Eine Floßfahrt hat es in sich: Die Schwarzwälder nutzten die Kinzig und andere Flüsse um Holz über den Rhein bis in die Niederlande zu transportieren – nicht nur früher ein gefährliches Unterfangen. Foto: Krieg Foto: Schwarzwälder Bote

"Der Himmel über der Ortenau": Schriftsteller Gottfried Zurbrügg erzählt von Schwarzwälder Tradition

Jede Woche berichtet einer der Autoren von "Der Himmel über der Ortenau" von seinem persönlichen Lieblingsort in der Region. Heute schreibt der Schriftsteller und Prädikant Gottfried Zurbrügg von einer Floßfahrt auf der Kinzig.

V or einigen Jahren bekam der Flößerverein in Wolfach eine geschnitzte Nikolausstatue geschenkt, die im Flößerpark ausgestellt werden sollte. Eine solche Statue kann man aber nicht aufstellen, wenn sie nicht wenigstens einmal auf einem Floß gefahren ist, darin waren wir uns alle einig.

Ich bin Prädikant, das heißt ehrenamtlicher Prediger in der Landeskirche. Da ich auch Flößer bei der Schwaibacher Flößervereinigung bin, wurde ich eingeladen, die Figur zu segnen und die Fahrt zu begleiten. Die Wolfacher Flößer hatten bei der Stadtbrücke ihr Floß zu Wasser gelassen und oberhalb am Wehr bei Halbmeil die Kinzig gestaut.

Die Flößer haben stets ein Vaterunser gebetet, bevor sie sich auf die gefährliche Fahrt begaben, so habe ich in dem Buch "Wellenreiter" eine Floßfahrt beschrieben und genauso wollten wir es auch diesmal halten. Die schwere Nikolausfigur wurde an Bord gebracht und kurz gesegnet in Erinnerung an die vielen Flößer, die in über tausend Jahren Floßfahrt ihr Leben riskiert und oft genug im wilden Wasser verloren hatten.

"Das Volk, so bei der Kinzig wohnet…", so steht es an der Mauer, die die Kinzig in ihrem Bett hält. Wir beteten gemeinsam das Vaterunser. Selten habe ich die Bitte um Bewahrung so tief empfunden. Dann kam eine kleine Welle, die Kinzig herunter und ich musste als Laie leider das schwankende Floß verlassen. Vom Ufer aus verfolgte ich den Beginn der Fahrt mit Stangen und viel Rufen. "Jockele frei, Jockele sperr!"

Dann trieb das Floß die Kinzig hinunter und ich beeilte mich Schritt zu halten, um rechtzeitig am Flößerpark zu sein. Dort wurde die Statue dann aufgestellt und nun wacht der Heilige Nikolaus, der Beschützer der Schiffer und Flößer, zusammen mit Nepomuk, dem Brückenheiligen, darüber, dass kein Hochwasser Wolfach bedrängen wird.

Hermann Hesse schreibt in seinem Buch "Mit dem Erstaunen fing es an": "Weit mehr als meine Eltern es ahnten, bin ich auf einem Floß auf der Nagold mitgefahren, dabei habe ich auch das Gefühl der Todesangst kennengelernt. Aber, wenn man vom Erleben all das abzieht – das Schimpfen der Flößer, den Absprung in das kalte Wasser, die Vorhaltungen der Eltern – dann bleibt dieses Gefühl des Dahingleitens, der Fremde, der Ferne. Wahrhaftig, es hat sich gelohnt."

So ähnlich habe ich es auch erfahren und deshalb sind wir "Flößer". Ich bin es gerne, auch wenn ich kein Floß bauen oder nicht einmal auf einem Floß mitfahren kann. Aber in Gedanken bin ich den alten Flößern ganz nahe, wenn ich am Flößerpark stehe, wo Nachbauten aufgebaut sind und die Flößerei so erfahrbar machen, und wo die Wolfach und die Kinzig Straßburg entgegenrauschen.

"Der Himmel über der Ortenau" ist im Kulturverlag Art und Weise erschienen. Zu kaufen gibt es das Buch für 28 Euro in den Geschäftsstellen unserer Zeitung in Lahr und Haslach sowie im regulären Buchhandel und beim Verlag selbst.