Vater und Sohn sind sich einig: Die Biogasanlage auf ihrem Hof in Ottenheim war die richtige Entscheidung. Foto: Goltz

In Meißenheim wurde lange um die Realisierung einer Biogasanlage gestritten. Waren die Vorurteile berechtigt? Die LZ hat Familie Reitter in Ottenheim besucht und sich die dortige Biogasanlage einmal näher angesehen.

Ottenheim - 650 Bullen wohnen auf dem Hof Reitter in Ottenheim – und die produzieren ganz schön viel Mist. Schon sehr lange habe man darüber nachgedacht, wie man diesen am besten verwerten könnte. 2006 folgte auf die Überlegungen dann die Umsetzung: Familie Reitter hat sich dafür entschieden, eine Biogasanlage auf ihrem Hof zu bauen. "Dies sorgte natürlich nicht bei all unseren Nachbarn für Freude", erinnert sich Senior-Chef Martin Reitter im Gespräch mit der Lahrer Zeitung. Ähnlich wie vor nicht allzu langer Zeit eine solche Anlage in Meißenheim scharf kritisiert worden war, habe es auch große Diskussionen hinsichtlich der geplanten Anlage in Ottenheim gegeben.

"Die Anlage in Meißenheim wäre aber nicht zu vergleichen gewesen mit der Anlage, die wir hier stehen haben", erklärt Johannes Reitter, der den Hof von seinem Vater übernommen hat. In Ottenheim bestehe die Biomasse ausschließlich aus Viehmist und Silage aus Mais, Gras, Getreide und Blühpflanzen.

Und wie funktioniert eine Biogasanlage denn nun? "Die Biomasse wird zunächst mithilfe der Einbringtechnik zerkleinert und mit Flüssigkeit angemischt, sodass es zu einem flüssigen Brei wird", erklärt Reitter. Dann komme die Masse in den ersten Fermenter, ein großer Behälter, in dem das Gemisch bei rund 50 Grad verrührt wird. "Durch das Umrühren können die methanbildenden Bakterien die Stoffe zersetzen und dabei entsteht Methan", so der junge Landwirt. Über Rohrleitungen kommt das Gas dann zu den Blockheizkraftwerken. Diese wiederrum treiben einen Generator an. "Dabei entsteht dann Strom und Abwärme", erklärt der Experte. Alles, was nicht sofort verwendet werden kann, komme in in den sogenannten Nachgärer. Dort werde "der letzte Rest" noch verwertet. Die Gärreste werden dann wiederum als Dünger für die Felder genutzt – ganz ohne Methan, "denn dieses ist ja bereits durch die Biogasanlage genutzt worden."

150 Haushalte werden mit Anlage versorgt

Versorgt werden könnten mit der Biogasanlage etwa 150 Haushalte. Etwa 2,3 Millionen Kubikmeter Gas, was 5,5 Millionen Kilowattstunden entspricht, würden auf dem Hof in Ottenheim jährlich produziert. In welche Häuser der Strom dann letztlich fließt, könne aber nicht gesagt werden. "Sie müssen sich das vorstellen wie ein großes Fass, in das viele verschiedene Stromerzeuger ihre Leistungen einbringen. Der Netzbetreiber wiederum steuert dann den Rest. Er muss darauf achten, dass das Fass weder über- noch leer läuft", so Johannes Reitter. Uhrzeit- und Wetterabhängig werde dann mehr oder weniger Strom "abgezapft".

Angefangen hatte Familie Reitter 2006 mit dem ersten Blockheizkraftwerk. "Das war alles neu für uns und wir wussten erstmal auch nicht, wie viel Gas wir aus einem Fermenter rausbekommen", sagt der Senior-Chef. "Und auch die ganze Technik war noch in den Kinderschuhen", fügt der Sohn an. Wo zuvor ein paar 100 Großkraftwerke die Versorgung regelten, haben sich nun Windkraftanlagen, Photovoltaik und eben auch Biogasanlagen etabliert – "das alles gilt es nun vom Netzbetreiber zu steuern". 2014 habe man die Anlage dann auf eine flexible Fahrweise angepasst, um dem Netzbetreiber zu helfen, die schwankende Stromproduktion von Wind- und Photovoltaikanlagen auszugleichen. Dazu waren weitere Blockheizkraftwerke und ein größerer Gasspeicher nötig. "Und damit sind wir nun auch ausgereizt", erklärt Reitter. Auf was weiterhin aber geachtet werde, ist die Effizienz, die Technik und die Stoffe, die vergoren werden. "Es bleibt weiterhin ein kontinuierlicher Prozess."

Vater und Sohn sind sich einig: Die Biogasanlage war die richtige Entscheidung. "Wir müssen jetzt was tun – in zehn Jahren ist der Zug abgefahren", appelliert Johannes Reitter in diesem Zuge an alle. Wer etwas fürs Klima tun wolle, der müsse sich auf Neues einlassen können – "und eben den Kompromiss eingehen, dass man die Produktion von erneuerbarer Energie auch sieht – sei es als Windräder oder eben als Biogasanlage". In der Ortenau, da sind sich ebenfalls beide einig, könnte es "durchaus noch mehr Biogasanlagen geben – wir sprechen natürlich jetzt nicht von Hunderten". Daher komme wohl auch das schlechte Image der Anlagen, vermutet Johannes Reitter, da es in einigen Regionen zu viele Anlagen gebe. Im Ortenaukreis gebe es aber bislang nur wenige – "zu wenige".

Vorurteile

Mit zwei großen Vorurteilen haben Biogasanlagen zu kämpfen. Zum einen die Explosionsgefahr zum anderen der Gestank. Gestank: Nach dem Besuch auf dem Hof der Familie Reitter kann die LZ sagen, eine solche Biogasanlage "riecht", aber es hält sich in Grenzen. "Durch die Vergärung wird die Geruchsintensität der Gülle, die letztlich auf den Feldern landet, sogar deutlich verringert", so Johannes Reitter. Explosionsgefahr: Regelmäßig werden Biogasanlagen – so auch die Anlage in Ottenheim – kontrolliert. "Würden wir irgendetwas verändern wollen, müssten auch immer erst neue Gutachten gemacht werden", erklärt Reitter. Nachbarn und Passanten müssten keine Angst vor einem Unfall haben, versichert der Landwirt.