Eine MRT-Untersuchung soll Klarheit bringen: An der Uni-Klinik Heidelberg wird das ungefähre Alter jugendlicher Flüchtlinge festgestellt. Foto: Symbolfoto: Wüstneck

Viele jugendliche Flüchtlinge geben falsches Alter an. Uni-Klinik soll für mehr Klarheit sorgen.

Ortenau - Ein großer Teil der unbegleiteten jugendlichen Ausländer, die seit 2016 in die Ortenau eingereist sind, hat bei seinem Alter gelogen. Der Grund: Minderjährige werden nicht abgeschoben. Ein neues Projekt soll mehr Klarheit schaffen.

"In den Jahren 2016 und 2017 wurde bei etwa 50 Prozent der ankommenden Jugendlichen festgestellt, dass sie älter waren als sie angegeben haben", erklärt Andreas Linse, der stellvertretende Leiter des Jugendamts. In den darauffolgenden Jahren seien es sogar 60 Prozent gewesen.

Deswegen beteiligt sich der Ortenaukreis seit Juni an einem Pilotverfahren zur "medizinischen Altersfeststellung" an der Uni-Klinik Heidelberg. Dort soll eine Röntgenaufnahme des Handwurzelknochens und des Kiefers helfen, das Alter festzustellen, erläutert Linse. Sei das Ergebnis nicht eindeutig, werde eine MRT-Untersuchung des Brustbein-Schlüsselbein-Gelenks vorgenommen. Vier unbegleitete Minderjährige, die in der Ortenau aufgegriffen wurden, haben die "Altersfeststellung" bereits durchlaufen. Bei allen vieren stellte die Uni-Klinik fest, dass sie älter sind als von ihnen angegeben.

Doch wieso machen hinsichtlich ihres Alters so viele Flüchtlinge falsche Angaben? Die Antwort gibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf seiner Webseite: Vor einer möglichen Abschiebung Minderjähriger müsse sich die Behörde vergewissern, dass im Rückkehrstaat eine sorgeberechtigte Person oder eine geeignete Aufnahmeeinrichtung die Betreuung übernehme.

"Dies ist in der Praxis schwer erfüllbar, so dass Abschiebungen unbegleiteter Minderjähriger kaum vorkommen. Bis zur Volljährigkeit wird daher in der Regel eine Duldung erteilt", so die Behörde weiter. Die absolute Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer ist jedoch deutlich zurückgegangen. So kamen laut Jugendamt 2016 noch 628 Jugendliche, 2017 waren es bereits nur noch 353. Im vergangenen Jahr sank die Zahl weiter auf 237 unbegleitete Minderjährige. Bis Ende August sind im Ortenaukreis nur noch 97 junge Menschen angekommen.

Aufgrund der hohen Anzahl unbegleiteter Jugendlicher beschloss das Jugendamt die Einrichtung einer spezialisierten Abteilung. "Die dafür eingesetzten Mitarbeiter sind seit 2016 ausschließlich für die Durchführung der qualifizierten Inaugenscheinnahme und die weiterführende Betreuung der Jugendlichen zuständig", erklärt Heiko Faller, Leiter des Jugendamts, auf Nachfrage unserer Zeitung.

Eine "Inaugenscheinnahme" werde im Landratsamt stets durch zwei sozialpädagogische Fachkräfte vorgenommen, so der Amtsleiter. Für die Übersetzung im Erstgespräch, wird ein Dolmetscher hinzugezogen. "Im Fokus steht der Entwicklungsstand des jungen Menschen, was unter Beachtung von Angaben zur Sozialisation, Fluchterfahrung und der Beurteilung des Gesamteindrucks zu einer Einschätzung führt." Merkmale wie Körperbau oder Gesichtszüge würden berücksichtigt, genauso wie Auftreten und Verhalten. Bezweifeln die Experten die Angaben eines Geflüchteten, wird die Uni-Klinik Heidelberg eingeschaltet. Jedoch: Eine exakte Altersbestimmung sei nicht das Ziel. "Dies ist mit keiner Methode, auch nicht mit einer medizinischen Altersfeststellung, möglich", so Faller – eine Annäherung aber schon.

Alter wird im Zweifel abgerundet

Sollte die "Inaugenscheinnahme" oder auch die "medizinische Altersfeststellung" den Grenzbereich zwischen 17 und 18 Jahren ergeben, wird abgerundet, so Linse. Zweifelsfälle habe es schon gegeben. Hier sei bisher – im Sinne des Kinderschutzes – im Zweifel für den Jugendlichen entschieden worden.