Naturschützer befürchten, dass durch die ökologischen Flutungen Müll in den Taubergießen gespült wird. Das Foto zeigt Mitglieder der Fischerzunft Rheinhausen bei einer Putzaktion im Naturschutzgebiet. Archivfoto: Meier Foto: Lahrer Zeitung

Polder: Unmut auf das Regierungspräsidium in betroffenen Gemeinden groß

Weil das Regierungspräsidium von den geplanten ökologischen Flutungen des Polderraums nicht abrückt, ziehen vier betroffene Gemeinden und die Bürgerinitiative Konsequenzen: Sie haben die Gespräche mit der Behörde abgebrochen.

Rheinhausen (red/sl). Eigentlich schien zu der vom Regierungspräsidium (RP) beabsichtigten ökologischen Flutung des Polders Wyhl/Weisweil an knapp 60 Tagen im Jahr ein Kompromiss gefunden: Das RP hatte den Gemeinden Sasbach, Wyhl, Weisweil und Rheinhausen angeboten, dass die von ihnen und der BI geforderte Schlutenlösung gut fünf Jahre vorzeitig erprobt werden kann. (wir haben berichtet).

Doch später hat das RP erklärt, dass man die Antragsunterlagen für das Planfeststellungsverfahren nicht ändern werde: Es soll bei der geplanten ökologischen Flutung des Polderraums an knapp 60 Tagen im Jahr bleiben. Die Schlutenlösung werde man nicht in den Antrag aufnehmen. Vielmehr könnten die Gemeinden und die BI die vorzeitige Erprobung der Schlutenlösung in das Planfeststellungsverfahren ein- bringen.

"So entsteht keine Rechtssicherheit für die Gemeinden und die hier lebenden Menschen", heißt es dazu jedoch in einer von Rheinhausens Bürgermeister Jürgen Louis verschickten Erklärung. Denn das Landratsamt als zuständige Planfeststellungsbehörde habe die Auffassung der Gemeinden bestätigt, dass Antragsteller allein das Land ist, das durch das RP vertreten wird. Wenn das RP die Schlutenlösung nicht in seinen Antrag aufnimmt, sei diese Kompromisslösung auch nicht Bestandteil des rechtlichen Verfahrens, verdeutlicht Louis. Im späteren Verfahren könnten die Gemeinden und die BI die Feststellung der Schlutenlösung im Planfeststellungsbeschluss gegen den Willen des RP nicht erzwingen.

Angesichts dieses "Affronts des Regierungspräsidiums", wie es in der Mitteilung aus dem Rathaus Rheinhausen heißt, hätten die Gemeinderäte von Sasbach, Wyhl, Weisweil und Rheinhausen sowie die BI einstimmig beschlossen, die Gespräche mit dem RP in Sachen Polder abzubrechen. "Weitere Gespräche machen keinen Sinn, wenn das Regierungspräsidium Zusicherungen macht, an die es sich nicht gebunden fühlt", wird in der Mitteilung betont. In ihrem Beschluss fordern die Gemeinderäte sowie die BI Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer auf, "sich mehr für die Menschen am Oberrhein einzusetzen und die Zusagen des Regierungspräsidiums auch ordnungsgemäß in die Antragsunterlagen zum Planfeststellungsverfahren aufzunehmen". Nur so entstehe verbindliches Recht. Alles andere sei "bloße Augenwischerei, um die vom Polderraum betroffenen Menschen ruhig zu halten". Außerdem wollen die Gemeinderäte und die BI sich an Ministerpräsident Winfried Kretschmann wenden. "Die Erprobung der Schlutenlösung entspricht dem Willen der hier lebenden Menschen, die sich mit 7700 Unterschriften gegen ökologische Flutungen und für die Schlutenlösung ausgesprochen haben", wird in der Mitteilung an die Presse betont.

"Wir bedauern die Ankündigung, die Gespräche mit dem Regierungspräsidium abzubrechen", betont indes Harald Klumpp, der im Regierungspräsidium für das Integrierte Rheinprogramm zuständig ist. Die Vorwürfe wies er zurück: "Die Planung des Hochwasserrückhalteraums läuft unter enger Beteiligung der Gemeinden sowie der Bürger. Das werden wir auch weiter so handhaben."

Das RP als Vorhabensträger könne die Schlutenlösung jedoch nicht, wie von den Gemeinden gefordert, als zusätzliche Option von vornherein in den Planfeststellungsantrag aufnehmen. Sowohl die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsstudie wie auch die praktischen Erfahrungen aus den Pldern Altenheim hätten die Notwendigkeit ökologischer Flutungen gezeigt, so Klumpp. Gleichwohl habe das RP mit den Gemeinden und der BI kooperativ an einem möglichen Schlutentest zusammengearbeitet, um die tatsächlichen Wirkungen einer Durchströmung allein in den Schluten mit einem Monitoring zu dokumentieren und greifbar zu machen. Aufgabe der Gemeinden und der BI sei es, nach Offenlage der Pläne ihr Anliegen in das Planfeststellungsverfahren einzubringen – so der Standpunkt des Regierungspräsidiums.

Bei der Schlutenlösung bleibt das Hochwasser in den Schluten. Der Hochwasserraum wird nur dann geflutet, wenn es aufgrund der Wassermassen notwendig ist. Bei einer ökologischen Flutung würde der Polderraum an durchschnittlich 57 Tagen im Jahr geflutet werden, davon an durchschnittlich 19 Tagenflächig, sodass das Wasser aus den vorhandenen Schluten und Geländerinnen heraustritt und sich in der Fläche ausbreitet. Laut Regierungspräsidum sind die Wege innerhalb des Rückhalteraums an durchschnittlich 20 Tagen pro Jahr im langjährigen, statistischen Mittel nicht begehbar. Ziel soll sein, Pflanzen und Tiere auf das Hochwasser vorzubereiten und eine Auenlandschaft zu schaffen. Kritiker fürchten allerdings durch das stehende Gewässer die Ausbreitung von Krankheiten, das Anschwemmen von Müll, eine Beeinträchtigung von Flora und Fauna sowie den Wegfall von Erholungsraum.

Rheinhausen. Die Vereinbarung Ende Juli schien der große Durchbruch im Polder-Streit um ökologische Flutungen und die Schlutenlösung: "Durch eine frühzeitige Durchströmung ausgewählter Schluten kann die Wirkung der von den Gemeinden und der Bürgerinitiative geforderten Schlutenlösung über einen Zeitraum von gut fünf Jahren erprobt werden. Im Rahmen eines begleitenden Monitorings kann so festgestellt werden, ob die geforderte Schlutenlösung tatsächlich eine Alternative zu den ökologischen Flutungen darstellen kann", bestätigte Heike Spannagel vom RP Freiburg. Auch die Umweltschutzverbände Nabu und BUND hatten im Juli von ihrer Seite aus grünes Licht gegeben, die Schlutenlösung zu testen und bei Erfolg gegebenfalls zu akzeptieren.

Anhörung erfolgt auf Grundlage der vom RP eingereichten Unterlagen

Allerdings, so erklärte es das RP in einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung Ende Juli, gebe es noch den Zusatz: "Die Anliegergemeinden können dies (die Erprobung) in das beim Landratsamt Emmendingen laufende Planfestellungsverfahren einbringen."

Genau diesen Zusatz hatten die Gemeinden und die BI vergangene Woche in einer Pressemitteilung als "unfair" protestiert: "Dies ist die Aufgabe des Antragstellers, also des RPs, nicht der Gemeinden. Aktuell wird durch das Landratsamt Emmendingen als zuständige Planfeststellungsbehörde die Vollständigkeit der vom RP Freiburg eingereichten Unterlagen geprüft. In diesem Stand des Verfahrens bedürfte es also nur eines Federstrichs des RPs, um die eingereichten Unterlagen mit dem zugesagten Probebetrieb der ökologischen Schlutenlösung zu ergänzen."

Auch das Landratsamt als Planfeststellungsbehörde bestätigte gegenüber unserer Zeitung, dass "das Anhörungsverfahren auf der Grundlage des von dem RP eingereichten Antrags (Hochwasserrückhaltung mit ökologischen Flutungen ohne Schlutentes) durchgeführt werden wird", erklärte Ulrich Spitzmüller vom Landratsamt Emmendingen. Die Gemeinden könnten eine Aufnahme in dieser Phase nicht erzielen, da ja nicht sie, sondern das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das RP Freiburg, der Antragssteller sind.

In einer Stellungnahme erklärte das RP jedoch, dass der verantwortliche Referatsleiter Harald Klumpp, von Anfang an klar kommuniziert habe, "dass die Gemeinden diesen Schlutentest im Zuge der anstehenden Anhörung in das Genehmigungsverfahren einbringen können und das Landratsamt Emmendingen als Genehmigungsbehörde hierzu eine Abwägung vornehmen kann." Das ist laut Landratsamt in der Tat möglich. In der Offenlegungsphase hätten die Gemeinden die Möglichkeit im Rahmen des Anhörungsverfahrens den Antrag einzubringen. Allerdings: Verbindlich aufgenommen in den Antrag ist der Test damit nicht. Das wäre nur der Fall gewesen, hätte das RP diesen eingebracht.

Das RP sieht allerdings keine Veranlassung, die Schlutenlösung von vorne herein in den Planfeststellungsantrag aufzunehmen. "Sowohl die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsstudie wie auch die praktischen Erfahrungen aus den Poldern Altenheim zeigen ohne Zweifel die Notwendigkeit ökologischer Flutungen auf", heißt es dort.

Gemeinden können Test erst in der Offenlage vorschlagen

In der Umweltverträglichkeitsstudie hatte der Gutachter die ökologischen Flutungen präferiert. Doch genau diese Studie wollten die Gemeinden Rheinhausen, Sasbach, Weisweil und Wyhl und die Bürgerinitiative ja nochmals durch einen zweiten Gutachter überprüft wissen. Genau für eine erneute ergebnisoffene Prüfung hatten sie zuvor ja unter anderem 7700 Unterschriften gesammelt.

Zudem sollen laut dem Kompromiss ja die ökologischen Flutungen planfestgestellt werden, parallel soll aber noch einmal die Schlutenlösung erprobt werden. "Bei dem Probebetrieb würde sich niemand etwas vergeben. Danach würde man die Lösung umsetzen, die sich als besser erwiesen hat – der Hochwasserschutz für die Unterlieger ist in jedem Fall sichergestellt", sagte Rheinhausens Bürgermeister Jürgen Louis gegenüber unserer Zeitung. "Nun haben wir mit dem fünfjährigen Probetrieb zwar eine Lösung gefunden, aber das RP will nicht das richtige Verfahren anwenden, um diese auch umzusetzen", fasst er das Problem zusammen und erklärt, "dass man langsam an die Grenzen in einer Demokratie komme". "Wir haben uns in den letzten 20 Jahren mit unseren Forderungen wahnsinnig bewegt, aber das RP ist keinen Millimeter auf uns zugekommen", so sein aktuelles Resümee.