Depressionen werden bei Kindern und Jugendlichen immer noch oft erst spät oder gar nicht erkannt. Und wer als Kind eine Angsterkrankung entwickelt, trägt ein höheres Risiko, als Erwachsener von einer psychischen Störung betroffen zu sein. Foto: AOK

Rund 20 200 Ortenauer AOK-Versicherte waren 2020 wegen Depressionen oder Angststörungen in Behandlung – deutlich mehr als noch vor der Corona-Pandemie. Besonders Frauen waren laut Auswertung der Versicherung betroffen.

(red/ma). Depressionen und Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Im Laufe eines Jahres tritt eine Depression bei etwa 11 von 100 Frauen und 5 von 100 Männern auf, an einer Angststörung erkranken im gleichen Zeitraum knapp 23 von 100 Frauen und rund 9 von 100 Männern. Weltweit habe die Zahl der Menschen, die innerhalb eines Jahres an einer Depression oder Angststörung erkrankt sind, während der Coronapandemie um rund ein Viertel zugenommen. Dies schreibt die AOK Südlicher Oberrhein und beruft sich dabei auf eine Auswertung wissenschaftlicher Untersuchungen.

Doch auch ein Blick in die Statistik der Ortenauer AOK-Versicherten bestätigt diese Entwicklung:  "2020 zählten wir in der Ortenau 20 167 Versicherte, die deswegen in ambulanter oder stationärer Behandlung waren", berichtet Armin Roth, der das AOK-Kundencenter in Lahr leitet. "Vier Jahre davor waren es noch 18 093 Versicherte." Frauen spielten dabei eine besondere Rolle. "Sie sind doppelt so oft betroffen wie Männer", klärt Roth auf. Ein ähnliches Bild zeichnet die Statistik auch für das ganze Land Baden-Württemberg. Von rund 544 000 erkrankten AOK-Versicherten im Jahr 2016 stieg die Zahl in 2020 auf 605 000 Versicherte.

Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen oft erst spät diagnostiziert

Der Anteil der behandelten Versicherten steige ab dem Jugendalter kontinuierlich an und erreiche mit etwa 60 Jahren das Maximum. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen werde die Krankheit häufig spät oder gar nicht erkannt, wodurch das Risiko einer chronischen Depression wachse. "Die Hälfte aller psychischen Erkrankungen beginnen während der Pubertät", berichtet AOK-Mediziner Hans-Peter Zipp. "Depressionen und Angststörungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter." Wer als Kind eine Angsterkrankung entwickelt, trage ein höheres Risiko, als Erwachsener von einer psychischen Störung betroffen zu sein. "Dies gilt insbesondere für Angststörungen, bipolare Störungen und Alkoholabhängigkeit", weißt der Mediziner. Bei der Entstehung von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen können unter anderem körperliche oder psychische Erkrankungen der Eltern, Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch, Mobbing oder der Verlust von nahestehenden Personen durch Trennung oder Tod eine Rolle spielen.

"Grundsätzlich ist Angst eine sinnvolle Reaktion", erläutert AOK-Mediziner Zipp. Sie warne vor Gefahren und versetze den Körper in Alarmbereitschaft – grundsätzlich also eine überlebenswichtige Einrichtung. Wenn die Gefahr vorüber ist, sollte auch die Angst schwinden. "Tritt die Angst in eigentlich ungefährlichen Situationen auf und ist der Bedrohung nicht angemessen, spricht man von einer Angststörung", erläutert Zipp.

Typische Anzeichen für eine depressive Erkrankung sind laut Mitteilung der AOK Südlicher Oberrhein gedrückte Stimmung, Interessenverlust und Freudlosigkeit sowie Antriebsmangel und Ermüdbarkeit. Zu den körperlichen Beschwerden zählen zum Beispiel Magen-Darm-Probleme, Schmerzen, Schwindel oder auch Luftnot. Menschen mit Depressionen vermeiden oft soziale Kontakt und gehen kaum aus dem Haus. Auch steigt das Risiko eines Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauchs.

Lähmende Traurigkeit ist Grund, sich in Behandlung zu begeben

"Bei leichten Depressionen ist es möglich, zunächst abzuwarten, ob die Beschwerden auch ohne Behandlung wieder abklingen", so Zipp. In dieser Zeit benötige das Kind oder der Jugendliche eventuell mehr Verständnis und Unterstützung. "Bei stärkerer Symptomatik, zum Beispiel bei lähmender Traurigkeit oder Lebensunwillen ist es wichtig, sich umgehend an die Kinder- und Jugendarztpraxis zu wenden. Auch psychotherapeutische Einrichtungen, psychologische Beratungsstellen oder die Telefonseelsorge können Anlaufstellen sein."

Gemeinsam mit Hausärzten, Kinder- und Jugendärzten, Psychotherapeuten und Psychiatern hat sich die AOK darauf geeinigt, die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Außerdem bietet der "Familiencoach Depression" Hilfe für Angehörige und Freunde, die oft auch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gelangen. Mehr Infos gibt’s im Netz auf www.aok.de.