Foto: Schabel

Das erste Mal hat in diesem Jahr bei der Miss Germany-Wahl eine 35-jährige Mutter die Krone gewonnen. Die Veranstalter hatten ihr Konzept in diesem Jahr neu überarbeitet.

Rust - Leonie Charlotte von Hase aus Kiel ist in Rust (Ortenau-Kreis) zur neuen Miss Germany gewählt worden. Die 35-jährige Inhaberin eines Internet-Mode-Shops ist die älteste Gewinnerin in der 93-jährigen Geschichte des Wettbewerbs und die erste Mutter, die den Titel holt.

Anspannung vor der Krönung der Gewinnerin

Als es am Samstag um 22.20 Uhr ernst wird, ist von Hase die Aufregung anzumerken. Sie steht Hand in Hand mit der späteren Zweitplatzierten Lara Rúnarsson (22), einer Studentin aus Bayern, auf der Bühne der Europa-Park-Arena und wartet darauf, dass Moderator Thore Schölermann die Siegerin verkündet.

Von Hase atmet tief ein und aus, um sich zu beruhigen, sie will lächeln, es gelingt ihr aber nicht so richtig. Erst als der Moderator ihren Namen nennt, fällt die Anspannung von ihr ab. Sie schlägt die Hände vor dem Gesicht zusammen und strahlt vor Freude.

Die neue Miss Germany im Blitzlichtgewitter

Vorjahressiegerin Nadine Berneis setzt von Hase das Krönchen auf, während über den beiden ein Blitzlichtgewitter der Fotografen niedergeht. Statt wie bisher bei der Krönung der neuen Miss Germany erklingt nicht die Nationalhymne, sondern ein fröhlicher Popsong von Taylor Swift, bei dem die unterlegenen Kandidatinnen im Bühnenhintergrund mitklatschen. Sie wollen sich ihre Enttäuschung nicht anmerken lassen, bei einigen fließen aber doch auch Tränen, da ihr Traum nun geplatzt ist, zur schönsten Frau des Landes gewählt zu werden.

Oldenburger Firma Veranstalter der Wahl

Dabei soll die Kür der Miss Germany im Jahr 2020 nach dem Willen des Veranstalters, der Firma Klemmer aus Oldenburg, gar keine Schönheitswahl mehr sein. Sondern ein „Personality-Contest“, wie es heißt. Dafür haben die Klemmers Deutschlands traditionsreichsten Beauty-Wettbewerb praktisch neu erfunden.

Neuerungen bei den Auswahlkriterien - Instagram und Persönlichkeit wichtiger

Es geht jetzt darum, „authentische Frauen“ zu stärken und auszuzeichnen. Weniger das Aussehen, sondern die Persönlichkeit der Kandidatinnen sollen zählen. Zu diesem Zweck hat man in den vergangenen Jahren bereits das Mindestalter der Teilnehmerinnen erhöht (von 16 auf 18), den Auftritt in Bademoden abgeschafft und Mütter sowie verheiratete Frauen zum Wettbewerb zugelassen. Dafür müssen die Kandidatinnen jetzt einen Instagram-Account besitzen. Der Zeitgeist will es so, sind die Klemmers überzeugt, die mit ihrem Familienunternehmen künftig selbst auch mehr Geld durch Online-Werbung verdienen wollen.

Auswahljury besteht nur noch aus Frauen

Von der Neuausrichtung des Wettbewerbs profitiert keine so sehr wie von Hase. Die 35-jährige Blondine mit grünen Augen, nach ihren Angaben Mutter eines dreijährigen Sohnes, wirkt in den Interviewrunden reifer als ihre jüngeren Konkurrentinnen. Auch ihre Herkunft – sie ist in Namibia geboren und aufgewachsen – dürfte ihr bei der erstmals rein weiblichen Jury nicht geschadet haben, in der unter anderem RTL-Moderatorin Frauke Ludowig und eine Social-Media-Expertin namens Ann-Kathrin Schmitz sitzen.

Wenn nicht mehr das Aussehen, sondern „das Innere“ wichtig ist, wie es eine Kandidatin formuliert, braucht es auch keine Männer mehr als Juroren, hat sich Familie Klemmer offenbar überlegt.

Neue Form der Weiblichkeit

„Echte Frauen mit Tiefgang“ – darum geht es laut Moderator Schölermann jetzt bei der Wahl der Miss Germany. Die spätere Siegerin von Hase meint zum Beispiel in der Interviewrunde, dass der Zeitgeist eine neue Form der Weiblichkeit erfordere. Sie selbst sei sehr sensibel und interessiere sich für die menschliche Psyche, so die Unternehmerin, die einen Online-Shop für Vintage-Mode betreibt.

Auch andere Kandidatinnen haben verstanden, worauf es ankommt. Eine erzählt etwa, dass sie sich für Nachhaltigkeit einsetze, eine andere, dass sie bei einer Weltreise geschockt gewesen sei über den vielen Plastikmüll, „der von uns aus Deutschland kommt“. Eine weitere Kandidatin nennt Angela Merkel als großes Vorbild, „da sie sich gegen die mächtigsten Männer der Welt durchsetzt“.

Miss Baden-Württemberg tritt ebenfalls an

Miss Baden-Württemberg Jessica Bisceglia aus Trossingen, Freizeitmodel und 27-jährige Ingenieurin, erzählt der Jury, dass sie im „Personality-Camp“ vor der Wahl der Miss Germany viel selbstbewusster geworden sei und sich jetzt auch traue, vor einer Menschenmenge frei zu sprechen.

Die bildhübsche Halbitalienerin wird von einem 60-köpfigen Fan-Tross begleitet – Angehörige und Mitspielerinnen in ihrer Handballmannschaft –, die unter den 1200 Zuschauern in der Europa-Park-Arena zeitweise für eine Stimmung wie bei einem Fußballspiel sorgen. Letztlich schafft Bisceglia es unter die letzten sechs Teilnehmerinnen (von 16), ihr Name fällt dann aber nicht mehr, als die letzten drei aufgerufen werden.

Neues Konzept positiv aufgenommen

Alle Kandidatinnen lobten das neue Konzept der Misswahl, das aber selbst auch nicht frei von Klischees ist. So gehörte erstmals auch eine „Shopping-Challenge“ zum Wettbewerb – die Teilnehmerinnen mussten vorab mit einem begrenzten Budget in einem Outlet-Center die Kleider selbst kaufen, sie sie dann bei der Gala im Europa-Park trugen.

Von Hase entschied sich für bunte Klamotten im Vintage-Stil und ragte bereits damit aus dem Feld der Finalistinnen heraus, die aber ebenfalls meist ein Outfit wählten, das wenig Haut zeigte. Ansonsten waren die Bewerberinnen in den Ausscheidungsrunden nur noch in einheitlichen weißen oder schwarzen Hosenanzügen zu sehen. Auf den Anblick der Kandidatinnen im Bikini muss das Publikum eben mittlerweile verzichten.