Hobbysportler trifft Weltspitze: Lothar Späth, selbst passionierter Tennisspieler ehrt die 22-fache Grand-Slam-Siegerin und gebürtige Mannheimerin, Steffi Graf. Foto: Baumann

Kein Ministerpräsident vor und nach ihm hat den Musen so gehuldigt wie Lothar Späth. Das war keine Pose, sondern die Überzeugung, dass Kunst für das Land lebensnotwendig ist.

Stuttgart - Wenn Lothar Späth ein Lieblingsspielzeug hatte, dann High-Tech. Er konnte gar nicht genug Wissenschaft und Forschung im Südwesten ansiedeln, Spitzentechnologie war für ihn Chefsache. In den 80-er Jahren kam ein weiteres Steckenpferd hinzu: High-culture. Staatsgalerie, Filmakademie, Akademie Schloss Solitude, Landesmuseum für Technik und Arbeit - das sind nur einige der Projekte, die Späth anstieß oder förderte.

Spötter (oder waren es Neider?) verglichen ihn gern mit dem Sonnenkönig Ludwig XIV., der seine Wichtigkeit und Pracht in den schönen Künsten spiegeln wollte. Natürlich sah Späth in High-culture auch einen wichtigen Faktor für den Wirtschaftsstandort, einen Anreiz für Manager und Industriekapitäne, sich hier niederzulassen. Natürlich war es für ihn auch Prestigesache, sich mit Startänzerinnen wie Marcia Haydee oder berühmten Malern wie Ben Willikens zu umgeben. Doch Kunst war für ihn mehr als nur ein glänzender Rahmen und eine schöne Nebensächlichkeit. Er sah darin vielmehr eine Art Hefe, ohne die sich eine moderne Gesellschaft nicht entwickeln konnte.

Kunst als Teil des Alltags

„Lange war Kunst ein dem Alltag entgegen gesetztes und sehr elitär geprägtes Interessengebiet, das einer kleinen Minderheit vorbehalten blieb“, sagte er in seiner viel beachteten Regierungserklärung am 13. Dezember 1989 zu seiner Kunstkonzeption. Heute jedoch sei sie „integraler Bestandteil unserer Lebensbereiche, ein wesentlicher Gegenstand und Inhalt unseres gesellschaftlichen Bewusstseins geworden“. Ja, sie sei geradezu eine sozialen Notwendigkeit des Zusammenlebens.

Kunst als Vehikel in die Moderne – mit diesem Ansatz hat Späth auch jenseits der Grenzen Aufmerksamkeit erregt. Baden-Württemberg sollte auch auf diesem Feld Modellland werden. Doch dafür musste er erst einmal die organisatorischen Voraussetzungen schaffen. Späth gründete bewusst kein eigenes Ministerium, sondern berief den Generalintendanten der Württembergischen Staatstheater, Wolfgang Gönnenwein, zum Staatsrat für Kunst mit Stimmrecht im Kabinett. Außerdem installierte er den Posten eines Kunstkoordinators und besetzte ihn mit dem damaligen Abteilungsleiter im Wissenschaftsministerium, Hannes Rettich. Der promovierte Jurist und Theaterwissenschaftler war der eigentliche Vater der Späthschen Kulturpolitik – ein Schöngeist und Verwaltungsexperte gleichermaßen.

Klug und edel – aber auch teuer

Liberal, dezentral und plural sollte die Kunstförderung sein, so lautete sein Prinzip. Das war klug und edel, ging auf Dauer allerdings ganz schön ins Geld. Denn nicht nur Stuttgart wollte bedient sein, sondern auch Mannheim (Landesmuseum für Technik und Arbeit), Karlsruhe (ZKM), Ludwigsburg (Filmakademie), Gaggenau (Akademie Schloss Rotenfels) oder Konstanz (Landesmuseum für Archäologie). Auch die Sozio-kulturellen Zentren erlebten eine Blüte.

„Jeden Tag eine neue Idee, jeden zweiten eine Ankündigung, dass man noch mehr Ideen habe, jeden dritten die Absage der ersten Idee, dafür die Installation bereits einer fünften und sechsten“, beschrieb der Kulturjournalist Gerhard Stadelmaier einmal Späths Ruhelosigkeit und fragte, ob es denn gut sei, wenn die Kunst allzu nah bei der Macht wohne.

Erst gegen Ende seiner Amtszeit verlangsamte Späth, der auch selbst Kunst sammelte, sein Tempo. Für manche Projekte wie etwa die Theaterakademie fehlte schlichtweg das Geld. Dass Späth für High-culture kräftig an der Schuldenschraube gedreht hat, bleibt auch mit seinem Namen verbunden.