Auch am letzten Tag noch voll im Einsatz: Im derzeit wegen der Rathaussanierung in der Hauptstraße 24 untergebrachten Büro erledigte Frank Edelmann am Montag noch die letzten Geschäfte. Foto: Kleinberger

Steinachs scheidender Bürgermeister blickt auf Höhen und Tiefen nach 16 Jahren im Amt zurück

Steinach. Der Wechsel vollzieht sich schnell: Am Montagabend hat Steinachs noch-Bürgermeister Frank Edelmann sich im Rahmen der Gemeinderatssitzung verabschiedet, am gestrigen Dienstag hat er die Geschäfte an seinen Nachfolger Nicolai Bischler übergeben und bereits heute reist er erst einmal nach Griechenland ab. Mit dem SchwaBo sprach Edelmann über seine Zeit als Gemeindeoberhaupt.

Nach 16 Jahren endet Ihre Amtszeit als Steinacher Bürgermeister. Sind Sie erleichtert oder wehmütig?

Ich bin sicherlich wehmütig, was die persönlichen Begegnungen und den persönlichen Alltag, auch mit den Mitarbeitern, betrifft. Erleichtert, was manche politische Diskussion angeht. Aber auch, wieder mehr über meinen Kalender bestimmen zu können.

Woran denken Sie besonders gerne zurück?

Ich bin jemand, der nicht in errichteten Gebäuden oder Projekten denkt. Mir sind die persönlichen Begegnungen sehr viel wichtiger. Ein Beispiel: Die Gründung des Wirtschaftskreises war für mich etwas Besonderes. Der Preis dafür, dass Armin Matt das Amt des Vorsitzenden übernimmt, war, dass ich mit ihm zusammen auf eine Mountainbike-Tour gehe.

Sie haben gerade gesagt, dass Sie nicht in Gebäuden oder Projekten denken. Trotzdem: Was waren die Höhepunkte für Sie?

Die Allmendhalle war finanziell und politisch nicht einfach. Dort war aber auch zu sehen, wie Kommunalpolitik richtig funktioniert, im Gegensatz zur heutigen Situation im Gemeinderat. Damals war sehr umstritten, ob wir die Sanierung der Halle umsetzen. Sie war nicht günstig. Das Ergebnis ist hervorragend, aber damals haben wir stundenlang um jede Stimme gerungen. Am Schluss gab es eine knappe Mehrheit für die Sanierung. Aber ab diesem Zeitpunkt hat der gesamte Gemeinderat für das Projekt gekämpft. Politik und Demokratie funktionieren so, dass man sich an der Mehrheit orientiert und dann im positiven Sinne an dem Projekt beteiligt – nicht dauerhaft bremst. Schön war auch die Schwimmbadsanierung. Besonders deshalb, weil wir eine Bürgerversammlung mit annähernd 400 Teilnehmern hatten. Bis auf eine Stimme haben alle gesagt: Ja, wir wollen das Bad behalten, und ja, wir wissen, damit erhöht sich die Pro-Kopf-Verschuldung um 300 Euro. Das war eine Sternstunde der umgesetzten Bürgerbeteiligung in schwierigen Situationen.

Sie haben immer stark darauf gesetzt, die Steinacher mit ins Boot zu holen. Trotzdem haben sich einige der Bürger übergangen gefühlt. Können Sie sich das erklären?

Mir war von Anfang an – und auch bis heute – der Bürgerbeteiligungsprozess sehr wichtig. Wir haben bereits 2002 die Lokale Agenda 2010 angestoßen. Es gab alle möglichen Beteiligungsformen. Das Problem ist, dass sich in solchen Prozessen oftmals die äußern, die konkret gegen eine Entwicklung sind. Diejenigen, die dafür sind, sind gar nicht so präsent. Dadurch entsteht eine Emotionalität in manchen Diskussionen, die nicht immer die wahre Denksituation der Bürger abbildet. So entsteht eine emotionale Ebene, die nicht mehr zu beherrschen ist.

Ist das auch beim Interkom passiert?

Ich denke mittlerweile, dass mein Vorsatz, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu informieren und zu beteiligen, beim Interkom ein Fehler war. Mit der heutigen Besiedlungssituation, den Arbeitsplätzen und einer fertigen Abfahrt hätten wir eine andere Grundlage für die Diskussion. Die Gegner hätten sich zu Wort gemeldet, aber für die Befürworter wäre es mit dem sichtbaren Erfolg einfacher gewesen, zu argumentieren. Es war jedoch immer mein Grundprinzip, die nächsten Schritte so früh wie möglich einzuleiten. Was ich aber unredlich finde, ist, heute zu sagen, die damaligen Vereinbarungen über Bezahlungen oder Verträge sind nicht Steinach-freundlich. Der Kern von Politik besteht darin, Entscheidungen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit den dort vorhandenen Informationen und Ausgangssituationen zu treffen. Die Gemeinde Steinach hatte, als ich gekommen bin, eine desaströse Finanzsituation. Damals hatten wir die größte Sorge, wie wir selbst unsere 40 Prozent am Interkom finanzieren sollen. Wenn ich damals gesagt hätte: In acht Jahren ist alles verkauft, alles besiedelt, es gibt 350 Arbeitsplätze – dann hätten alle gesagt, das ist der größte Märchenonkel. Jetzt ist es so eingetreten. Wir sind derzeit im Zweckverband faktisch schuldenfrei. Ich freue mich natürlich, dass wir diese grandiose Entwicklung haben. Politik funktioniert aber nicht im Rückspiegel, sondern durch die Frontscheibe.

Gibt es außerdem noch etwas, woran Sie sich nicht gerne erinnern?

Wenn Angriffe ins Private gegangen sind. Ich muss als Amtsperson das Private schützen können. Als plötzlich die Familie im Fokus stand, hat das sehr getroffen.

Hat sich der Umgang der Bürger mit dem Bürgermeister in den vergangenen 16 Jahren geändert?

Die Gesellschaft verändert sich leider. Die Respektlosigkeit gegenüber Amtsträgern und die Einstellung, was diese gefälligst zu ertragen haben, nehmen zu. Das ist erschreckend. Ich wage gar nicht, zu prognostizieren, wie das in zehn Jahren aussehen soll.

Bleiben Sie denn privat in Steinach?

Es hängt davon ab, ob mir die Pendelei irgendwann zu viel wird.

Jetzt sprechen Sie vom Pendeln – wie sieht es denn beruflich in Zukunft bei Ihnen aus?

Ein Teil dessen, worauf ich mich freue, ist ja, wieder mehr privat sein zu können. Es ist kein öffentliches Amt mehr und daher Privatsache.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

Dass er schnell die Sprache der Menschen von hier spricht und versteht. Dass er es schafft, eine gute Balance zwischen seinem Anspruch an das Amt und den Notwendigkeiten fürs Private zu finden. Dass er es schafft, die unterschiedlichen Gruppierungen in einen guten Diskussions- und Entwicklungsprozess einzubinden. Natürlich auch, dass er unbefangen aufgenommen wird.

In der Gemeinde war es manchmal recht ruppig.

Ich habe mir 2001 verschiedene Kommunen angeschaut und Steinach war für mich eine, bei der ich richtig Entwicklung gestalten konnte. Dass ich dann gleich Anfangs mit der Kämmerer-Affäre eine wahnsinnige Situation angetroffen habe, war nicht abzusehen.

Was war da los?

Steinach hatte eine komplett manipulierte Haushaltsführung. Das ging hin bis zu erfundener Gemeinderatssitzung und gefälschten Haushaltsbüchern. Das habe ich nach drei Monaten aufgedeckt. Wir hatten die Situation, dass wir, wären wir eine Privatfirma gewesen, insolvent gewesen wären: Haushaltsdefizite, Fehlbeträge – das war gigantisch. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die mir bis heute anlasten, wie ich damit umgegangen bin. Für mich gab es immer nur den Weg, dass völlige Transparenz her muss und alles komplett aufgearbeitet wird. Es war auch erschreckend, wie wenig man dafür offen war, Veränderungsprozesse anzunehmen. Da sind an drei Themen die Bande gerissen: Hauptschule, Baugebiet Mittelgrün und Interkom. Die Planungshoheit wird durch die Gemeinde ausgeführt. Und wenn die Gemeinde insgesamt der Meinung ist: Das nächste Wohngebiet ist hier – wir hatten ja auch in der Hinsicht eine Bürgerbeteiligung mit dem entsprechenden Ergebnis – dann muss das Interesse der Gesamtgemeinde über dem von Einzelnen stehen. Auf diese Selbstverständlichkeit bin ich aber oft nicht getroffen.

Woran haben Sie Ihre Arbeit ausgerichtet?

Ich habe bis heute in meiner Mappe eine Liste mit Projekten, die ich bis 2020 realisiert haben wollte. Gerade, was Zuschüsse und Förderbeiträge betrifft, ist es wichtig, zum richtigen Zeitpunkt reinzukommen. Wir waren mit Welschensteinach beispielsweise die erste Schwerpunktgemeinde im Ortenaukreis! Für so etwas braucht man aber im Grunde eine Gemeindegeschichte in die Zukunft.

Wenn ich an Projekte wie die Rathaussanierung denke, wird an der einen oder anderen Stelle auch zukünftig Ihre Handschrift zu erkennen sein.

Oder nehmen Sie den Dorfladen! Das sind Projekte, die mir persönlich etwas bedeuten. Es ist toll, dass die Gemeinde uns so viel Geld zur Verfügung gestellt hat. Aber das ging auch nur, weil es ein Leader-Programm gab.

Sie engagieren sich bis zum letzten Tag.

Selbstverständlich. Die Wehmut überkommt mich wegen solcher Projekte und wegen den beteiligten Menschen. Aber politisch war der Wechsel notwendig. Am Wochenende hat mich jemand gefragt, wie ich mich fühle, und ich muss sagen: frei.   Die Fragen stellte Lisa Kleinberger.

INFO

Zur Person

 > 16. Februar 1972: Geburtstag (Herbolzheim)

 > 1988-1993: Ausbildung zum Industriemechaniker und Tätigkeit im Beruf

>  1993: Zivildienst

 > 1994-1996: Studium an der FH, Verwaltungsfachwirt

 > August 1998-Mai 2001: stellvertretender Rechnungsamtsleiter, ab Frühjahr Hauptamtsleiter in Münstertal

 > 2001: Wahl zum Steinacher Bürgermeister, rund 77 Prozent der Stimmen

 > 2009: Wiederwahl, 98,1 Prozent