Schiedsrichter Orel Grinfeld zeigt Frankfurts Ante Rebic (rechts) die rote Karte. Rebics Mitspieler Makoto Hasebe ist mit der Entscheidung nicht einverstanden. Und selbst Straßburgs Kapitän Stefan Mitrovic (Nummer 13) schaut ungläubig. Foto: Dedert Foto: Lahrer Zeitung

Europa League: Überfordertes Straßburg verlässt nach 0:3 gegen Eintracht Frankfurt die internationale Bühne

Es hatte nicht sollen sein mit der zweiten Pokalsensation. Eine Woche nach dem überraschenden 1:0 im Hinspiel gegen Eintracht Frankfurt musste sich ein zu ängstliches Racing Straßburg dem Europacup-Halbfinalisten mit 0:3 geschlagen geben.

Europa-League-Qualifikation, Rückspiel: Eintracht Frankfurt - Racing Straßburg 3:0 (1:0). Für Racing Straßburg ist der Traum von Europa ausgeträumt. Der französische Ligapokalsieger aus dem Elsass musste sich am Donnerstagabend in den Play-offs nach schwachem Auftritt dem furios aufspielenden Bundesligisten geschlagen geben.

Die Taktik

Tippt man bei Google in den Übersetzer den Begriff "Angsthasenfußball" ein, spuckt der Computer umgehend auf Französisch "le football lâches" aus. "Lockerer Fußball" also, so die wörtliche Übersetzung, ist das, was Racing am späten Donnerstagabend in der Frankfurter Commerzbank-Arena gespielt hat. Nichts war mehr zu sehen von dem couragierten Auftritt im Hinspiel, in dem die Elsässer besonders im ersten Durchgang den letztjährigen Europa-League-Halbfinalisten komplett abgekocht hatten. Stattdessen setzten die Gäste trotz identischer Hinspielbesetzung bei der Fortsetzung des Krimis aufs Tore verhindern. Die Gästespieler ließen sich bei jeder Gelegenheit fallen und debattierten mit dem Unparteiischen.

Seinen Tiefpunkt hatte die Verzögerungstaktik Mitte der ersten Hälfte bei der Entscheidung, wie mit einem Stück ramponiertem Rasen verfahren werden sollte. Während Racing-Urgestein Dimitri Liénard vom Schiedsrichter vehement die längerfristige, weil zeitaufwendigere Lösung forderte, hatte Gonçalo Paciência keine Geduld. Er setzte auf den Quick Fix und stopfte das Loch kurzerhand selbst notdürftig. Doch auch der Straßburger Trainer Thierry Laurey hatte bei einem Einwurf im ersten Durchgang die alte Milchmädchenrechnung im Hinterkopf. Je länger den Hausherren noch ein Tor zum Weiterkommen fehlt, desto nervöser werden sie. Deshalb vergaß selbst Laurey seine Manieren und ließ sich reichlich Zeit bei der Ballübergabe.

Ansonsten setzten die Elsässer auf eine Taktik, die auch viele der hiesigen B-Ligisten in den letzten Wochen im Bezirkspokal gegen höherklassige Gegner mal mehr, mal weniger erfolgreich angewendet hatten: Mit langen Bällen wurde Sturmtank Ludovic Ajorque gesucht, der seine Lufthoheit in Tore ummünzen sollte. Schuld an dem ängstlichen Auftritt der Laurey-Elf dürfte natürlich auch die grandiose Kulisse gehabt haben. Unter dem Motto "Alle in schwarz" hatten die Eintracht-Fans in ihren dunklen Outfits die Arena verdunkelt. Die Geräuschkulisse sollte der visuellen allerdings in nichts nachstehen: Die Frankfurter Fans machten 90 Minuten ähnlich viel Dampf auf den Rängen, wie ihr Team auf dem Rasen. Die Franzosen, an solch stimmgewaltigen Gegenwind offenbar nicht gewöhnt, zeigten sich sichtlich beeindruckt.

Der Buhmann

Ob Racing-Schlussmann Matz Sels der deutschen Sprache mächtig ist, ist nicht überliefert. Die lautstarke und besser nicht im Wortlaut wiedergebbare Botschaft der Eintracht-Fans, die Sels in den zweiten 45 Minuten gnadenlos auspfiffen, sobald der Ball auch nur in die Nähe seines Gehäuses kullerte, dürfte aber beim ehemaligen belgischen U21-Nationaltorhüter angekommen sein: Schauspielerei hat auf dem Feld nichts verloren. Vor allem dann nicht, wenn diese dazu führt, dass die Hausherren ab der 44. Minute die Partie in Unterzahl hatten spielen müssen. Zuvor hatte Frankfurts wechselwilliger Star Ante Rebic, Vorbereiter des Eigentors von Stefan Mitrovic, unmittelbar vor der Pause den herausstürzenden Sels mit gestrecktem Bein erwischt – Gelb vielleicht, doch der schwache israelische Schiedsrichter Orel Grinfeld zückte glatt Rot, während sich Sels minutenlang mit schmerzverzehrtem Gesicht auf dem Boden wälzte, nur um kurze Zeit später wieder weiterzumachen, als sei nichts gewesen.

Racing Straßburg spielt viel zu passiv

Doch schon zuvor hatte sich der Belgier den Unmut der schwarzen Frankfurter Wand in seinem Rücken zugezogen. Nur zehn Minuten vor dem Zusammenprall mit Rebic war Sels wie ein belgischer Derwisch seinem Mitspieler Jonas Martin noch bis gut 30 Meter vor seinem Tor hinterhergelaufen. Gut gemeinter Ratschlag für den hitzigen Martin oder simples Zeitspiel – für Eintracht-Coach Adi Hütter gab es darüber in der Pressekonferenz nach dem Spiel jedenfalls keine zwei Meinungen. "Vielleicht wurde Straßburg heute auch für sein Verhalten bestraft. Ich kann nicht verstehen, wie die schon nach ein paar Minuten anfangen konnten, auf Zeit zu spielen."

Der Schiedsrichter

47 000 Zuschauer waren im Stadion. Natürlich war die Arena damit beim vorläufigen Saisonhöhepunkt ausverkauft. Zehn Minuten lang war der zwölfte Frankfurter Mann eigentlich nur der Elfte. Denn nach dem Platzverweis von Rebic musste die Eintracht in Unterzahl weitermachen. Mit einem Mann mehr auf dem Feld versuchte Racing dann zumindest zu Beginn des zweiten Durchgangs endlich auch selbst Fußball zu spielen. Bezeichnend: Die erste Ecke der Gäste gab es in dieser Phase. Doch nur zehn Minuten nach Wiederanpfiff stellte Dimitri Liénard, der in den Jahren zuvor mit Racing den Durchmarsch aus der 3. bis in die 1. Liga geschafft hatte, den Status quo wieder her. Im Mittelfeld revanchierte sich der Routinier bei Dominik Kohr für ein vorangegangenes Foulspiel mit einem Wischer ins Gesicht. Während Kohr für seine Aktion Gelb sah, musste Liénard den Platz vorzeitig verlassen. In Gleichzahl erhöhten die Hausherren schnell wieder die Schlagzahl und kamen durch ein herrliches Freistoßtor von Filip Kostic (60.) und einen trockenen Abschluss von Danny da Costa (77.) schnell zu weiteren Treffern. "Mein Tor kam genau im richtigen Moment", bestätigte Kostic nach der Partie im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch auch zum Platzverweis seines Mitspielers Rebic hatte der Serbe eine klare Meinung: "Das hätte nicht einmal Gelb geben dürfen." Vergessen darf man dabei allerdings nicht, dass die Eintracht in Durchgang eins sogar noch Glück gehabt hatte, nicht schon früher in Unterzahl spielen zu müssen. Denn in der 32. Minute war ein Ellbogenschlag von Rebics Sturmpartner Gonçalo Paciência ins Gesicht von Alexander Djiku vom Schiedsrichter nicht geahndet worden.

Die Emotionen

Noch während sich Straßburgs Keeper Sels nach Rebic Fouls am Boden für eine Oscar-Nominierung bewarb, versuchten einige aufgebrachte Frankfurter dem Schlussmann einen Besuch abzustatten. An der Bande konnten sie, nur wenige Meter von Sels entfernt, gerade noch von Ordnern daran gehindert werden. Doch damit nicht genug der Tumulte. Der spätere Torschütze Kostic rannte Sels nach dem Pausenpfiff hinterher und erwischte ihn unmittelbar vor dem Spielertunnel. Hier konnte der wutentbrannte Kostic nur mit einiger Mühe von einigen Spielern gestoppt werden. Doch offenbar ging es dann in den Katakomben des Stadions noch weiter. Ordner mussten eingreifen. Eintracht-Trainer Hütter sah Gelb, Frankfurt-Sportdirektor Bruno Hübner wurde sogar auf die Tribüne verwiesen. Im Interview beschuldigte Hübner beim Fernsehsender RTL Nitro Racing-Trainer Laurey, zugeschlagen zu haben. "Es gab viele Emotionen auf und neben dem Platz. Manchmal geht auch mit mir der Gaul durch. Bei beiden roten Karten hätte sicherlich auch Gelb gereicht", erklärte Frankfurts Übungsleiter Hütter nach dem Spiel.

Am Sonntag wartet Monaco

Nach dem internationalen Aus heißt es für Racing Straßburg "Mund abwischen" und in der Liga weitermachen. Denn dort wartet bereits am Sonntag (17 Uhr) die nächste Aufgabe. Der Gegner ist der Champions-League-Finalist von 2003/04, der AS Monaco. Doch von dem einstigen Glanz ist beim Team aus dem Fürstentum, wo mit dem Ex-Leverkusener Benjamin Henrichs (derzeit allerdings verletzt) und den ehemaligen Wolfsburgern Naldo und Diego Benaglio einige Bundesligagrößen unter Vertrag stehen, nicht mehr viel zu sehen. Lediglich einen Punkt weist Monaco nach drei Spieltagen auf – und damit sogar noch einen weniger als der kommende Gegner. Bereits im Vorjahr konnte die Millionentruppe den Abstieg erst im letzten Moment verhindern. Eigentlich seltsam, denn mit Spielern wie Cesc Fàbregas oder Falcao verfügt Monaco über unheimlich viel Qualität.