Im Sommer 2020 kam die Schweizerin Nora Häuptle als Cheftrainerin zum SC Sand. Auf allen anderen Cheftrainer-Bänken der Frauen-Bundesliga saßen zu dieser Zeit Männer. Foto: Heck

Interview: Die Ex-Trainerin des SC Sand über ihre besondere Rolle in der Liga und die Bundestrainer-Frage

An einem Spieltag der Frauen-Bundesliga jagen 132 Spielerinnen auf dem Feld dem Ball hinterher. Auf dem Platz für den Cheftrainer saß bis zur vergangenen Woche, als sich der SC Sand von seiner Trainerin trennte (wir berichteten), dann aber nur eine Frau: Nora Häuptle. Im Gespräch mit der Lahrer Zeitung verrät sie, wie mehr Frauen zukünftig Bundesliga-Trainerinnen werden könnten, wie sich der Respekt gegenüber der Frau im Fußball verändert hat und was für Reaktionen zu erwarten sind, wenn eine Frau die neue Bundestrainerin bei den Herren werden würde.

Frau Häuptle, als Gladbachs U23-Trainer Heiko Vogel nach einem sexistischen Spruch gegen eine Schiedsrichterin vom Westdeutschen Fußballverband dazu angeleitet wurde, als Strafe eine Frauen-Mannschaft zu trainieren, war die Aufregung groß. Wie haben Sie reagiert, als Sie das gehört haben?

Es ist in Ordnung, Heiko Vogel für seinen Spruch zu bestrafen. Aber ein Team zu trainieren, egal, ob es Männer oder Frauen sind, ist doch niemals eine Strafe. Daher war das sicher ein verbales Eigentor vom Verband. Es haben sich aber alle Beteiligten dafür entschuldigt und damit ist es auch gut.

Woran liegt es, dass so wenige Frauen auf den Trainerbänken in der Bundesliga sitzen?

Das liegt möglicherweise an den Strukturen in der Ausbildung beim DFB. Man sollte die Pforten an der Basis weit öffnen für weibliche Trainerinnen, welche pädagogisch auch extrem wertvoll sind auf diesen Stufen. Nur durch eine breite Basis kann dann auch eine Spitze generiert werden.

Gibt es nur in Deutschland zu wenig Frauen auf den Trainerbänken oder ist das in ihrer Heimat, der Schweiz anders?

In der Schweiz haben wir dieselben Probleme. Dort ist es aber leichter, das System zu ändern, weil es kleiner als das in Deutschland ist. In einem großen System bräuchte man wohl fünf bis sechs Jahre, bis sich die Veränderungen auch an der Basis bemerkbar machen.

Was macht es für Frauen im Trainerberuf schwerer?

Sie müssen sich eigentlich während ihrer Trainerzeit schon um eine Berufsperspektive für danach kümmern. Denn auch wenn du vorher eine erfolgreiche Spielerin warst, hast du keine Millionen verdient und musst nach deiner Laufbahn irgendwie für deinen Lebensunterhalt aufkommen. Wenn du jedoch auf hohem Niveau eine Mannschaft trainierst, machst du das Vollzeit und für einen Plan B fehlen die Kapazitäten. Wenn der Plan B nicht schon vorher vorbereitet wurde, wird es nach der Trainerlaufbahn schwierig.

In der Wirtschaft wird eine Frauenquote diskutiert, nach der eine bestimmte Anzahl an Posten von Frauen besetzt werden müssen. Ergäbe das auch in der Frauen-Bundesliga Sinn?

Ich bin kein Fan der Frauenquote. Da besteht die Gefahr, dass Frauen auf Positionen eingesetzt werden, für die sie gar nicht vorbereitet sind und auch die Qualität nicht mitbringen. Wenn aber ein Mann und eine Frau für einen Trainerposten die gleichen Qualitäten mitbringen, würde ich die Frau vorziehen.

In Deutschland wird ja derzeit nach einem neuen Bundestrainer für die Herren-Nationalmannschaft gesucht. Könnte das nicht auch eine Bundestrainerin werden?

Eine Frau könnte das Anforderungsprofil vom DFB auf jeden Fall erfüllen, fachlich, sozial und auch kommunikativ. Es braucht aber für so einen Posten auch viel Erfahrung im Herrenfußball – und da gibt es keine Frauen, die dort zum Beispiel so viel Erfahrung wie Hansi Flick aufweisen können. Und da der DFB nach dem geeignetsten Kandidaten sucht, der viel Erfahrung mitbringt, wird es wohl keine Frau werden.

Wenn der Fall einmal eintritt: Wie würde eine Bundestrainerin von der Gesellschaft aufgenommen werden?

Es gibt ja überspitzt gesagt 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland. Einer großen Kritik ist man in diesem Amt immer ausgesetzt. Aber es würde schon auch mehr polarisieren, wenn eine Frau Bundestrainerin der Männermannschaft werden würde. Das Medienecho bei so einer Entscheidung wäre gewaltig. Als Verband müsste man das auch zum Thema machen und mit den Spielern in den Diskurs gehen. Denn die kennen es ja auch nicht anders, als von einem Mann trainiert zu werden und haben teilweise auch kulturelle Hintergründe, die sehr patriarchalisch geprägt sind. Trotzdem bin ich überzeugt, dass mit dem richtigen, stabilen Umfeld, eine Frau das machen kann.

Hat sich der Respekt gegenüber Frauen im Fußball in den vergangenen Jahren zugenommen?

Ich denke schon. Da ist der Frauenfußball auch Teil einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Auch spielerisch kommen wir weg von dem ständigen Vergleich zu dem Männerfußball und welcher Fußball besser oder schlechter ist. Der Frauenfußball hat eine eigenständige Attraktivität entwickelt. Hier verdienen die Spielerinnen keine Millionen und Grundwerte, von denen sich der Profi-Männer-Fußball teilweise entfernt hat, werden noch gelebt. Das kommt bei den Menschen gut an.