Über die Zeit von 1933 bis 1950 in der Gemeinde Steinach hat Günter Fischer (Mitte) ein Buch verfasst. Der Freiburger Uni-Dozent Heinrich Schwendemann (links) als Geschichtswissenschaftler und Bürgermeister Nicolai Bischler (rechts) leisteten ebenfalls ihren Beitrag. Foto: Becker Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Günter Fischer stellt Buch über Steinach in der Zeit des Nationalsozialismus vor

Die Zeit des Nationalsozialismus in Steinach hat Günter Fischer in jahrelangen Nachforschungen aufgearbeitet und nun in einem Buch veröffentlicht. Am Dienstagabend wurde das Werk erstmals vorgestellt.

Steinach. Wie groß das Interesse seitens der Bevölkerung war, unterstrich der bis auf den letzten verfügbaren Stuhl besetzten großen Sitzungssaal im neu gestalteten Rathaus. In seiner Begrüßung hob Bürgermeister Nicolai Bischler die Bedeutung des Buchs und seines Inhalts für das geschichtliche Verständnis der schweren Zeit für die Gemeinde hervor: "Wir besitzen jetzt eine Dokumentation, die die Geschichte von 1933 bis 1945 fundiert beschreibt."

Zu Beginn ordnete der ehemalige Steinacher Heinrich Schwendemann, Historiker im Fach neuere Geschichte mit Schwerpunkt Nationalsozialismus an der Universität Freiburg, den Steinacher Geschichtsabschnitt von 1933 bis 1945 in den Gesamtzusammenhang der damaligen Zeit im Deutschland des Dritten Reichs ein. Das gesellschaftliche Leben aller Menschen in Deutschland war von der Machtergreifung 1933 bis zum Kriegsbeginn 1939 von der "Wiege bis zur Bahre" vollständig durchorganisiert.

Interesse an der eigenen Familiengeschichte gibt den Ausschlag

Vor diesem Hintergrund schilderte der Steinacher Bürgersohn Günter Fischer die Entstehung seines Buchs. Auf drei wesentlichen Säulen gründeten seine Erkenntnisse: Augenzeugenberichte, Arbeit in Archiven sowie unzählige Zeitungsartikel, Dokumente, Listen, Tagebücher und Handnotizen auf Zetteln. Dabei stieß er überall auf erfreuliche Offenheit und Mitarbeit. Lediglich in zwei Fällen von "180-prozentigen Nazis" wurden Auskünfte verweigert.

Ausgangspunkt seines ursprünglichen Interesses war die Frage nach der eigenen Familiengeschichte. Fischer bekannte sich offen dazu, dass sowohl sein Vater als auch sein Großvater als Parteimitglieder in verschiedenen Funktionen tätig waren.

Wie in ganz Deutschland ging es nach der Weltwirtschaftskrise mit der Machtergreifung durch Hitler auch in Steinach aufwärts. Die Zahl der Arbeitslosen bewegte sich aufgrund von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie Straßen- und Siedlungsbau gegen Null. In der Frage, wer das Sagen im Ort hatte, bestand eine Rivalität zwischen dem Bürgermeister und dem Ortsgruppenleiter. Schnell wurde auch in Steinach klar, was mit Oppositionellen geschah. Sie verschwanden in den Lagern. Widerstand, selbst verbaler Art, wurde im Keim erstickt.

Ein ganz dunkles Kapitel war die Durchsetzung der Rassengesetze. Zwangssterilisationen wurden auch an Steinachern durchgeführt, obwohl sich viele Mitbürger mutig dagegen aussprachen. Wer sich als Frau zum Beispiel mit einem Zwangsarbeiter einließ und gar ein Kind erwartete, wurde auf bittere Art und Weise bloßgestellt.

Bei all diesen Schilderungen scheute sich Günter Fischer auch nicht, Namen zu nennen, ohne heute noch lebende Nachfahren bloßzustellen. Auch hatte er umfangreiches Zahlenmaterial zusammen gestellt. So war zu erfahren, dass von den 326 zur Wehrmacht und in den Krieg eingezogenen jungen Männer, meist im Alter von 18 bis 20 Jahren, 127 nicht mehr zurückkehrten.

Schwierig für Fischer war auch die Verwendung von Zeitungsberichten der damaligen Zeit, denn die Presse war gleichgeschaltet. Niederlagen im Verlauf des Krieges wurden nicht erwähnt und Kriegsverbrechen der Wehrmacht vor allem im Russlandfeldzug schon gar nicht. Auch Briefe und Kriegstagebücher von Soldaten zu den Angehörigen nach Hause durften keinerlei Lageberichte oder negative Schilderungen enthalten. Sie wurden übrigens ständig zensiert.

Zum Abschluss unterstrich er diese in einer Präsentation noch mit Bildern von Dokumenten, darunter auch von einem Parteibuch eines NSDAP-Mitglieds. Mit Lesungen und Zitaten aus seinem Buch unterstrich er seine Berichte. Kriegsende und Besatzung bis 1950 zeigten, dass die schlimme Zeit noch lange nicht verarbeitet war.

"Ihr seid alle so still!", bemerkte Fischer am Ende seines Vortrags etwas verblüfft. Und tatsächlich, während der zwei jederzeit spannenden und höchst interessanten Stunden lauschten die Anwesenden fast atemlos den Berichten und belohnten diese mit anhaltendem Beifall. Auch Bürgermeister Bischler sprach den beiden Referenten ein großes Lob für die Buchvorstellung und Lesung über "Steinach 1933 bis 1950 – Ein Dorf, der Nationalsozialismus und die Folgen" im Rahmen der Reihe "Kunst und Kultur im Rathaus" aus. Anschließend waren die angebotenen Bücher schnell ausverkauft. Es entstanden auch noch persönliche Gespräche von Besuchern mit den beiden Referenten.