200 Landwirte informierten sich beim Versuchsfeldtag in Orschweier. Was ihnen aktuell besonders zu schaffen macht, sind gestiegene Preise für Dünger, Saatgut und Pflanzenschutz sowie fehlender Regen. Foto: Hiller

Die Ortenauer Landwirte sind verunsichert: Die höheren Verkaufspreise für ihre Ernte könnten von eklatanten Kostensteigerungen bei Saatgut und Dünger aufgefressen werden. Der Ukraine-Krieg macht die globale Marktlage ebenfalls unüberschaubarer.

Orschweier - Die Landwirte wissen derzeit überhaupt nicht, wo die Reise mit ihren diesjährigen Ernten samt Verkaufserlösen hin gehen könnte. Das stellte sich auch beim Versuchsfeldtag in Orschweier heraus. Dieser wird dort jährlich mehrfach vom Landwirtschaftsamt des Ortenaukreises organisiert. Dort bewirtschaftet die Landwirtsfamilie Anselm umfangreiche Ackerflächen mit Hunderten von Versuchsparzellen im Auftrag des landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg, das in Baden-Württemberg 24 solcher zentralen Versuchsfelder betreibt und wissenschaftlich auswertet – in Orschweier für die südliche Rheinebene mit den Landkreisen Offenburg und Emmendingen.

Am Dienstag nahmen knapp 200 Landwirte in vier Gruppen an den Führungen teil. Dafür bekommen sie nicht nur die gesetzlich geforderten Kenntnis-Nachweise im Pflanzenschutz bescheinigt. Sie wollten zudem auch über den eigenen Ackerrand hinaus schauen.

Die Situation der Marktlage ist unüberschaubar, berichtete Uwe Füller von der Raiffeisen-Genossenschaft Karlsruhe. Gleich nach dem Ausbruch des russischen Ukraine-Kriegs seien etwa die Welt-Weizenpreise binnen 15 Minuten um 100 Prozent explodiert, vor allem wegen der Börsen-Terminspekulanten. Geschätzt werde derzeit, dass die zur Verfügung stehende weltweite Weizenproduktion um ein Viertel einbrechen könnte. Beim Mais kündigen sich jedoch teilweise Rekordernten an, etwa in Südamerika. Insgesamt werden aber auch die den Nachfragemarkt wohl ebenfalls nicht mehr decken können. Anders sieht es beim Soja aus: Davon wird global sehr viel wachsen. Stabil bleiben sollen die Preise für Raps.

Preise für Saatgut, Dünger und Schutzmittel sind stark gestiegen

Jedoch: Gleichzeitig sind die Preise für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel extrem gestiegen, wie Thomas Fliegauf von der gleichnamigen Krozinger Agrarhandel-Firma berichtete. Ob bislang russisch produzierter Stickstoff- oder Kaliumdünger: Da gebe es noch zu viele Fragezeichen. Jedenfalls: Extrem teurer sind sie schon mal geworden. Das sei dramatisch und müsse deutsche Landwirte zum Mengensparen zwingen.

Der neue Offenburger Landwirtschaftsamtsleiter Arno Zürcher bestätigte die aktuelle Perspektive für Landwirte. Die seien jetzt mit extrem höheren Düngemittel- Betriebskosten belastet, aber auch mit neuen gesetzlichen Pflanzenschutz-Einschränkungen in Kombination mit weniger Markt- Verfügbarkeit von Pestiziden und Fungiziden. Das, so Zürcher, könnte dafür sorgen, dass bei den heimischen Landwirten die zu erwartende höheren Ernte-Verkaufspreise von entsprechend höheren Produktionskosten nahezu aufgefressen werden. Es werde also keinen Rekordgewinn für die Landwirte nach dem "Ausfall" der Ukraine geben.

Jedenfalls stehe ihnen das Ortenauer Landwirtschaftsamt weiterhin mit Ratschlägen zur Seite, ob bei Mais, Getreide oder anderen Kulturen. Den Besuchern des Versuchsfeldtages war es anzumerken: Glücklich sind sie nicht darüber, nun nicht nur die üblichen Saatgut-Entscheidungen treffen zu müssen, sondern auch noch globale Marktkenner, Verkaufsstrategen und Buchhaltungsprofis sein zu müssen.

Regen als entscheidender Faktor

Die künftigen Ernten der Landwirte sind zunehmend sehr wetterabhängig. Zwar stünde, so die Experten, der junge Mais in der südlichen Rheinebene derzeit gut. Doch dafür sei nun das Wetter im Juli besonders entscheidend. Wird dieser Monat abermals extrem trocken ausfallen, bleibt auch die Maisernte kümmerlich. Nicht besser sieht es beim Getreide aus: Dort werden schon die nächsten sechs Wochen entscheidend sein. Die Landwirte sind nicht zu beneiden: Sie müssen nicht nur auf baldigen Regen ohne Gewitter-Sturzbäche hoffen, sondern überdies auch auf eine Entspannung auf dem Welt-Börsenmarkt.