Laut Polizei gingen 220 Teilnehmer am Montag in Ettenheim "spazieren". Einige nahmen auch ihre Kinder mit. Quelle: Unbekannt

Ein weiteres Mal fand am Montag auch in Ettenheim eine Spaziergänger-Demonstration gegen Corona-Maßnahmen statt. Die Teilnehmerzahl steigt, die Polizei spricht von rund 220 Teilnehmern aller Altersgruppen.

Bis 19 Uhr hatten sich die Demonstranten vor dem Rathaus versammelt, eine Organisationsleitung war nicht auszumachen. Nach Bekunden mancher Teilnehmer gäbe es die auch gar nicht. Man erfahre von den jeweiligen Treffen über soziale Netzwerke oder Mundpropaganda. Auch manche Auswärtige fanden sich in Ettenheim ein – woher sie kamen, wollten sie allerdings ebenso wenig verraten wie ihren Namen. Allerdings beantworten sie Fragen der Presse nach ihrer Motivation mitzulaufen.

Die lange Schlange der "Spaziergänger" blieb, wie schon an den vorangegangenen Montagen, in Ettenheim friedlich. Plakate waren keine auszumachen, ebenso wenig Sprechchöre oder Parolen. Unter diskreter Beobachtung der Polizei bewegte sich der Zug über die Rohan-, Friedrich- und Otto-Stoelcker-Straße bis hin zum Edeka-Supermarkt. Zwei junge Damen an der Spitze bekundeten, einfach spontan diese Richtung eingeschlagen zu haben, ohne Planung oder gar Direktiven. Sämtliche Befragten betonten, mit Neonazis oder Rechtsradikalen nichts zu tun zu haben.

Der stellvertretende Lahrer Polizei-Revierleiter Joachim Ohnemus bestätigte am nächsten Tag den Ettenheimer "Spaziergängern" dann auch, vorigen Montag "abermals sehr friedlich" und "ohne jede Auffälligkeit" geblieben zu sein.

Allerdings: Sicherheitsabstände wurden abermals überhaupt nicht eingehalten – und Masken ebenfalls keine getragen.

Angst um Freiheiten und berufliche Zukunft bei "Spaziergängern"

Die Motivation der "Montag-Spaziergänger" war unterschiedlich: Viele wollen einfach ihre Unzufriedenheit mit Politikern und ihren angeblich oft unsachgemäßen und verwirrenden Corona-Entscheidungen zum Ausdruck bringen. Doch wie genau die anhaltend weltweite Corona-Pandemie zu bewältigen ist, wissen sie zumeist auch nicht. Alle bedrücken massive Einschränkungen im früher gewohnten Alltagsleben. Alle machen sich große Sorgen um ihre individuellen demokratischen Freiheitsrechte und die berufliche Zukunft. Doch ignorante Corona-Leugner fand der Berichterstatter bei seiner Umfrage in Ettenheim ebenso wenig wie Verschwörungstheoretiker. Gut: Einer war der Meinung, dass die anhaltende Pandemie für politisch gewollte zunehmende Digitalisierung bis hin zur Abschaffung des Bargeldes sorge. Einer sah den Corona-Impfstoff als gefährlicher als andere Impfstoffe an.

Auch gab es den Vorwurf, öffentliche Medien würden nicht ausgewogen genug berichten. Bei Rückfragen nach behaupteter "Lügenpresse" ergab sich allerdings schnell, dass die entsprechenden Kritiker zumeist gar keine Zeitung lesen, sondern sich über soziale Netzwerke sachkundig machen.

Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz hat gemeinsam mit den Fraktionen des Gemeinderats, Thomas Breyer-Mayländer (CDU), Thomas Dees (FWV), Wolfgang Mutter (SPD) und Marion Fleig (FLE) ein Statement zu den "Montagsspaziergängen" abgegeben. "Gerade weil die Regierenden eben nicht diktatorisch handeln und die Freiheitsrechte in unserer Demokratie ein hohes Gut sind, sind diese ›Spaziergänge‹ und die freie Meinungsäußerung bei uns möglich", schreiben sie darin, erklären aber auch: "Die Freiheit der Versammlung und der Rede findet aber da ihre Grenzen, wo andere verunglimpft, in ihrer Würde verletzt oder gar körperlich bedroht werden und wo aufgerufen wird, mit Gewalt gegen verfassungsrechtlich kontrollierte Entscheidungen demokratisch gewählter Regierungen vorzugehen." Der Bürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden fordern die "Spaziergänger" daher auf, sich an die AHA-Regeln (Abstand halten, Maske tragen) zu halten, sich testen und impfen zu lassen sowie sich von radikalen und demokratiefeindlichen Äußerungen zu distanzieren. Denn: Die Bekämpfung der Pandemie und die Rückkehr zur Normalität "ist nur durch die Gemeinschaftsleistung aller zu erreichen".