Die Bürgermeister Mykhailo Tsykhuliak (vorne links) und Martin Aßmuth unterzeichneten den Freundschaftsvertrag. Nicolas Stoermer (Erster Landesbeamter, von links), Serhii Chernov (Präsident der Gemeindeverbände der Ukraine), Justizministerin Marion Gentges und Gemeinderat Wilhelm Uhl nahmen an der Unterzeichnung teil. Foto: Kleinberger

Als erste Gemeinde in der Ortenau hat Hofstetten einen Freundschaftsvertrag mit einem ukrainischen Partner abgeschlossen. Bei der Veranstaltung wurde deutlich, dass das mehr ist als ein Lippenbekenntnis sei.

Hofstetten/Trostjanez. Die Kinzigtäler Gemeinde befindet sich seit 2019 im Austausch mit Trostjanez, einer Verbundgemeinde in der Nähe von Lwiw in der Westukraine (siehe Info). Der Austausch, der von allen Seiten am Sonntagabend als überaus fruchtbar bezeichnet wurde, wurde dann zunächst durch die Corona-Pandemie ausgebremst. Und dann, am 24. Februar dieses Jahres, änderte sich alles. "Die Welt ist eine andere", befand Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth. Putins Überfall habe großes Leid über die Menschen in der Ukraine gebracht.

Übersetzt wurden die Reden von Tanja und Igor Reitmann, die seitens der Ukraine-Hilfe Kinzigtal dabei waren. "Wir senden heute ein starkes Zeichen an die Menschen in der Ukraine und in Trostjanez", sagte Aßmuth und erinnerte an die umfangreichen humanitären Hilfen, die Hofstetten ab Kriegsbeginn in das Land geschickt hatte. "Freundschaft ist mehr als nur ein Wort. Gerade jetzt bedeutet es, zusammen zu stehen", sagte der Bürgermeister.

Sein ukrainischer Amtskollege Mykhailo Tsykhuliak sagte, es sei eine sehr große Ehre, den Hofstettern vor Ort für ihre Hilfe danken zu können. Für die Situation in seinem Heimatland fand er deutliche Worte. Die Aggression Russlands komme einem bösen Hund gleich, der auf fremdem Territorium sei. "Er reißt unser Land in Stücke", sagte Tsykhuliak. Einen solchen Hund könne man nicht ohne einen großen Stock verjagen.

In deutlichen Worten beschrieb er das Leid und den Schrecken in der Ukraine. Tausende seien tot oder auf der Flucht, viele sind in der Region Trostjanez untergekommen. In einem emotionalen Moment übergab er einige Gastgeschenke, die Flüchtlingskinder für die Freunde in Deutschland angefertigt hatten – unter anderem mehrere Bilder.

Hoffen auf baldige Treffen in Frieden

Die Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) bezeichnete die große Hilfsbereitschaft für die Ukraine als einen Lichtblick in Zeiten, in denen wieder Krieg in Europa tobt. Auch sie lobte die Hilfe vor Ort für die ukrainischen Freunde und bewertete den Vertrag als eine Brücke, "die die Ukraine auf ihrem Weg in die EU noch mehr mit Deutschland verbindet". Sie sei stolz auf die Brückenbauer und hoffe, dass die Ukraine bald wieder Frieden finde.

"Manche Daten bleiben im kollektiven Gedächtnis", sagte der Erste Landesbeamte des Ortenaukreises Nicolas Stoermer. Der 24. Februar 2022 stehe nun in einer Reihe mit dem 11. September 2001. "Deutschland muss sich schnell neu positionieren", sagte er. Und in der Ukraine gehe es gerade um Leben und Tod, um die nackte Existenz. "Tsykhuliaks Arbeit bedarf unser höchsten Anerkennung", machte Stoermer deutlich, wie schwer es auch für die dortigen Gemeindestrukturen ist.

Gemeinderat Wilhelm Uhl (CDU) war 2019 beim Besuch in der Ukraine dabei gewesen und hatte den Hilfstransport an die polnische Grenze begleitet. Zu Tränen gerührt wiederholte er die Einladung an die ukrainische Delegation zu sich nach Hause. "Ich hoffe, dass wir uns bald in Frieden treffen können", sagte Uhl.

Tsykhuliak war von Serhii Chernov, Präsident der Gemeindeverbände der Ukraine, begleitet worden. Dieser bezeichnete den Kriegs Russlands als "voller Zynismus und ohne Ziel". Von den 1500 Gemeinden im Land seien aktuell 380 von Russland besetzt oder lägen an der Frontlinie. Auch er erinnerte an die Tausenden Toten, die der Krieg bereits gefordert hat und äußerte einen Wunsch: "Wir wollen unser Land wieder aufbauen." Die Ukraine als zivilisiertes und demokratisches Land habe seine Entscheidung getroffen – zu einem unfassbar hohen Preis. Er danke Deutschland, dass es den Eintritt der Ukraine in die EU unterstütze.

Nun gelte es, die Dauer bis zum Beitritt so weit wie möglich zu verkürzen. Er hoffe, dass dieser Schulterschluss der Gemeinden dazu einen Beitrag leiste. "Es geht hier nicht nur um den Krieg. Es geht um die Zukunft der Ukraine."

Hofstetten ist die erste Gemeinde im Ortenaukreis, die einen Freundschaftsvertrag mit einem Partner in der Ukraine unterzeichnet hat. Über einen Kontakt zur Servicestelle des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sei die Idee entstanden, einen Austausch mit einer Partnergemeinde einzugehen. 2019 hatte eine Abordnung aus Hofstetten die Gemeinde im Westen der Ukraine besucht und erste Bande geknüpft. Während der Corona-Pandemie wurde der kontakt über das Internet gehalten. Jetzt hatte man auf eine Wiederaufnahme der Besuche gehofft.

Kommentar: Schulterschluss

Sprachlos war Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth am Sonntagabend nach den emotionalen Reden. Und sein ukrainischer Amtskollege Mykhailo Tsykhuliak sprach ihm ein großes Lob aus: »Sie müssen nichts mehr sagen. Was Sie sagen, tun Sie auch – das reicht.« Tatsächlich haben die Gemeinde Hofstetten und zahllose Ehrenamtliche in den vergangenen Monaten viel Energie in humanitäre Hilfen gesteckt. Die Unterstützungsbereitschaft in der gesamten Region ist immens. Die Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags ist jedoch viel mehr als die symbolische Verbindung dieser beiden Gemeinden. In einer Zeit, in der wieder Krieg herrscht in Europa, ist dieser Schulterschluss ein Bekenntnis für Demokratie und Freiheit. Bleibt zu hoffen, dass die Gemeinden ihre Freundschaft bald wieder pflegen können. In einem friedlichen Europa.