Inge Auerbacher bei einem Besuch der Grundschule Kenzingen im Jahr 2015 Foto: Lahrer Zeitung/Özkan (Archiv)

Die Kippenheimer Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher wird am Donnerstag, 27. Januar, vor dem Bundestag sprechen. Anlass ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Danach wird sie ihre Heimatregion Besuchen.

Diese Rede in Berlin sei ein Herzenswunsch der 86-Jährigen gewesen, erklärt Roswitha Weber. Die pensionierte Lehrerin hat sich, als sie noch an der Grundschule an der Kleinen Elz in Kenzingen tätig war, intensiv mit dem Leben Auerbachers beschäftigt und steht immer noch in engem Kontakt mit ihr. Zusammen mit ihrem Mann Klaus Weber hatte sie die Rede initiiert und den damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Weiß angesprochen, der dafür im damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble einen Fürsprecher fand. Nachdem sie nun weltweit bei den verschiedensten Anlässen – unter anderem vor den Vereinten Nationen in New York – gesprochen hat, wird Auerbacher nun also am Donnerstag als Landeskind, als Kippenheimerin und als KZ-Theresienstadt-Überlebende vor den deutschen Volksvertretern sprechen.

"Dass sie vor dem Souverän des deutschen Volkes spricht, das ist etwas Großartiges. Vor 20, 30 Jahren wäre das nicht möglich gewesen", erklärt Klaus Weber der LZ begeistert. Die Erziehung der Kinder hin zu Toleranz, zum Frieden und hin zu einer Verstehenskultur, sie müsse aktiv über die Regierung laufen. "Und das Thema hat in all den Jahren nichts an Aktualität verloren, es geht immer weiter", stellt Roswitha Weber fest. "Die Menschheit hat sich nicht so viel verändert, es gibt immer noch Diktatoren, die durch Angst Menschen beherrschen wollen."

Auerbacher ist das letzte in Kippenheim geborene jüdische Kind. Als Siebenjährige wurde sie im August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie mit ihren Eltern in die USA und lebt seither in New York. Neben ihrem Beruf als Chemikerin schrieb sie Gedichte und Geschichten über den Holocaust.

Auerbachers Credo: Sich in jeder Sekunde für das Gute entscheiden

Die Beschäftigung mit Auerbacher war für Roswitha Weber zugleich immer auch ein Beitrag zur Friedensarbeit. "Inge hat einen robusten Humor. Vielleicht hat sie aus diesem die Kraft und die Energie genommen, aus den schrecklichen Erlebnissen in ihrem Leben nicht den Hass hochkommen zu lassen." Stattdessen habe sie ihn umgewandelt, indem sie sich aktiv einsetze. "Ihr Vater hat zu ihr gesagt, sie solle in ihrem Leben stets das Richtige tun, und das prägt sie bis heute", berichtet Weber der LZ: "In jeder Situation, in jeder Sekunde entscheidet man sich das Gute oder das Böse zu tun", habe sie zu den Kenzinger Grundschülern gesagt. "Das verstehen auch die Kleinsten".

Beschäftigt mit Auerbacher hatte sich Weber das erste Mal 1993, als sie mit ihren Schülern Auerbachers Buch "Ich bin ein Stern" lesen wollte. "Dass man dieses Thema versuchte, kindgerecht aufzuarbeiten, war in den 1990er-Jahren Pionierarbeit", betont Weber, die damals wegen dieser Erinnerungsarbeit auch Anfeindungen und Bedrohungen erleben musste. Aber es gab auch Unterstützung – wofür sie allen Mitwirkenden bis heute dankbar ist: Ihre Kollegen zogen mit, sodass es ein Projekt für die ganze Schule wurde, die Stadt Kenzingen, die Landeszentrale für politische Bildung und die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft halfen bei der Finanzierung. Auch Robert Krais vom Deutsch-Israelischen Arbeitskreis Ettenheim (DIA), den Weber 1993 beitrat, stand und steht ihr mit Rat und Tat zur Seite.

Seit 2006 wird an der Kenzinger Grundschule mit ihrer Rektorin Birgit Beck jedes Jahr am 6. Mai der Inge-Auerbacher-Tag gefeiert. Es ist zum einen der Europa-Tag, zum anderen aber auch der Tag, den Auerbacher selbst als ihren "zweiten Geburtstag" bezeichnet – der Tag, an dem sie aus dem KZ Theresienstadt befreit wurde. 2001 hatte Auerbacher die Grundschule das erste Mal besucht – und auch bei diesem Besuch in der Heimat wird sie dort wieder vorbeischauen – trotz vieler anderer Anfragen.

Inge Auerbacher wird am Dienstag, 25. Januar, in Berlin landen, am Sonntag geht es dann nach Kenzingen weiter, wo sie eine Woche bleibt. Die Veranstaltungen dort werden aufgrund der Corona-Lage nicht-öffentlich sein. Es wird von einzelnen Terminen jedoch Videoaufzeichnungen geben, so etwa von einem Treffen verschiedener Erinnerungsvereine der Region mit ihr. Am Mittwoch, 2. Februar, wird Auerbacher in Kippenheim auf Wolfgang Schäuble, Kippenheims Bürgermeister Matthias Gutbrod und Jürgen Stude, Vorsitzender des Fördervereins Ehemalige Synagoge Kippenheim, treffen. "Inge Auerbacher ist eine sehr bewundernswerte Frau. Ich freue mich für sie über die große Ehre, vor dem Bundestag zu sprechen, und dass sie einen halben Tag in Kippenheim verbringt", so Gutbrod. Auch Stude freut sich auf ein Wiedersehen mit Auerbacher – und besonders darüber, dass sie am Mittwochabend das Theaterstück "Sterne in der Finsternis" des Max-Planck-Gymnasiums und des Clara-Schumann-Gymnasium aus Lahr sehen wird. Denn es basiert auf ihrem Buch "Ich bin ein Stern".