Bei den Protestmärschen gegen Corona-Maßnahmen behält sich die Stadt ordnungsrechtliche Maßnahmen vor, machen Verwaltungsspitze und Fraktionsvorsitzende in ihrer Erklärung deutlich. Foto: Baublies

"Distanzieren Sie sich von radikalen Kräften, falschen Behauptungen und unsolidarischem Verhalten": Mit diesen Worten reagieren Verwaltungsspitze und die Mehrheit des Gemeinderats auf die "Montagsspaziergänge" in Lahr.

Lahr - In der Corona-Pandemie seien viele Einschränkungen erforderlich, um die gesundheitlich besonders Gefährdeten zu schützen, heißt es in der Erklärung. "Wir sind daher überzeugt, dass wir uns insgesamt auf dem richtigen Weg befinden und mit der Pandemie angemessen umgehen. Nach unserer Wahrnehmung ist die Akzeptanz dieses Kurses hoch", so die Bürgermeister und Fraktionsvorsitzenden (siehe Info). Es gebe jedoch eine Minderheit, die den Corona-Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe und ihren Protest öffentlich zum Ausdruck bringe. Das sei ihr gutes Recht. "Auch in Lahr finden seit einigen Wochen Kundgebungen statt, die nicht angemeldet sind, bei denen teilweise die Corona-Regeln bewusst oder unbewusst missachtet werden und eine Minderheit eine Grauzone ausnutzt", heißt es weiter. Mit der Bezeichnung "Montagsspaziergänge" würden die Initiatoren und Teilnehmer versuchen, "das Versammlungsrecht zu unterlaufen und sich zugleich in der Tradition von Menschen, die sich vor mehr als 30 Jahren gegen die Regierenden in der damaligen DDR gestellt haben, zu verorten". Dieser Vergleich sei nicht akzeptabel: "Wir fordern die Initiatoren und Teilnehmenden auf, sich dieser Symbolik nicht mehr zu bedienen, die Kundgebungen anzumelden und die Corona-Regeln konsequent einzuhalten."

Die große Mehrheit der Bürger verhalte sich solidarisch und verantwortungsbewusst. Ihnen sei es nicht zu verdenken, wenn sie sich von denjenigen, die bei den "Montagsspaziergängen" auf die Straße gehen, vorgeführt fühlten. Es sei ein "starkes Zeichen", dass am Montag in Lahr gleich zwei Gegenkundgebungen für die Einhaltung der Corona-Maßnahmen demonstriert haben. "Allen, die daran teilgenommen haben, gilt unser Dank", heißt es in der Erklärung.

Man wolle mit den Teilnehmern der "Spaziergänge" im Dialog bleiben

Eine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit wäre unverhältnismäßig, solange eine überschaubare Anzahl von Menschen ihren Protest friedlich zum Ausdruck bringe, so die Verwaltungsspitze und Fraktionsvorsitzenden weiter. Man wolle mit den Teilnehmern der "Spaziergänge" im Dialog bleiben. Man nehme ihre "Ängste, Bedenken und Kritik" ernst. "Selbstverständlich" behalte sich die Stadt ordnungsrechtliche Maßnahmen vor, "sofern die Lage es erfordert und sich das Verhalten der Demonstrierenden ändere".

Die Erklärung wurde von allen Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat unterzeichnet – bis auf eine Ausnahme: Lukas Oßwald (Linke Liste/ Tierschutzpartei). "Mir fehlt die ausgestreckte Hand zum Dialog", sagte Oßwald auf Nachfrage der LZ zur Begründung. Es gebe eine "Spaltung in der Stadtgesellschaft, die müssen wir überwinden". Man müsse die Ursachen herausfinden – "und das geht nur im Dialog", so Oßwald.

Die zweite Gruppierung, die man bei den Unterzeichnern vergeblich sucht, ist die AfD. Grund: Sie genießt seit dem Austritt von Manfred Himmelsbach Mitte vergangenen Jahres keinen Fraktionsstatus mehr im Gemeinderat und wurde deshalb nur in Kenntnis gesetzt, aber nicht um eine Unterschrift gebeten, so OB Markus Ibert auf LZ-Nachfrage. Ob die beiden verbliebenen AfD-Gremienmitglieder die Erklärung mitgetragen hätten, wäre zumindest fraglich gewesen: Eine davon, Christine Amann-Vogt, trat bereits als "Spaziergängerin" in Erscheinung.

Neben Oberbürgermeister Markus Ibert sowie den beiden Bürgermeistern Guido Schöneboom und Tilman Petters haben die Fraktionsvorsitzenden Eberhard Roth (Freie Wähler), Sven Täubert (Grüne), Roland Hirsch (SPD) Ilona Rompel (CDU) und Jörg Uffelmann (FDP) die Erklärung unterzeichnet.