Land unter im Taubergießen: Sogenannte ökologische Flutungen bringen Schlamm und Müll und gefährden so die Tier- und Pflanzenwelt im Naturschutzgebiet, sagt die Freiburger Arbeitsgemeinschaft Limnologie. Foto: AGL

Umwelt: Grund sind Flutungen im südlichen Taubergießen / Fall könnte vor Europäischem Gerichtshof landen

Rheinhausen - Hat das Ortenauer Landratsamt bei der Genehmigung von Flutungen im südlichen Taubergießen gegen EU-Recht verstoßen? Freiburger Umweltschützer sehen das so und haben Beschwerde in Brüssel eingereicht. Offenburg äußert sich nicht.

Konkret kritisiert die Arbeitsgemeinschaft Limnologie (Seenkunde), kurz: AGL, den Deichabtrag am Rheinhausener Leopoldskanal im Jahr 2010. Dadurch bedingte, sogenannte ökologische Flutungen, als Renaturierungsmaßnahme gedacht (siehe Info), hätten in den vergangenen Jahren große Schäden in Wäldern und Gewässern verursacht: verschlammte Laichplätze, verendete Fische und unkontrollierte Ausbreitung von invasiven Pflanzen ("Drüsiges Springkraut"). "Es wird behauptet, die Flutungen würden schöne, naturbelassene Auen schaffen", erklärte AGL-Vertreter Klaus Rudolph am Donnerstag im Gespräch mit der Lahrer Zeitung.

Entscheidung "in maximal einem Jahr"

Tatsächlich habe das 200 bis 300 Meter große Trapez, das man vor neun Jahren in den Damm gefräst habe, "vor allem Zerstörung gebracht, das wissen wir mittlerweile". Über Jahre habe man dokumentiert, "wie der Wald durch Wassereintrag verschlammte und vermüllte", was die AGL zu dem Fazit bringt: "Die Flutungen gefährden die hohe Arten- und Lebensraumvielfalt des südlichen Taubergießens."

Dem Ortenauer Landratsamt, das die Maßnahme damals genehmigt habe, wirft die AGL "schwere Verstöße gegen diverse EU-Richtlinien" vor. So habe es im Vorfeld gänzlich auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet, obwohl diese "bei derartigen massiven Eingriffen in die Natur üblicherweise Pflicht" seien. Auch ein sogenanntes Monitoring, also eine Umweltbeobachtung, das das Landratsamt 2006 selbst angeordnet habe, soll es nie gegeben haben. Aus Offenburg gab es auf Nachfrage keine Stellungnahme: Man wolle erst die offizielle Anfrage der EU-Kommission abwarten, "bevor wir uns zu der Sache äußern", so Behördensprecher Kai Hockenjos.

Die AGL ist sich indes sicher, dass sowohl Dammabtrag als auch Flutungen im Naturschutzgebiet Taubergießen rechtswidrig sind und "verlangt nun die sofortige Wiederherstellung des bisherigen Dammschutzes". Sie hat in Brüssel eine sogenannte Vertragsverletzungsbeschwerde eingereicht. Ein Rechtsmittel, das grundsätzlich allen EU-Bürgern offensteht, die der Meinung sind, dass Behörden europäisches Recht verletzt und nicht selbst für Abhilfe gesorgt hätten. "Unsere Beschwerde kann bis zum Europäischen Gerichtshof gelangen", sagt Rudolph, der "in maximal einem Jahr" mit einer Entscheidung rechnet.

Info: Das sollen Flutungen bezwecken

Ökologische Flutungen sollen die Tier- und Pflanzenwelt auf Hochwasserrückhaltungen vorbereiten, die sie statitisch alle zehn Jahre oder weniger ereilen. Die Tiere sollen Fluchtwege kennenlernen oder bestimmte Wohn- und Brutplätze vermeiden, sagt die Landesregierung. Um dies zu erreichen, wird jedes Jahr für eine bestimmte Anzahl von Tagen Wasser in die Rückhalteräume eingeleitet und dort eine gewisse Zeit stehen gelassen – unabhängig davon, ob dies im Rahmen des Hochwasserschutzes notwendig ist oder nicht. Zudem sollen die ökologischen Flutungen "einen Wandel von nicht hochwassertoleranten Lebensgemeinschaften hin zu auenähnlichen, hochwassertoleranten Lebensgemeinschaften herbeiführen". Die Anwohner der betroffenen Gebiete befürchten dadurch jedoch ein Absterben der gewohnten Natur, eine Vermüllung und Verschlammung der Gebiete und günstige Bedingungen für die Ausbreitung von Schädlingen.