Absolute Weltstars wie Luc Abalo (am Ball) oder Nikola Karabatic (rechts) erlebte Berthier bei Paris nicht mehr. Foto: dpa Foto: Schwarzwälder-Bote

Handball: Trainer-Ass François Berthier coacht erfolgreich den TuS Oberhausen / Aufstieg in die Südbadenliga angepeilt

Er war Profi und hat schon Top-Vereine in Frankreich und Katar trainiert. Seit 2016 coacht François Berthier den TuS Oberhausen. Und das überaus erfolgreich. Was zieht einen Welt-Trainer in die Landesliga? Ein Porträt.

Manchmal kann auch ein Handballtrainer wie François Berthier geradezu philosophisch werden: "Wenn wir zusammen Erfolg haben, scheint das Licht dieses Erfolgs letztendlich auf jeden Einzelnen", hatte Berthier seinerzeit auf die Frage eines Reporters geantwortet, wie er denn gedenke, sein Team zu leiten.

"Die Werte des Kollektivs haben immer Vorrang", lautete die Botschaft des damals 46-Jährigen. Vor fast genau sechs Jahren war das gewesen. Tatsächlich war Berthier damals nicht für irgendeine Mannschaft verantwortlich, sondern für das heute wohl teuerste und individuell beste Team der Welt: Paris St. Germain. Bevor das heutige Starensemble aus Paris im Jahr 2012 von Mehrheitseigner Quatar Sports Investment mit Wüstendollars geradezu überschwemmt worden war, war der Verein aus der französischen Hauptstadt von der nationalen Spitze jedoch noch so weit weg, wie die katarische Hauptstadt Doha von Paris.

Und dennoch betreute der Trainer aus der 25 000-Seelen Gemeinde Montbéliard kein Fallobst: Klanghafte Namen wie Kévynn Nyokas oder Kult-Keeper Patrice Annonay befanden sich in seinen Reihen. "Wir hatten gute Spieler, aber wir waren kein Team, kein Kollektiv", fasst Berthier heute die damalige Lage in Paris zusammen: "Ehrlich gesagt war es ein einziges Chaos."

Nur mit Mühe waren Berthier und sein Team dem Abstieg in die 2. Liga entgangen. Vor allem die Mentalität des Klubs, die der ehemalige Kreisläufer Berthier, der fünfzehn Jahre lang als Profi bei Sélestat Alsace Handball zwischen Liga 1 und 3 pendelte, als "sehr speziell" betitelt, hätte seine Arbeit erheblich erschwert. "Für Touristen ist Paris eine schöne Stadt. Es gibt viel Kunst und Kultur", sagt Berthier. Aber ohne Freunde und Familie -die Frau und die drei Kinder waren im heimischen Sélestat geblieben- sei er in der Metropole nie wirklich angekommen: "Die Menschen blieben irgendwie fremd und distanziert. Die Leute gehen früh morgens zur Arbeit und kommen spät am Abend zurück nach Hause."

Mit dem Einstieg der Kataris waren Berthiers Tage in Paris gezählt. Mittelmaß reichte den Investoren um Präsident Nasser Ghanim Al-Khelaifi nicht. Und trotzdem musste der Trainer, der vor Paris bereits bei seinem Heimatverein Sélestat und Saint-Cyr Touraine HB viele Jahre erfolgreich an der Seitenlinie gestanden hatte, im Wüstenstaat einigen Eindruck hinterlassen haben. Denn mit El Jaish aus Doha klopfte ein Verein an die Tür seiner kleinen Pariser Wohnung, der wie viele andere Klubs aus Katar geradezu nach der sportlichen Erfahrung europäischer Top-Spieler und Trainer lechzte - und auch die nötigen finanziellen Mittel hatte, diese zu bekommen. " Die denken, mit Geld geht alles", bereut Berthier die gut bezahlten vier Monate in Doha, in denen er wieder von seiner Familie getrennt war. Dabei war er keineswegs der Einzige, der dem Reiz des Geldes erlag. Auch sein Rückraum-Ass, der dänische Europameister Nikolaj Markussen, hatte nicht widerstehen können. Der Däne hatte ähnlich schnell genug von dem kleinen Land wie Berthier: Nach nur einer Saison zog er die Reißleine."Die Mentalität da unten ist für Ausländer nur schwer zu begreifen", sagt Trainer Berthier.

"Katar war im Grunde ein schönes Gefängnis"

Manchmal habe der Präsident des Vereins noch zu später Stunde auf dem Handy angerufen, mit der deutlichen Ansage, dass Berthier sich doch bitte in der nächsten halben Stunde bei ihm einzufinden habe: "Dann wollte er die Mannschaftsaufstellung besprechen. Er hatte zwar keine Ahnung vom Handball, war aber gut darin, Statistiken zu zitieren." Dann hieß es, dass dieser oder jener Spieler im nächsten Spiel in der Startformation zu stehen habe, schließlich habe er bereits mehr Tore auf dem Konto. "Dass Handball ein Mannschaftssport ist, haben die hier nie verstanden."

Endgültig den Spaß verlor der Trainer am Abenteuer Katar allerdings, als ein privater Kurztrip nach Dubai von Vereinsseite kurzerhand abgelehnt worden war: "Ohne Pass und Stempel musst du in Katar bleiben", erinnert sich Berthier. "Es ist im Grunde ein schönes Gefängnis."

Nach nur vier Monaten ging es deshalb wieder zurück in die Freiheit - und endlich wieder in den Schoß der Familie. In Sélestat wurde Berthier mit offenen Armen empfangen. Zwei Jahre lang trainierte er die A-Jugend des Vereins - eine Zeit, in der er die Lust am Handball wiederentdeckte.

Als sein alter Kumpel Fred Blum, langjähriger Trainer des TuS Oberhausen, im vergangenen Jahr anfragte, ob er nicht Lust habe, mit seinem Ex-Klub einen ambitionierten Landesligisten zu trainieren, musste Berthier trotzdem nicht lange überlegen. Im von Sélestat nur einen Handballwurf entfernten Rheinhausen kann der Trainer-Routinier nicht nur in seinem Job als Sportlehrer für die Stadt weiterarbeiten, er glaubt auch, die idealen Bedingungen gefunden zu haben, wieder anzugreifen. Mit dem französischen Ex-Profi Arnauld Freppel, Berthiers Nachbar und Ex-Spieler aus Sélestat, und Torhüter Lionel Gasser erhielt Berthier in dieser Saison weitere Unterstützung aus der Heimat. Zusammen mit Flavio Zamolo, Clement Martinez und Fabien Stoeffler sind es damit immerhin schon sechs Franzosen in der Rheinmatthalle.

"Wenn die Spieler nach der Saison in den Urlaub gehen, fängt für uns Trainer bereits die Vorbereitung auf die neue Saison an", formuliert Berthier seine Beweggründe zum TuS zu kommen: "In den letzten zehn Jahren hatte ich immer nur Druck. Das ist jetzt vorbei." Dass der Coach dennoch nichts von seiner Klasse eingebüßt hat, zeigt ein Blick auf die Tabelle. Sein Team steht derzeit bei zwei Spielen weniger als Spitzenreiter Freiburg auf dem dritten Platz. Der Aufstieg in die Südbadenliga scheint durchaus in Reichweite. Mit fünf Eigengewächsen zwischen 18 und 21 Jahren, plus viel Erfahrung, vor allem aus Frankreich, scheint zudem die nähere Zukunft des Vereins gesichert.

Zwar ertappe sich der Trainer immer noch ab und zu dabei, zu gucken, wie sich sein Ex-Verein Paris schlägt, Wehmut ist allerdings schon lange nicht mehr dabei: "Mit den zig Millionen, die in den Klub gepumpt werden, könnte im Grunde jeder Trainer mit denen Erfolg haben", spielt Berthier auf die Investitionen an, die der neureiche Klub unmittelbar nach seinem Ausscheiden in Stars wie Luc Abalo (500 000 Euro Ablöse), oder Nikola Karabatic (Zwei Millionen) steckte. "Aber ich bin keine Maschine. Wenn ich Geld verdienen wollte, wäre ich in Frankreich geblieben."

Der erste Platz sei möglich, wenn alle Spieler gesund bleiben und weiterhin so gut als Team zusammenhalten, wie bisher. "Ich will eine echte Mannschaft haben, die zusammen feiern geht", betont Berthier ganz unphilosophisch.

Der Blick des TuS Oberhausen geht nicht erst seit der Verpflichtung François Berthiers vor allem in Richtung Frankreich, sondern schon deutlich länger, wie TuS-Pressesprecher Hugo Moser betont. Vor allem gut ausgebildete Spieler aus der Akademie des Zweitligisten Sélestat Alsace Handball würde es immer wieder ins benachbarte Rheinhausen ziehen. Von 2007 bis 2011 trainierte der heutige Coach der A-Jugend Sélestats, Fred Blum, den Verein. Bereits seit acht Jahren spielt zudem Clement Martinez für den TuS.