Kriminaltechniker der Kripo Offenburg haben das Ortenauer Migrationsamt bei der Registrierung der ukrainischen Flüchtlinge unterstützt. Unser Foto zeigt, wie Landrat Frank Scherer (rechts) sich ein Bild des Prozedere gemacht hatte. Foto: Landratsamt

Die Flüchtlingswelle im Zuge des Ukraine-Kriegs hat die Ortenau vor eine neue Herausforderung gestellt. Menschen müssen registriert, versorgt und untergebracht werden. Trotz Krisenerfahrung aus der Vergangenheit ist das ein Kraftakt für alle.

Ortenau - Eigentlich sind die Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Kreises stresserprobt. Viele haben auch schon einige Krisen und Flüchtlingsbewegungen mitgemacht – wie etwa zuletzt 2015/16. "Dieses Mal war es aber anders als sonst", erklärt Michael Loritz, der für Flüchtlingsfragen zuständige Dezernent im Landratsamt, im Hinblick auf die Folgen des Ukraine-Kriegs. Dessen Auswirkungen und die damit verbundene Registrierung und Aufnahme von Vertriebenen sowie sich plötzliche ändernde gesetzliche Rahmenbedingungen hätten einen immensen Kraftakt bedeutet.

Nach Ausbruch des Kriegs konnten ukrainische Staatsangehörige wie bisher auch drei Monate visumsfrei nach Deutschland einreisen. "Viele kamen zunächst bei Bekannten und Verwandten im Ortenaukreis unter. Es wurde aber sehr schnell klar, dass der Krieg länger dauern wird und viele Menschen fliehen würden müssen. Wir gingen davon aus, dass sich der Bund, wie auch sonst bei so großen Fluchtbewegungen, der Sache annimmt und eine Verteilung aller ankommenden Personen aus der Ukraine zunächst über die Länder erfolgt. Dadurch hätte es einen zeitlichen Puffer für die Kommunen gegeben, sich auf den Ansturm vorzubereiten", so Loritz.

Ausländerbehörden sind nicht für Massen-Registrierungen ausgelegt

Es kam jedoch anders, die Ausländerbehörden mussten nun auch die aufwendige Registrierung und Datenerfassung übernehmen. "Ausländerbehörden sind für so eine Vielzahl an Aufnahmen in kürzester Zeit überhaupt nicht entsprechend ausgestattet. Für eine Massenregistrierung von tausenden Flüchtlingen gibt es eigentlich die großen Registrierstraßen in den Ankunftszentren der Länder oder in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen", so Loritz.

"Genau diese Registrierung war aber das Nadelöhr für Folgemaßnahmen", ergänzt Migrationsamtsleiterin Alexandra Roth. "Ohne Registrierung gab es keine Aufenthaltsbescheinigungen, die wiederum Grundlage für Leistungen sind." Ein Registrierungsvorgang inklusive Nebenarbeiten dauerte am Anfang mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten im Landratsamt fast eine ganze Stunde. "Ein Unding angesichts der Vielzahl der Fälle. Es hätte Monate gedauert, die dazu nötigen Vorsprachen zu terminieren. Wir konnten den Unmut der Menschen gut verstehen, wir waren ja selbst über die Situation sehr unzufrieden", blickt Loritz zurück.

Kriminalpräsidium unterstützte bei der Registrierung

Unterstützung kam dann unbürokratisch und schnell vom Polizeipräsidium Offenburg, das drei sogenannte Personalisierungsinfrastrukturkomponenten – kurz PIK-Stationen – zur Verfügung stellte. Ein Team von Kriminaltechnikern nahm dabei die Registrierung mit biometrischen Fotos und Fingerabdrücken vor. So konnten mehr als 1000 Menschen in nur drei Wochen erfasst werden.

Neben der Registrierung war und ist die Ausstellung von aufenthaltsrechtlichen Bescheinigungen, sogenannten "Fiktionsbescheinigungen", unabdingbar für eine Leistungsgewährung. "Früher dauerte das Wochen, heute nur noch wenige Tage", sagt Loritz, der kopfschüttelnd an die Anfangszeiten nach Kriegsbeginn erinnert. Damals waren die vom Bund geforderten Bescheinigungen wochenlang bei der Bundesdruckerei in den benötigten Mengen nicht lieferbar.

"Inzwischen bestellen wir bei der Bundesdruckerei gleich die ›richtigen‹ Dokumente für den Aufenthaltstitel, wenn die Anträge dazu da sind und biometrische Reisepässe vorgelegt werden können. Das geht viel schneller und bringt den Menschen Erleichterung", erklärt Alexandra Roth. Um die Vorgänge zu beschleunigen und dem Ansturm gerecht zu werden, wurde eine Telefonhotline mit Terminvergabe eingerichtet und eine Webseite auf Ukrainisch erstellt. Auch wurden schnell Anträge für die Aufenthaltserlaubnis in Ukrainisch beschafft und die Abstimmung mit den anderen fünf Ausländerbehörden der großen Kreisstädte wurde intensiviert. "Inzwischen geht auch die PIK-Erfassung mit unserer Technik viel schneller", ist Roth erleichtert.

4000 Ukrainer lebe derzeit in der Ortenau

Mittlerweile leben mehr als 2000 Ukrainer alleine im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde des Landratsamtes, rund 4000 im gesamten Ortenaukreis. "Mit einem hohen Personaleinsatz schaffen es die Ausländerbehörden im ganzen Kreis, diese Menschen zu beraten, zu informieren und ihnen die ersten Schritte in der neuen Umgebung zu erleichtern", erklärt Roth, die Verständnis hat für den Unmut aus Teilen der bereits hier lebendenden ausländischen Bevölkerung über länger Bearbeitungszeiten.

Deswegen werde nun priorisiert, um alle Vorgänge schnell abarbeiten zu können. Wie lange dieser Zustand noch andauern wird, kann Roth nicht beantworten. "Es ist zu befürchten, dass wir uns auf einen langen Krieg einstellen müssen", so Roth. Die Frage werde dann sein, ob die Geflüchteten auf Dauer hierbleiben wollen. "Aktuell kehren einige bereits wieder zurück", erklärt sie. Selbst wenn keine weiteren Menschen aus der Ukraine dazukämen, würde es bei den Ausländerbehörden noch Wochen dauern, bis die Rückstände aufgearbeitet seien.

"Und die nächste Herausforderung steht schon bevor: Die Ampelregierung will ein ›Chancen-Aufenthaltsrecht für geduldete Asylbewerber‹ einführen", informiert die Amtsleiterin. Das bedeute zusätzliche Beratung über Prüfung der Anträge und Schriftverkehr mit Rechtsanwälten bis hin zu möglichen Gerichtsverfahren wegen Ablehnungen der Anträge. "Irgendwie müssen wir das aber auch schaffen", erklärt die Migrationsamtsleiterin hoffnungsvoll.

Über das Migrationsamt

Das Migrationsamt des Ortenaukreises ist in vielfältiger Weise Anlaufstelle für die Ausländer in der Ortenau. Es betreibt über den gesamten Kreis verteilt Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Die Berechnung und die Auszahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gehören ebenso zum Aufgabengebiet wie die Aufnahme und Eingliederung von Spätaussiedlern. Für die rund 26 000 Ausländer im ländlichen Raum des Ortenaukreises ist das Migrationsamt die zuständige Ausländerbehörde. Die fünf großen Kreisstädte unterhalten eigene Ausländerbehörden für ihre Bürger.