Eine Seilbahn über den Tabuergießen ist für Naturschützer weiterhin undenkbar – auch wenn das der Landesvater anders sieht.Symbolfoto: Pedersen Foto: Lahrer Zeitung

Seilbahn-Projekt: Naturschützer kritisieren Kretschmann-Aussagen / Europa-Park freut sich über Vorstoß

Die positiven Aussagen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur möglichen Seilbahn von Rust nach Frankreich polarisieren. Während im Europa-Park Freude herrscht, schütteln Naturschützer und die Bürgerinitiative mit dem Kopf.

Rust. Plötzlich ploppt ein Thema auf, das in der Versenkung geglaubt war: die Seilbahn. Wie berichtet, hatte sich Winfried Kretschmann am Donnerstag per Videokonferenz in den Ortenaukreis geschaltet und dabei ein überraschendes Plädoyer für das Vorhaben des Europa-Parks gehalten: Er halte das grundsätzlich für ein "attraktives Projekt, das wir wieder aufnehmen sollten", meinte der grüne Landesvater. Die Seilbahn sei bedauerlicherweise "schnell unter die Räder geraten, weil Umweltverbände Sturm gelaufen sind, ohne zu wissen, was geplant ist".

Zur Erinnerung: Als im November 2018 bekannt wurde, dass Michael Mack eine Seilbahn von Rust ins Elsass bauen will, regte sich großer Widerstand unter Naturschützern. Während der Juniorchef des Europa-Parks von einem umweltfreundlichen Transportmittel sprach, das den Verkehr dies- und jenseits des Rheins entlasten sollte, sahen sie in dem Vorhaben eine Bedrohung für die Naturschutzgebiete Taubergießen und Ile de Rhinau, die die Seilbahn kreuzen würde.

Daran hat sich bis heute nichts geändert: "Der Taubergießen bleibt für uns tabu", stellte Stefan Auchter am Freitag auf Nachfrage der LZ klar. "Daran", so der Geschäftsführer des BUND Südlicher Oberrhein, "ändert auch eine Aussage des Ministerpräsidenten nichts, die wohl als Handreichung an den corona-gebeutelten Tourismus zu verstehen ist." Auchter sieht hinter dem Projekt den Versuch, "eines der größten zusammenhängenden Naturschutzgebiete in Europa per Salami-Taktik zu zerschneiden". Schon heute müsse der Europa-Park an Spitzentagen Besucher abweisen. "Wenn man jetzt hingeht und im Elsass einen riesigen Parkplatz mit Anbindung nach Rust baut, weiß jeder, wo es hingeht: Der Europa-Park muss wachsen." Das Argument, man wolle mit der Seilbahn die Menschen von den Straßen zu holen, ist für Auchter lediglich vorgeschoben: "Der Großteil der Besucher kommt über die Autobahn und nicht aus den kleinen Dörfern im Elsass."

Nach der Kritik am Seilbahn-Projekt hatten sich der Ruster Gemeinderat und der Europa-Park darauf verständigt, die Pläne für fünf Jahre in der Schublade zu lassen. Vor einem Jahr erklärte Park-Chef Roland Mack dann gegenüber der LZ sogar, dass "das Thema ad acta gelegt" sei. Entsprechend verwundert zeigt sich nun der Landeschef des Nabu, Johannes Enssle: "Unser letzter Stand ist die Aussage aus dem Hause Mack, die Seilbahn-Idee sei tot. Wenn dem Ministerpräsidenten jetzt offenbar neue Informationen vorliegen, wären wir dankbar, wenn er diese mit uns teilt. Vom Europa-Park wurden wir dazu jedenfalls noch nicht angesprochen."

Dass Kretschmann den Umweltschützern vorwirft, 2018 in Unwissenheit protestiert zu haben, widerspricht Enssle energisch: "Ich glaube, dass wir damals mehr wussten als die Politiker, die sich applaudierend hinter die Seilbahn stellten." Es habe nur eine grobe Idee, keine konkrete Planung gegeben. Enssle: "Die politisch Verantwortlichen – von Landrat Frank Scherer bis zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – hatten in ihrer Euphorie damals offenbar ganz vergessen, dass es auch für einen Europa-Park keinen Freifahrtschein gibt, europäisches Naturerbe zu beinträchtigen."

Kretschmann hatte am Donnerstag erklärt, dass für die Seilbahn – verläuft sie an geeigneter Stelle – im Naturschutzgebiet eventuell gar gebaut werden müsse. Für BUND-Chef Auchter ist das Utopie: "Ich weiß nicht, ob der Ministerpräsident mal auf die Landkarte geschaut hat. Der Taubergießen ist fast 1700 Hektar groß, da müsste ein kilometerweiter Umweg gemacht werden."

Die Gründung der Ruster Bürgerinitiative "Jetzt langt’s" geht auf die Seilbahn-Pläne zurück. Ihre Mitglieder haben sich den Kampf gegen die unliebsamen Folgen des Tourismus auf die Fahnen geschrieben. BI-Vertreterin Sonja Kohler-Bellemare verweist auf die Probleme im Corona-Sommer: "Der Taubergießen wurde zum Ausflugsziel, es gab Müll und Lärm. Wenn künftig eine Seilbahn über das Naturschutzgebiet führt, müssen wir mit einem noch größeren Ansturm rechnen." Die BI werde "definitiv am Ball bleiben",verspricht Kohler-Bellemare.

Im Europa-Park zeigt man sich derweil zurückhaltend: "Für uns gilt, dass das Projekt derzeit auf Eis liegt", erklärte Pressesprecherin Corina Zanger am Freitag gegenüber der LZ. Gleichwohl hat man das Vorhaben offenbar nicht abgehakt: "Wir freuen uns über diesen Vorstoß des grünen Ministerpräsidenten."

Anders als die Seilbahn-Pläne hat die Nachricht, dass am Ringsheimer Bahnhof künftig ein ICE halten soll, für Freude bei den Naturschützern gesorgt: "Der ÖPNV sollte weiter ausgebaut werden, etwa mit Shuttle-Bussen", sagt BUND-Chef Stefan Auchter. Das sieht auch Sonja Kohler-Bellemare von der BI so: "Eine Seilbahn vom Bahnhof zum Europa-Park wäre eine gute Idee."