Um 1900 wurde der Tretenhof als Genesungsheim genutzt. Bis zum Konkurs des Betreibers 1927 herrschte dort reges Leben. Foto: Repros: Baublies

Adalbert Kern beleuchtet die jüngere Historie des Seelbacher Tretenhofs

Der Tretenhof in Seelbach wurde im Jahr 1417 das erste Mal urkundlich erwähnt. Adalbert Kern hat aus diesem Anlass die Historie des Anwesens in der jüngeren Geschichte bei einem Vortrag im Heinz-Drossel-Pavillon vorgestellt.

Seelbach. Detailliert breitete Adalbert Kern von der Seelbacher Sektion des Historischen Vereins Mittelbaden die Geschichte des Tretenhofs ab 1891 bis 1945 aus. Das Anwesen war von 1891 bis 1898 Krankenhaus und "Pfründnerstation" (Armenhaus) für das Schuttertal. Um 1900 wurde der unwirtschaftliche Betrieb an das Genesungswerk in Baden übergeben. "Hier", so stellte der Referent anhand der Dokumente fest, "herrschte dann reges Leben." Der Konkurs des Betreibers sorgte aber bereits 1927 für das Ende des Genesungsheims.

Kern hatte – neben vielen Dokumenten des Lahrer Stadtarchivs, des Seelbacher Gemeindearchivs und der Archive in Karlsruhe und Freiburg – auch Zeitzeugen zum Vortrag eingeladen. So erzählte Trudbert Wagner, der 1932 im Gebäude des Tretenhofs geboren wurde, dass hier – entgegen der offiziellen Geschichtsschreibung – nach dem Ende des Genesungswerks 1927 sehr wohl Leben war. Die Lücke zwischen den Jahren 1927 bis 1936 konnte Wagner zwar nicht schließen, aber der Hof stand sicher nicht leer. Die Nazis richteten auf dem Tretenhof ab dem Jahr 1936, wieder archivarisch belegbar, ein Kreisschulungslager für den Bund deutscher Mädchen und die Hitlerjugend ein. Hier zitierte Kern eine – aus verständlichen Gründen – ungenannte Quelle, die von der Zeit "als der schönsten meines Lebens" erzählt hatte.

In der Dokumentation gibt es einige Lücken

Der Referent machte auch kurze Ausflüge von der begrenzten Gegend des Tretenhofs und des Schuttertals zu der Geschichte des Kaiserreichs, der Weimarer Repu-blik und dem Dritten Reich. So erklärte Kern, warum die heute kruden Ideen der NS-Ideologie gerade bei Kindern und Jugendlichen auf fruchtbaren Boden fielen. Ein Bild einer Uniform der HJ sagte da viel mehr als Worte. Für die Bauernkinder des abseitigen Tals war das zu der Zeit sicher ein wunderbarer Traum, der wahr werden konnte.

Kern war sehr präzise. Er benannte auch Lücken, die er nicht belegen konnte. So gebe es in Seelbach keine Akten aus der Zeit 1933 bis 1945. Norbert Klein vom historischen Verein aus Lahr ergänzte hier aus Prozessakten aus den Jahren unmittelbar nach dem Ende des 1000-jährigen Reiches. Angeklagt waren Täter, die bei der Plünderung der Kippenheimer Synagoge erkannt worden waren. Die Vernehmungsprotokolle, die Klein, selbst Polizeibeamter, in Freiburg eingesehen hatte, bezeichnete er als schlampig geführt. Einen Bezug zum Tretenhof gibt es auch. Die Gegenstände aus der Synagoge wurden im Tretenhof untergebracht. Soweit die Dokumente.

Hier gebe es laut Kern immer noch blinde Flecken in der Erinnerung. So sei er mehrfach darauf hingewiesen worden, nicht an der jüngeren Geschichte des Tretenhofs zu rühren. Das ließ sich stellvertretend an einer Fotografie um 1936 erkennen. Robert Wagner, Gauleiter von Baden und 1946 im Frankreich deswegen verurteilt und hingerichtet, war zur Einweihung des elitären Schulungsheims der Nazis eigens nach Seelbach gekommen. Auf den Bildern waren viele begeisterte Kinder und Jugendliche zu erkennen. Von denen werden heute viele noch leben.

INFO

Burgseß in dem Drettenbach

Die erste Erwähnung des Tretenhofs stammt aus einer Urkunde anno 1417, in der "ein Burgseß in dem Drettenbach" genannt wird. Das Anwesen war ein Fronhof der Geroldsecker. Im Jahre 1700 wird der Hof zwangsversteigert, es war ein stattliches Anwesen: 30 Ochsen, 25 Kühe und 30 Pferde, samt Oberknecht, Mittelknecht und Stallburschen – neben dem großen Wohngebäude der Ökonomie. Um 1800 wird das heute stehende markante Hauptgebäude errichtet. 1867 lebten auf dem Tretenhof "zwölf Mädchen" in einer Schwesternstation. 1891 erwirbt die Gemeinde Seelbach den Tretenhof, um ein Krankenhaus samt Armenstation einzurichten. Das zweite Gebäude mit den Arkaden wird um 1910 angebaut, das Genesungsheim florierte. Seit 1951 gehört der Tretenhof der Awo. Von 1982 bis 2008 war her eine Zivildienstschule neben dem Kindergarten der Awo untergebracht. Heute sind der Kindergarten und die Altenpflegeschule hier beheimatet.