Volles Haus: Zum Kneipengottesdienst waren zahlreiche Gäste gekommen. Sie waren von der Feier überwältigt. Foto: Fink Foto: Lahrer Zeitung

Religion: Pfarrerin Anna Schimmel predigt im Ichenheimer "Hechten" / Kein Stuhl mehr frei

Eine überwältigende Resonanz hat der erste Kneipengottesdienst, zu dem Pfarrerin Anna Schimmel am Freitag in den Ichenheimer "Hechten" eingeladen hatte, gefunden. Der Andrang war so groß, dass viele Besucher im Gastraum nur noch Stehplätze bekamen.

Ichenheim. Nicht nur aus Neuried waren unzählige evangelische und katholische Christen, aber auch kirchenferne Menschen gekommen. Einige Besucher hatten sogar eine Stunde Fahrtzeit auf sich genommen. Es gelang der Pfarrerin Anna Schimmel von der evangelischen Emmausgemeinde Neuried, ihre Zuhörer mit ihrer unkonventionell dargebotenen, aktuellen christlichen Botschaft individuell anzusprechen. Viel Applaus gab es dafür und für Katja Tscherter, die mit ihrer voluminösen Stimme mit viel Gefühl aktuelle Lieder mit ansprechenden Texten von Adele, Tim Bendzko, Martin Pepper und Andrea Adams-Frey vortrug.

Statt Talar hat Pfarrerin Jeans und Pullover an

Pfarrerin Schimmel, die nicht im Talar, sondern in Jeans und Pullover gekommen war, räumte an diesem Abend mit vielen Vorurteilen und Klischees auf. Ein Gottesdienst in der Kneipe? "Es gibt keinen Ort, an dem so viel über Lebens- und Glaubensfragen diskutiert wird, wie in der Kneipe", sagte sie. Und weiter: "Ein Gottesdienst geht überall, wo zwei oder drei in Jesu Namen versammelt sind – also auch hier". Und wie in der Kirche wurden in der Kneipe auch Gebete ("Gott, wir wollen dich mitten unter uns finden"), ein gemeinsames Vaterunser und zum Abschluss ein Segen gesprochen, wobei Letzterer auch zunächst einfühlsam von Katja Tscherter gesungen wurde.

Zuvor gab es keine Predigt, Anna Schimmel überbrachte die biblische Botschaft aus dem Matthäus-Evangelium in Form von einem fiktiven Dialog in einer Kneipe: Ein Mann wird am Tresen von Jemandem angesprochen – von Gott. Nach anfänglichem Spott des Mannes, widerlegt Gott dessen Vorbehalte ("die Bibel hat nichts mit heute zu tun"), damit, dass die biblischen Geschichten sehr wohl in die heutige Zeit passen. Die Bibel erzähle beispielsweise von Menschen, die ins Ungewisse ziehen (Moses) oder Personen, denen unfassbares Leid geschieht (Hiob). Der fiktive Kneipengast räumt dann ein, dass er Angst hat, seinen Job zu verlieren und sich seit den Terroranschlägen 2015 große Sorgen macht, "dass alles in die falsche Richtung läuft". Gott setzt dieser Aussage Worte aus Jesu Bergpredigt entgegen: "Seht die Vögel, die nicht säen und ernten, und Euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid Ihr nicht viel mehr wert als sie?" Zu dem Gast sagt er: "Ihr habt alles, was Ihr zum Leben braucht. Macht Euch eher Sorgen, wie das gerecht verteilt werden kann." Weiter spricht Gott dem Gast Mut zu: "Dein Leben ist einzigartig, lass Dir von niemandem die Freude am Leben nehmen und lass trotz Schwierigkeiten Angst und Sorgen keinen Raum." Diese zuversichtliche Botschaft kam auch bei den Gästen im "Hechten" an und sie dankten mit viel Applaus.

Abschließend dankte die Pfarrerin allen Besuchern für ihr Kommen. "So schlimm sind die Sonntagsgottesdienste doch nicht", meinte sie mit einem Augenzwinkern und lud die Zuhörer ein, auch einmal in die Kirche zu kommen. Der Dank von Schimmel galt Steffi, der Wirtin des "Hechten", und vor allem der Sängerin Katja Tscherter und deren Mann Siegfried, der für eine reibungslose technische Abstimmung sorgte. Der Vorsitzende des Kirchengemeinderates, Werner Erb, dankte unter begeistertem Beifall der Pfarrerin für ihren Mut, solch ungewöhnliche Wege zu gehen.

Wer den Abend verpasst oder Lust auf mehr bekommen hat, kann am Freitag, 29. März, in der "Schutterzeller Mühle" einen weiteren Kneipengottesdienst mit Pfarrerin Schimmel erleben.