Kräfte bündeln, um junge Straftäter vor einer Verbrecher-Karriere zu bewahren: Gericht, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Polizei arbeiten im „Haus des Jugendrechts“ eng zusammen, damit niemand durchs Raster fällt. Foto: Symbolfoto: Polizeiliche Kriminalprävention

Recht: Justizministerin Marion Gentges besucht "Haus des Jugendrechts"

Offenburg - Ihren 50. Tag im Amt als Justizministerin verbrachte die in Haslach Marion Gentges im Haus des Jugendrechts in Offenburg. Rund eine Stunde lang ließ sie sich von den Leitern der Einrichtungen über Arbeitsweise und Effizienz des Projekts informieren.

Die Anfang 2020 eröffnete Einrichtung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt nehme jetzt richtig Fahrt auf. Dies sei der richtige Zeitpunkt für eine erste Bilanz, sagte die Ministerin. Sie habe selbst in Offenburg ihren juristischen Vorbereitungsdienst absolviert. "Ich war bei der Staatsanwaltschaft einem Jugenddezernenten zugewiesen, der sehr gut vermittelt hat, worum es im Jugendstrafrecht eigentlich geht", sagte sie. Zentral seien neben der Strafe für begangenes Unrecht vor allem Erziehung, Hilfe und Prävention. All das finde man in der Straßburger Straße 7 unter einem Dach.

Jugendliche können sich kostenlos beraten lassen

In einem Haus sind all diejenigen untergebracht, die an einem Jugendstrafverfahren beteiligt sind: Jugenddezernenten der Staatsanwaltschaft, Jugendsachbearbeiter der Polizei und Mitarbeiter des Jugendamtes. Ziel der Kooperation ist es, Strafverfahren zu verkürzen und Jugendkriminalität dauerhaft zu reduzieren. Dazu finden regelmäßig Fallkonferenzen mit den Beteiligten statt.

Eingebunden sind auch Jugendgerichte und andere externe Partner wie die Stadt Offenburg, die Agentur für Arbeit, die Diakonie, die Soziale Rechtspflege oder die Drogenberatung. Neu ist eine kostenlose anwaltliche Erstberatung für Jugendliche. Dafür stehen sechs Rechtsanwälte jeden zweiten Mittwoch jeweils von 15 bis 17 Uhr in einer Sprechstunde zur Verfügung.

"Die räumliche Nähe und die kurzen Dienstwege möglichen es, schnell und abgestimmt auf Straftaten von Jugendlichen zu reagieren", zog der Leitende Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer eine Bilanz. Bislang seien in der Einrichtung 374 Ermittlungsverfahren geführt worden. In rund 30 Prozent der Fälle sei es um Diebstahl gegangen, weitere 20 Prozent beschäftigten sich mit kleineren Betäubungsmittelvergehen, 14 Prozent betrafen Körperverletzungen, 11 Prozente Verkehrsdelikte.

Mehr als ein Sechstel dieser Verfahren Fälle landeten mit Anklagen vor Gericht, ein Drittel sei durch Auflagen und Sanktionen erledigt worden, viele Verfahren würden eingestellt. In mehr als sechs Prozent aller Fälle habe es einen Täter-Opfer-Ausgleich gegeben, was sonst nur in etwa einem Prozent gelinge.

Verfahren dauern nun deutlich kürzer

Schäfer hob die kurze Bearbeitungsdauer hervor: Verfahren im Haus des Jugendrechts seien in durchschnittlich 21 Tagen erledigt. Normalerweise liege der Durchschnitt bei rund 40 Tagen. Allerdings steige die Zahl der Jugendstraftaten wieder deutlich an: Während 2020 nur 163 Delikte zu behandeln waren, gebe es in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits 160 Fälle, sagte Polizeipräsident Reinhard Renter.

Das erste Haus des Jugendrechts war 1999 in Bad Cannstatt eröffnet worden, das Offenburger war das fünfte. Weitere gibt es in Mannheim, Pforzheim, Heilbronn, Ulm, Karlsruhe, Ludwigsburg, Villingen-Schwenningen und Stuttgart-Mitte. Auch die Städte Lahr und Kehl haben Interesse an der Einrichtung solcher Häuser bekundet, teilte Ministerin Gentges auf Nachfrage der Lahrer Zeitung mit. Grundsätzlich verfolge ihr Ministerium den Plan, das Modellprojekt auszweiten, und der Ortenaukreis sei als Flächenkreis mit nur einer Einrichtung sicher nicht ausreichend abgedeckt, sagte sie. Kehl biete als Grenzstadt noch dazu die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den französischen Behörden.