Erst schien es so, als wären Gemeinden, Bürgerinitiative und Regierungspräsidium zu einer Einigung gekommen, doch nun sind die Fronten im Hochwasserschutz wieder verhärtet. Auf dem Bild zu sehen ist der Einflutungsbereich auf der Gemarkung Rheinhausen/Rust beim Rhein, in der Nähe des Leopoldskanals. Dort fließt Hochwasser vom Rhein in den Rheinwald, wie man an der Absenkung deutlich erkennen kann. Foto: Meier Foto: Lahrer Zeitung

Polder: Regierungspräsidium nimmt zum Planfeststellungsverfahren Stellung

Eine Einigung zwischen den vier Gemeinden, der Bürgerinitivative und dem Regierungspräsidium (RP) Freiburg in Sachen Polder Wyhl/Weisweil schien greifbar. Doch das RP will die notwendige Ergänzung nicht in das Planfeststellungsverfahren einbringen.

Rheinhausen. Die Vereinbarung Ende Juli schien der große Durchbruch im Polder-Streit um ökologische Flutungen und die Schlutenlösung: "Durch eine frühzeitige Durchströmung ausgewählter Schluten kann die Wirkung der von den Gemeinden und der Bürgerinitiative geforderten Schlutenlösung über einen Zeitraum von gut fünf Jahren erprobt werden. Im Rahmen eines begleitenden Monitorings kann so festgestellt werden, ob die geforderte Schlutenlösung tatsächlich eine Alternative zu den ökologischen Flutungen darstellen kann", bestätigte Heike Spannagel vom RP Freiburg. Auch die Umweltschutzverbände Nabu und BUND hatten im Juli von ihrer Seite aus grünes Licht gegeben, die Schlutenlösung zu testen und bei Erfolg gegebenfalls zu akzeptieren.

Anhörung erfolgt auf Grundlage der vom RP eingereichten Unterlagen

Allerdings, so erklärte es das RP in einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung Ende Juli, gebe es noch den Zusatz: "Die Anliegergemeinden können dies (die Erprobung) in das beim Landratsamt Emmendingen laufende Planfestellungsverfahren einbringen."

Genau diesen Zusatz hatten die Gemeinden und die BI vergangene Woche in einer Pressemitteilung als "unfair" protestiert: "Dies ist die Aufgabe des Antragstellers, also des RPs, nicht der Gemeinden. Aktuell wird durch das Landratsamt Emmendingen als zuständige Planfeststellungsbehörde die Vollständigkeit der vom RP Freiburg eingereichten Unterlagen geprüft. In diesem Stand des Verfahrens bedürfte es also nur eines Federstrichs des RPs, um die eingereichten Unterlagen mit dem zugesagten Probebetrieb der ökologischen Schlutenlösung zu ergänzen."

Auch das Landratsamt als Planfeststellungsbehörde bestätigte gegenüber unserer Zeitung, dass "das Anhörungsverfahren auf der Grundlage des von dem RP eingereichten Antrags (Hochwasserrückhaltung mit ökologischen Flutungen ohne Schlutentes) durchgeführt werden wird", erklärte Ulrich Spitzmüller vom Landratsamt Emmendingen. Die Gemeinden könnten eine Aufnahme in dieser Phase nicht erzielen, da ja nicht sie, sondern das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das RP Freiburg, der Antragssteller sind.

In einer Stellungnahme erklärte das RP jedoch, dass der verantwortliche Referatsleiter Harald Klumpp, von Anfang an klar kommuniziert habe, "dass die Gemeinden diesen Schlutentest im Zuge der anstehenden Anhörung in das Genehmigungsverfahren einbringen können und das Landratsamt Emmendingen als Genehmigungsbehörde hierzu eine Abwägung vornehmen kann." Das ist laut Landratsamt in der Tat möglich. In der Offenlegungsphase hätten die Gemeinden die Möglichkeit im Rahmen des Anhörungsverfahrens den Antrag einzubringen. Allerdings: Verbindlich aufgenommen in den Antrag ist der Test damit nicht. Das wäre nur der Fall gewesen, hätte das RP diesen eingebracht.

Das RP sieht allerdings keine Veranlassung, die Schlutenlösung von vorne herein in den Planfeststellungsantrag aufzunehmen. "Sowohl die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsstudie wie auch die praktischen Erfahrungen aus den Poldern Altenheim zeigen ohne Zweifel die Notwendigkeit ökologischer Flutungen auf", heißt es dort.

Gemeinden können Test erst in der Offenlage vorschlagen

In der Umweltverträglichkeitsstudie hatte der Gutachter die ökologischen Flutungen präferiert. Doch genau diese Studie wollten die Gemeinden Rheinhausen, Sasbach, Weisweil und Wyhl und die Bürgerinitiative ja nochmals durch einen zweiten Gutachter überprüft wissen. Genau für eine erneute ergebnisoffene Prüfung hatten sie zuvor ja unter anderem 7700 Unterschriften gesammelt.

Zudem sollen laut dem Kompromiss ja die ökologischen Flutungen planfestgestellt werden, parallel soll aber noch einmal die Schlutenlösung erprobt werden. "Bei dem Probebetrieb würde sich niemand etwas vergeben. Danach würde man die Lösung umsetzen, die sich als besser erwiesen hat – der Hochwasserschutz für die Unterlieger ist in jedem Fall sichergestellt", sagte Rheinhausens Bürgermeister Jürgen Louis gegenüber unserer Zeitung. "Nun haben wir mit dem fünfjährigen Probetrieb zwar eine Lösung gefunden, aber das RP will nicht das richtige Verfahren anwenden, um diese auch umzusetzen", fasst er das Problem zusammen und erklärt, "dass man langsam an die Grenzen in einer Demokratie komme". "Wir haben uns in den letzten 20 Jahren mit unseren Forderungen wahnsinnig bewegt, aber das RP ist keinen Millimeter auf uns zugekommen", so sein aktuelles Resümee.

Bei der Schlutenlösung bleibt das Hochwasser in den Schluten. Der Hochwasserraum wird nur dann geflutet, wenn es aufgrund der Wassermassen notwendig ist. Bei einer ökologischen Flutung würde der Polderraum an durchschnittlich 57 Tagen im Jahr geflutet werden, davon an durchschnittlich 19 Tagen im Jahr flächig, so dass das Wasser aus den vorhandenen Schluten und Geländerinnen heraustritt und sich in der Fläche ausbreitet. Laut Regierungspräsidum sind die Wege innerhalb des Rückhalteraums an durchschnittlich 20 Tagen pro Jahr im langjährigen, statistischen Mittel nicht begehbar. Ziel soll sein, Pflanzen und Tiere auf das Hochwasser vorzubereiten und eine Auenlandschaft zu schaffen. Kritiker fürchten allerdings durch das stehende Gewässer die Ausbreitung von Krankheiten, das Anschwemmen von Müll, eine Beeinträchtigung von Flora und Fauna sowie den Wegfall von Erholungsraum.