immer irgendwas. Klar, manches könnte man auch am Telefon machen, aber das direkte Gespräch ist besser, sofern es sich unter Corona-Bedingungen realisieren lässt. Deshalb bin ich viel draußen, aber auch hier im Haus in internen Abstimmungsterminen gebunden.

Ist es stressiger, als Sie es sich vorgestellt hatten?

Corona treibt den Stress-Level nach oben. Den Beruf des Bürgermeisters kannte ich aber schon vorher. Ich wusste, was auf mich zukommt.

Was haben Sie in diesen 100 Tagen verändert?

In 100 Tagen das Rad neu zu erfinden, das funktioniert nicht und ist auch überhaupt nicht nötig. Wir haben uns aber zum Beispiel das Thema Baulandentwicklung sehr genau angeschaut und eine Bestandsaufnahme, einen ersten Schlachtplan gemacht.

Große Flächen stehen im Tal nicht zur Verfügung, es kann uns aber gelingen, an unterschiedlichsten Stellen hier und da hier und da zwei, drei oder fünf Bauplätze zu entwickeln. Denn viele Menschen wollen in dieser schönen Umgebung leben.

Mir ist auch das Projekt der Alten Schule in Dörlinbach sehr wichtig, das ich priorisiert habe. Das Gebäude wird sei Jahrzehnten als Vereinshaus genutzt, muss aber saniert werden. Wir haben jetzt erste Arbeiten vergeben, dort wird auch tatsächlich schon gewerkelt. Im neuen Haushalt wollen wir dann die Komplettsanierung der Alten Schule in Dörlinbach einbringen. Außerdem werden wir das Seitental Kambach an die Trinkwasserversorgung anschließen.

Noch haben nicht alle in der Gemeinde das schnelle Internet.

Der Breitbandausbau ist sehr wichtig. In den Seitentälern ging da in den vergangenen Jahren nicht viel, was aber sicher nicht der Gemeindepolitik oder meinem Amtsvorgänger anzulasten ist. Ich habe einen sehr, sehr intensiven Kontakt zur Breitand Ortenau gesucht, um ein Konzept für den Breitbandausbau zu entwickeln. Denn das schnelle Internet ist genauso wichtig wie Strom und Wasser. Auch da werden wir einen Schlachtplan ausarbeiten, wie es weitergehen kann.

Sie haben sich gegen Tempo 30 und gegen ein Nachtfahrverbot für Lkws in den Ortsdurchfahrten von Kuhbach und Reichenbach positioniert.

Meine Aufgabe ist es, die Interessen der Bürger und Gewerbetreibenden in Schuttertal zu vertreten, für die eine Temporeduzierung und ein Nachtfahrverbot auf der B 415 sicher Beeinträchtigungen mit sich bringen würde. Aber zu dem Thema ist erstmal alles gesagt. Denn bevor man über Pläne von anderen Kommunen redet, sollte man erstmal mit diesen Kommunen reden. Deshalb gebietet es der Anstand, zunächst mit Herrn Ibert zu sprechen. Der Termin ist vereinbart.

Wie ist nach den ersten 100 Tagen die Jobzufriedenheit bei Ihnen?

Sehr hoch. Im Beruf des Bürgermeisters kann man Dinge voranbringen, Lösungen suchen und umsetzen. Man hat mit dem prallen Leben zu tun, denn es gibt nur wenige Bereiche, auf die die Gemeindepolitik keine Auswirkungen hat. In einer kleinen Gemeinde hat man einen sehr engen Draht zur Bevölkerung, das macht das Ganze so unglaublich spannend.

Wie soll es weitergehen?

Jeder, der in Schuttertal bleiben will, soll es auch können, das habe ich schon im Wahlkampf gesagt. Deshalb ist mir die Baulandentwicklung so wichtig. Auch die Gewerbetreibenden sollen sich hier weiterentwickeln können. Das Thema Breitband liegt mir ebenfalls am Herzen, deshalb ist es mir ein großes Anliegen, auch da vorwärts zu kommen.

Zur Person

Matthias Litterst war Sachgebietsleiter und stellvertretender Hauptamtsleiter bei der Stadt Hornberg und dort unter anderem für die Bereiche Standesamt, Schule, Kindergärten, Soziales, Wahlen sowie die Bürgerstiftung zuständig, ehe er für das Bürgermeisteramt in Schuttertal kandidierte.

Der 37-Jährige ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau und den gemeinsamen drei Töchtern in Ortenberg, er hat aber auch eine kleine Wohnung in Schuttertal. Mit dem Bürgermeisterberuf ist Litterst praktisch groß geworden: Sein Vater war 39 Jahre Rathauschef in Ortenberg.