Archivfoto: Goltz Foto: Lahrer Zeitung

Heimleiter der Pflegeeinrichtung in Altenheim spricht über den Umgang mit der Pandemie / Bewohner an Virus gestorben

Altenheim - Das Coronavirus verändert den Alltag – auch in den Seniorenheimen. Jürgen Hammel, Leiter des Seniorenzentrums Neuried, sprach mit dem Evangelischen Dekanat Lahr über dieses besonders schwere Jahr für Pflegeeinrichtungen.

Die vergangenen Monate seien nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Trotzdem – oder gerade deswegen gehen Hammel und sein Team gestärkt aus dieser Krise hervor, die noch kein Ende gefunden hat.

Herr Hammel, wie erlebten Sie die ersten Monate des Jahres?

Für alle Einrichtungen war es ein komplett unerwarteter Einbruch und Abbruch des Alltags, was zu einem Umbruch in unserer Arbeit führte. Es war eine sehr große Herausforderung an unser diakonisches Profil, da wir konzeptionell ein offenes Haus führen.

Beispielsweise ist unser Café ein beliebter Treffpunkt für die Bewohner und ihre Besucher. Wir pflegen einen engen Kontakt zur Kirchengemeinde in Altenheim sowie zu Vereinen. Wichtig ist uns der zwischenmenschliche Kontakt und Austausch und die enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen.

Das war nun in der Zeit des Lockdowns alles nicht mehr möglich. Wie ist es Ihnen gelungen, Ihr Konzept zu ändern?

De r Grun dsatz unseres Hauses mit dem diakonischen Gedanken unserer Gründerin Antonie Kraut ist: "Helfen, wo geholfen werden muss". Das hat von Beginn an das Unternehmen geprägt.

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, neue Wege der Kommunikation für die Heimbewohner zu finden. Briefe wurden geschrieben, wir haben Möglichkeiten geschaffen, per Handy oder mit dem Tablet mit den Angehörigen in Kontakt zu bleiben.

Die Bürger aus Altenheim waren ebenfalls eine große Unterstützung. Ehrenamtliche haben die ersten Masken genäht und bis zur Haustüre gab es eine Vielzahl von Hilfsangeboten. Musikergruppen traten auf den Rasenflächen auf, Gottesdienste fanden im Freien statt. Angehörige brachten Geschenke für die Liebsten, was eine andere Form von Nähe herstellte.

Wie reagierten die Bewohner auf die ungewohnte Situation der auferlegten Isolation?

Es gab unterschiedliche Reaktionen. Es hatte sich ein Hauch von Depression über das Haus gelegt.

Manche Bewohner zeigten Verständnis und erzählten, was sie in ihrem langen Leben überstehen mussten, andere haben sehr unter den Besuchsverboten gelitten und ihre Angehörigen vermisst, genauso die Angebote unserer Ehrenamtlichen oder beispielsweise das gemeinsame Volksliedersingen.

Der persönliche Kontakt ist mit nichts zu ersetzen. Deshalb sind wir dankbar, dass Besuche nun unter gewissen Umständen wieder stattfinden können.

Als im Mai die Bewohner einer Wohngruppe sowie Mitarbeiter der Senioreneinrichtung positiv auf Corona getestet wurden, war dies eine immense zusätzliche Herausforderung, auch psychisch, oder?

Es war furchtbar für uns alle, da bis dahin das Coronavirus nicht spürbar oder nachvollziehbar gewesen war und wir mit unseren Hygienemaßnahmen alles dafür taten, dass das Virus draußen bleibt.

Wir haben das Coronavirus nun hautnah erlebt und haben es ganz neu und unglaublich zerstörerisch erlebt. Aber eine Erkenntnis ist auch, wir werden letztendlich nie eine absolute Sicherheit im Leben haben.

Welchen Einfluss hatte diese Situation konkret auf die Arbeit im Haus?

Leider sind einige Heimbewohner nach der Erkrankung verstorben.

Wir haben ein sehr starkes und motiviertes Team, ohne diesen Zusammenhalt hätten wir diese Zeit nicht gewissermaßen heil überstanden. Wir sind ganz für unsere Bewohner da, haben als Gemeinschaft erlebt, wie die Corona-Krise unsere Kräfte mobilisiert hat und gleichzeitig haben wir aber auch eine Demut gespürt.

In der Altenhilfe arbeiten wir in einem überaus großen Verantwortungsbereich, da unsere Bewohner zur absoluten Risikogruppe gehören. Im September haben wir einen Gedenkgottesdienst für die Angehörigen der Verstorbenen gefeiert, denn das bewusste Abschiednehmen ist in einer Krise sehr wichtig.

Der Trägerschaft ist eine palliative Begleitung der Sterbenden bis zum Tod ein Grundanliegen. Bei uns bleibt niemand alleine.

Wie gehen Sie mit der neuen, zweiten Welle um?

Die Hygienekonzepte haben sich bewährt und wir sind froh, dass dadurch weiterhin Besuche möglich sind, wenn auch weiterhin eingeschränkt und mit Anmeldung, aber immerhin.

Das ist eine große Erleichterung. Dankbar sind wir, dass nun Schnelltests zur Verfügung gestellt werden, die durch ein vom Gesundheitsamt genehmigten Testkonzept für Bewohner, Mitarbeiter und auch Besucher eingesetzt werden. Wir sind momentan in der Umsetzungsplanung und werden in den nächsten Tagen damit beginnen können.

Das Zentrum

Das Seniorenzentrum Neuried gehört zur Evangelischen Heimstiftung GmbH, dem größten Altenhilfeträger in Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart. Die Evangelische Heimstiftung verfügt über 145 Einrichtungen, betreut insgesamt 13 500 Menschen und ist Arbeitgeber für 9 200 Mitarbeitende. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.ev-heimstiftung.de/seniorenzentrum-neuried.