Tradition: Wie das Seelbacher Volksfest in Kriegs- und Krisenzeiten begangen wurde

Der Katharinenmarkt könnte 2020 seinen 565. Geburtstag feiern – falls er trotz Corona-Krise stattfindet. In den Jahren seit seiner Entstehung hat das Volksfest auch Kriegs- und Krisenzeiten erlebt. Die LZ zeigt, ob und wie damals gefeiert wurde.

Seelbach. In seiner mehr als 550 Jahre alten Geschichte wurde der Katharinenmarkt bisher nur wenige Male abgesagt. So zum Beispiel aufgrund der beiden Weltkriege in den Jahren 1914 bis 1926 sowie von 1942 bis einschließlich 1946.

Einige Jahrzehnte später hat mit der Corona-Pandemie wieder eine Krise die Welt auf den Kopf gestellt – und den Katharinenmarkt ins Wackeln gebracht. Wie wurde vor mehreren hundert Jahren in Kriegs- und Hungerzeiten Katharinenmarkt gefeiert?   Erbstreitigkeiten führten zur Entstehung des Markts: Als 1426 der letzte Lahrer Herrscher Heinrich III. starb und dessen Schwiegersohn Graf Mörs-Saarwerden die Lahrer Herrschaft übernahm, entspann sich zwischen diesem und Diebolt I. von Hohengeroldseck ein jahrelanger Erbstreit. Denn auch Diebolt I. erhob Anspruch auf die Lahrer Herrschaft. So schreibt es der 2009 verstorbene Schuttertaler Heimatforscher Gerhard Finkbeiner in einem Beitrag zur Geschichte des Katharinenmarkts. Als Konsequenz aus diesen Streitigkeiten kam es dazu, dass die Seelbacher Bürger den Lahrer Markt nicht mehr besuchen durften – auf Anordnung von Diebolt I. Als Ausgleich richtete er in Seelbach eigene Märkte ein.

Das wiederum gefiel dann den Lahrern nicht: Sie protestierten und beschwerten sich beim Kaiser in Wien, bei dem Diebolt wiederum fast 30 Jahre lang vergeblich um eine Genehmigung für seine Märkte nachsuchte. Erst als Diebolt   I. im Jahr 1455 selbst nach Wien ritt und dem Kaiser persönlich seine Bitte vortrug, erhielt er die langersehnte kaiserliche Markturkunde, die ihm unter anderem erlaubte, jedes Jahr zwei Jahrmärkte abzuhalten. Einer davon fiel auf den St. Katharinentag am 25. November. Nach dem Wortlaut der noch vorhandenen Urkunde gilt dieses Recht für ewige Zeiten. Somit war der Katharinenmarkt geboren. Unklarheiten über Ausfälle:  Der Dreißigjährige Krieg, mehrmalige Machtwechsel in der ehemaligen geroldseckischen Herrschaft, Kriege und Hungerzeiten ließen die Seelbacher Märkte nach und nach aber wieder verschwinden und in Vergessenheit geraten. Wann in diesen Jahrhunderten Katharinenmarkt gefeiert wurde und wann nicht, ist heute nicht mehr nachvollziehbar.

Eine Marktordnung von 1862 zeigt aber, welche Jahrmärkte zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Seelbach stattfanden. Damals, so heißt es in einem Beitrag von Finkbeiner, genehmigte das Großherzogliche Oberamt Lahr den Seelbachern jeweils einen Markttag am Osterdienstag, Pfingstdienstag, am Michaelistag und Katharinentag. Unterbrechung im Ersten Weltkrieg: Nach 1918 dauerte es acht Jahre, bis das Fest erneut begangen wurde. 1926 besann sich der Zigarrenfabrikant Hermann Himmelsbach der einstigen Tradition des Katharinenmarkts. Durch seine Initiative wurde der Katharinenmarkt im Lauf der folgenden Jahre zum herbstlichen Volksfest des gesamten Schuttertals.

Abschluss des damals noch eintägigen Marktags waren stets der Reiterball und das Preistanzturnier im Saal der Brauerei Löffler. In allen übrigen Lokalen wurde, wie auch heutzutage, bis spät in die Nacht getanzt.   Jahrmarkt im Zweiten Weltkrieg: Nur wenige Jahre nach der Wiederaufnahme des Markts bahnte sich der Zweite Weltkrieg in Europa an. Sechs Jahre vor Beginn des Kriegs wurde aber noch ausgelassenen Katharinenmarkt gefeiert. Im Jahr 1933 etwa, in dem Adolf Hitler mit seiner Partei an die Macht kam, zierte ein Hakenkreuz (in unserem Ausschnitt nicht zu sehen) die damalige Katharinenzeitung, die bis 1963 gedruckt wurde.

Wenige Jahre später, im September 1939, rollte der Zweite Weltkrieg über Europa hinweg. Bis einschließlich 1941 wurde in Seelbach aber noch regulär Katharinenmarkt gefeiert. Bis dorthin seien in Seelbach keine Auswirkungen wegen Kriegs-Einschränkungen zu bemerken gewesen, erinnert sich eine Zeitzeugin. Die Nationalsozialisten seien daran interessiert gewesen, der Bevölkerung normale Verhältnisse im Inland vorzugaukeln. Erst ab 1942 hätte es die ersten Einschränkungen gegeben – und damit auch ein vorläufiges Ende des Kätterlismarkts. Und so ruhte der Markt für fünf Jahre. Retter des Katharinenmarkts: 1947 war es dann wieder Hermann Himmelsbach, der zusammen mit der Gemeinde den ersten Nachkriegs-Katharinenmarkt organisierte. 1955, als das "500-jährige-Jubläum" des Markts gefeiert wurde, wurde Himmelsbach zum Ehrenbürger ernannt.

Und heute, 65 Jahre später? Ob das Jahr 2020 auch coronabedingt als Krisenjahr des Katharinenmarkts eingehen oder ob mit Abstand und Maske gefeiert wird, soll in wenigen Wochen entschieden werden. Dann will sich die Katharinenmarkts-Kommission beraten.

Bis 1951 wurde der Markt nur am Montag gefeiert. Mit Verzicht auf den Mai-Markt gelang es der Gemeinde 1951, das Marktrecht für den Katharinenmarkt auch für den Sonntag zu erhalten. Einige Jahre später kam der Katharinenmarkt-Samstag als historischer Auftakt dazu.