Jürgen Stude (links) erläuterte die Geschichte der ehemaligen Synagoge. Foto: Bär Foto: Lahrer Zeitung

Zeitzeugen: Ein Rückblick am Europatag der jüdischen Kultur in der ehemaligen Kippenheimer Synagoge

Der Förderverein der ehemaligen Synagoge Kippenheim hatte am Sonntag, dem Europatag der jüdischen Kultur, in das ehemalige Gotteshaus eingeladen. Zu Wort kamen drei besondere Zeitzeugen.

Kippenheim. Willi Mathis, Altbürgermeister, Walter Caroli, ehemaliges Mitglied des Landtags, und Robert Krais, stellvertretender Vorsitzender des deutsch-israelischen Arbeitskreises (DIA), berichteten über die Rettung der Synagoge und die Entwicklung einer Erinnerungskultur.

Alle drei setzten sich dafür ein, dass aus dem Gebäude, das seit 1956 als Warenlager der Raiffeisen-Warengenossengesellschaft genutzt wurde, eine Gedenkstätte wurde. Es war ein schwieriger Weg auf verschiedenen Ebenen, an den sie sich unterschiedlich erinnerten. Moderator war der Lahrer Stadtarchivar Thorsten Mietzner – und Ausgangspunkt die 1950er und folgende Jahrzehnte.

Fotos zeigen die Zerstörung

Vor dem Gespräch gab es eine Führung mit Jürgen Stude, dem Vorsitzenden des Fördervereins der ehemaligen Synagoge. Er schilderte die Geschichte des 1852 als Synagoge geweihten Gebäudes und der Juden in Kippenheim. Er zeigte anhand von Fotos die Zerstörung im Gebäude am 10. November 1938 und die Nutzung durch die Raiffeisen. Die Türme wurden entfernt, die Rosette mit dem Davidstern zugemauert und zum Eingang führte eine Rampe.

Daran hatten sich die Menschen laut der Fernsehsendung Panorama von 1965, die am Sonntag gezeigt wurde, gewöhnt. Die Kritik am Umgang mit dem Gebäude blieb zunächst folgenlos.

Jahre später erkannte ein jüdischer Geschäftsmann das Gebäude als ehemalige Synagoge und wurde beim damaligen Bürgermeister und dem Pfarrer vorstellig. Sie verhielten sich beide ablehnend, worauf er einen Leserbrief schrieb und seinerseits kritisiert wurde. Und zwar von Caroli, Jahrgang 1942 und als Lehrer mit seiner Familie in Kippenheim wohnhaft. Statt behutsam das Interesse für Gedenken zu wecken, würde der Verfasser mit der Axt im Walde hantieren.

"Ein paar Jahre später hätte ich das nicht mehr gesagt", so Caroli. Damals habe die Öffentlichkeit "ein dumpfes Gefühl des Unbehagens" verspürt, man wollte nicht mit "etwas andersartigem konfrontiert werden und einen Deckel drauf machen".

Persönliche Erlebnisse als Anstoß zum Handeln

Die Diskussion versandete in den späten 1960er-Jahren, in den 1970ern wollte niemand Verantwortung übernehmen. Mietzners Eindruck, dass sich dann etwas verdichtete, bestätigten die Gesprächspartner. Persönliche Erlebnisse waren jeweils der Anstoß sich für die Umwidmung einzusetzen. Für Caroli war es der Leserbrief. Mathis, Jahrgang 1951, betrat das Gebäude als Kunde und befasste sich mit dem Thema, als auf seinem Tisch ein Bauantrag der Raiffeisen lag. Im Mai 1977 wurde in einer Bürgerversammlung diskutiert, das Gebäude zu kaufen und zu sanieren. Krais sah die Särge der israelischen Sportler, die beim Anschlag auf die Olympischen Spiele 1972 getötet wurden. 1978 hörte er einen Vortrag über den Umgang mit dem Gebäude in Kippenheim: "Da hat sich etwas rückgekoppelt."

Hatten die drei den Zeitgeist im Rücken, als die Umwidmung des Warenlagers zur Gedenkstätte diskutiert wurde? Sie haben widersprüchliche Erinnerungen. Caroli sprach von Forderungen der 1968er-Bewegung, wie die Übernahme von Schuld und Verantwortung. Auf lokaler Ebene dauerte es, bis sich der Gedanke niederschlug. Mathis erzählte, dass ein Großteil der Bevölkerung hinter ihm stand und den Kauf befürwortete. Dagegen sprach Krais von "massivem Widerstand, im Dorf hat man es nicht gern gesehen".

Die Verhandlungen waren schwierig

1983 kaufte die Gemeinde das Gebäude. Schwierig waren die Verhandlungen mit der Raiffeisen, so Mathis. Die Gemeinde konnte Erwerb und Sanierung nicht stemmen. Als Folge der Ernennung zum öffentlichen Denkmal im Jahr 1981 flossen Zuschüsse, eine Spende des ehemaligen jüdischen Bürgers Steph Wertheimer kam hinzu. Politisch setzte sich Caroli für die ehemalige Synagoge ein. Seine Einschätzung des Zeitgeists Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre war die einer Akzeptanz, aber er bezweifelte, dass es eine Erinnerungskultur gab. Auf andere Art trug Krais bei: "Ich habe die Drecksarbeit gemacht", indem er in öffentlichen Diskussionen Druck aufgebaut habe. Es müsse sich jemand positionieren, damit die politische Führung handele.

Angesprochen wurde das Verhältnis der Kippenheimer zu "ihrer" ehemaligen Synagoge – von 40 Zuhörern war einer aus Kippenheim. Froh waren die Anwesenden über die Arbeit des Fördervereins, der Erinnerungsarbeit leistet, die in Anbetracht eines Rechtsrucks in der Gesellschaft vonnöten sei. Jüngere Leute würden kaum den Weg in die Poststraße finden. Krais und ein Zuhörer forderten Bildungsarbeit an den Schulen.