Im 600 Jahre alten Tretenhof sind heute der Kindergarten und die Altenpflegeschule der Awo untergebracht. Foto: Kiryakova

Adalbert Kern referiert am heutigen Montag über die Vergangenheit des Tretenhofs nach 1945

Seelbach - Der Tretenhof in Seelbach blickt auf eine 600-jährige Geschichte zurück. Adalbert Kern von der Regionalgruppe "Geroldsecker Land" des Historischen Vereins Mittelbaden referiert heute über die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.

Am 19. April 1945 wurde die Gemeinde von den Franzosen besetzt. In seinem Vortrag erzählt Kern ab 19 Uhr im Heinz-Drossel-Pavillon des Awo-Bildungszentrums über die Geschichte des Tretenhofs (siehe Info) von diesem Ereignis an. Im November hat er bereits die Zeit von 1417 bis 1945 geschildert. Schwerpunkt waren die Jahre 1891 bis zum Ende des Dritten Reichs im Schuttertal.

1974 ist der Geschichtslehrer im Ruhestand nach Seelbach gezogen. Aus dieser Zeit stamme auch sein Interesse an der Geschichte des Hofs, erklärt Kern. Für den Historiker ist wichtig, dass Zeitzeugen zu Wort kommen. "Ich brauchte Leute, die das erlebt haben." Das sei allerdings schwierig gewesen, da nur wenige noch lebten und bereit gewesen seien, mit ihren Erinnerungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Daher nennt er auch keine Namen. "Die Zeit nach 1945 war auch deswegen schwierig, da sich viele Seelbacher von den Besatzern nicht korrekt behandelt fühlten." Die Soldaten hätten etwa Eigentum ohne Erklärung beschlagnahmt. Und das, als die Not groß gewesen sei.

Zwischen Mai und August 1945 diente der Tretenhof als Sammellager für ehemalige russische Kriegsgefangene. 650 Menschen seien dort eingepfercht gewesen, sagt Kern. Das sorgte für Unmut, die "Gefangenen" mussten zumindest mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden. Von Herbst 1945 bis Frühjahr 1946 war der Hof erneut Sammellager – für Polen und Ukrainer. Freiwillige wurden einquartiert, man benötigte Arbeitskräfte für die Landwirtschaft. Aus Quellen aus dem Freiburger Stadtarchiv gehe hervor, dass es Beziehungen zwischen Seelbacherinnen und den Fremden gegeben habe. Diese Frauen seien öffentlich gedemütigt worden, etwa indem man sie kahl geschoren habe.

"Mein Anliegen ist, die Geschichte zu erzählen" – als Historiker, betont Kern. Er wolle niemanden überzeugen, was damals schlecht oder gut gewesen sei.

Info: Historie des einstigen Fronhofs

Die erste Erwähnung des heutigen Tretenhofs stammt aus einer Urkunde von 1417. Das Anwesen ist damals ein Fronhof der Geroldsecker, der im Jahr 1700 zwangsversteigert wird. Etwa 100 Jahre später entsteht das markante Hauptgebäude. 1891 erwirbt die Gemeinde Seelbach den Tretenhof, um darin ein Krankenhaus samt Armenstation einzurichten. Das zweite Gebäude mit den Arkaden wird um 1910 angebaut, das Genesungsheim floriert. Seit 1951 gehört der Tretenhof der Awo. Von 1982 bis 2008 ist dort eine Zivildienstschule neben dem Kindergarten der Awo untergebracht. Heute sind der Kindergarten und die Altenpflegeschule im Gebäude beheimatet.