Die Cousinen Ira (links vorne) und Lilia (rechts vorne) sprachen mit der Lahrer Zeitung über ihre Flucht aus der Ukraine. Maria Boger (hinten rechts) übersetzte das Gespräch. Foto: Göpfert

Zwei Frauen haben mit der Lahrer Zeitung über ihre Flucht gesprochen.

Mahlberg - "Was in Ihrem Land passiert, ist für uns kaum auszuhalten und ertragen. Wir können kaum ermessen, was Sie gerade durchmachen. Wir hoffen, Sie fühlen sich in Mahlberg willkommen und geborgen. Wir sind froh, dass Sie in Mahlberg sind", so begrüßte der evangelische Pfarrer Jörg Herbert, die ukrainischen Frauen zum Kennenlern-Kaffee. Mit diesen wollten Stadt und Gemeinde "der Fratze des Krieges ein Stück Menschlichkeit entgegensetzen".

Unter den Frauen, die das Café besucht haben, war auch Lilia, die Näherin für Oberbekleidung ist. Sie ist zusammen mit ihrem Sohn sowie ihrer Cousine Ira und deren Tochter aus dem ukrainischen Charkow, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, geflohen. Dolmetscherin Maria Boger übersetzte die Erlebnisse der beiden Frauen und ihrer Kinder. Ira beschrieb, wie die vier sich vor den Bomben zunächst in einen Bunker und dann, weil dort die Verhältnisse schlecht waren, in einem Keller in die Nähe ihres Hauses geflüchtet hatten. "Als die Häuser bombardiert und mit Raketen beschossen worden sind, haben die Kinder geweint und geschrien, dass sie nicht sterben wollen", schildert Ira. Lilia habe dann vorgeschlagen, nach Lwiw (Lemberg) zu gehen, das in der Nähe der Grenze zu Polen liegt. Die Reise sei sehr schwierig gewesen, die Bahnhöfe überfüllt, aber schließlich habe man dank freiwilliger Helfer einen Platz im Zug bekommen.

Heimatstadt ist zerbombt

In Lwiw seien sie froh gewesen, bei fremden Leuten untergekommen zu sein, wo die vier zu essen bekamen und endlich die Gelegenheit hatten, sich und ihre Kleider zu waschen, berichtet Ira der LZ. Von dort seien sie mit Bussen mit Umstiegen bis nach Polen gekommen, wo sie bei Bekannten untergekommen seien. Die Polen seien sehr gastfreundlich gewesen. Als freiwillige Helfer dann erzählten, dass Deutschland Frauen mit Kindern annimmt, seien sie mit einem zurückkehrenden Hilfstransport nach Deutschland gelangt.

Ira schilderte auch, wie schön ihre Heimatstadt einst gewesen sei. Alles sei dort neu gebaut worden, es habe herrliche, große Parks und einen neuen Zoo gegeben. Ihre Tochter habe dort professionell Sport betrieben, sei Mitglied in vielen Vereinen gewesen. Doch die einst wunderschöne Stadt sei inzwischen ausgebombt und vernichtet worden.

Hilfsbereitschaft in Mahlberg ist groß

22 ukrainische Flüchtlinge sind derzeit in Mahlberg und Orschweier untergebracht. Bürgermeister Dietmar Benz rechnet damit, dass der Gemeinde noch 30 bis 40 weitere zugeteilt werden. Damit diese sich sowohl untereinander als auch mit den ehrenamtlichen Helfern vernetzen können, hat Bürgermeister-Gattin Silvia Benz-Obergföll zusammen mit der evangelischen Kirchengemeinde das Kaffee organisiert. Es sollte ein erster Schritt des Kennenlernens in einer entspannten Atmosphäre sein, ein Konzept, das am Freitag durchaus aufzugehen schien. Die Hilfsbereitschaft sei groß, schildert Pfarrer Herbert. "Es hatten sich sofort Helfer gefunden, die Kuchen gebacken oder geholfen hatten, den Tisch zu decken", erklärt er.

Die vier Dolmetscherinnen Nelli Schmidt, Svetlana Schäfer, Luisa Thum und Maria Boger sorgten dafür, dass die Kommunikation auch zwischen Helfern und Ukrainerinnen klappte. Sie sprechen zwar kein Ukrainisch, aber Russisch. Die Sprachen seien sich sehr ähnlich, sodass man sich untereinander problemlos verstehen würde, erklärte Boger, die in Russland auch jahrelang Deutschkurse gegeben hatte und aktuell den Geflüchteten auch mit den nötigen Dokumenten hilft. Sie will für die Mahlberger und Orschweierer Geflüchteten nun auch Deutschkurse in der Fabrikantenvilla anbieten.

Wohnraum wird vorbereitet

Aktuell hat die Stadt eine Familie in einer städtischen Wohnung untergebracht, zwei weitere städtische Wohnungen hat sie noch in der Hinterhand. So wird etwa die Wohnung in der Gartenstraße renoviert. Eine Küche habe man schon, Möbel hofft man über Netzwerke zu bekommen. Eine Familie mit fünf Kindern soll dort einziehen, die derzeit auf 55 Quadratmetern lebt. "Die Leute müssen adäquat untergebracht werden", formuliert Bürgermeister Benz sein Ziel. Aktuell seien viele noch übergangsweise in Wohnungen mituntergebracht, ohne eigene Zimmer, was keine Dauerlösung sei. Der Stadt seien vier bis fünf Objekte zum Anmieten angeboten worden. Dass die Flüchtlingskinder schon ohne Deutschkenntnisse in die Schule geschickt werden, hält Benz für wenig zielführend. Aussichtsreich sieht er jedoch die Integration im Kindergarten. Dafür fürchteten dort manche Eltern um die Plätze für ihre Kinder. Doch, so Benz: "Das ist ein Wohlstandsproblem. Wir werden eine Lösung finden."