Verkehrschaos in Kehl: Die Sorge, eventuell bald wegen einer erneuten Grenzschließung nicht mehr in Deutschland einkaufen gehen zu können, motivierte viele Franzosen am vergangenen Donnerstag zu Hamsterkäufen. Foto: Badias

Wirtschaft: 12 000 Franzosen pendeln in die Region / Schutzmaßnahmen nähren Angst vor Grenzschließung

Ortenau - Wohnen in Frankreich, Arbeiten in Deutschland: Das scheint für viele Franzosen attraktiver zu werden. Rund 12 000 pendeln über die Grenze in die Region – ein Wirtschaftsfaktor. Ortenauer Firmen verfolgen die Corona-Lage daher mit großer Sorge.

"Viel Vertrauen kaputt gegangen"

"Die Situation im Frühjahr hat uns vor Augen geführt, wie wichtig die Pendler aus dem Elsass sind", erklärte Andreas Truttenbach, Vizepräsident der IHK Südlicher Oberrhein und Geschäftsführer der Firma RMA Pipeline Equipment aus Kehl, bei einem Pressetermin am Mittwoch.

Im März sei aufgrund der geschlossenen Grenze "viel Vertrauen kaputt gegangen". Truttenbach weiß, wovon er spricht: Denn 25 Prozent der Mitarbeiter seines eigenen Unternehmens kommen aus unserem Nachbarland. Eine erneute Abkapselung, ein neuerlicher Lockdown könne für viele Unternehmen Existenzbedrohend sein, erklärt der IHK-Vize.

Rund 12 000 Franzosen pendeln jeden Tag über die Grenze in die Region Südlicher Oberrhein. Die Zahl stieg seit 2013 wieder an. Das ist das Ergebnis einer IHK-Analyse der Sozialversicherungsdaten von 2017.

"Die Ortenau ist ein großer Schwerpunkt", berichtete Norbert Uphues, Referent für Verkehr, Konjunktur, Statistik bei der IHK Südlicher Oberrhein, am Mittwoch. "Rust, Kehl und Rheinau sind in absoluten Zahlen die drei Spitzenreiter." Alleine nach Kehl pendeln täglich 2620 französische Staatsangehörige. Rust kommt sogar auf einen relativen Arbeitnehmer-Anteil von 17,5 Prozent.

Europa-Park beschäftigt mehr als 1100 Franzosen

Verantwortlich für den hohen Anteil in Rust ist offensichtlich der Europa-Park. "Rund ein Viertel unserer Mitarbeiter kommt aus Frankreich", erklärte Matthias Kirch, im Europa-Park für den Bereich Personalentwicklung zuständig. Insgesamt sind also 1125 Mitarbeiter Franzosen.

In der Wasserwelt Rulantica sei sogar die Hälfte der Belegschaft aus unserem Nachbarland, berichtet Kirch. Für sie sei die Grenzschließung und die Aufforderung im März zu Hause zu bleiben, schwer zu verstehen gewesen.

"Sie haben sich ziemlich herabgesetzt gefühlt", so Kirch. Das sei mittlerweile verziehen, doch wie tief die Verunsicherung bei unseren Nachbarn noch sitzt, zeigte die vergangene Woche. Eine Meldung auf Facebook, dass die Grenze wieder schließen könnte, sorgte für Chaos. "Plötzlich standen die Leute da und wollten wieder Passierscheine", berichtet Kirch.

Grenzschließung war vorgesehen

Schnell war klar, dass keine Grenzschließung vorgesehen war. Trotzdem: Die Sorge bleibt. "Wir begrüßen aber, wie es jetzt gerade funktioniert", sagte Kirch.

Ein Lied von der Sorge um eine erneute Grenzschließung konnte auch Rolf Kaufmann, Personalchef der Zehnder-Gruppe, singen: Rund 100 Produktionsmitarbeiter an den Lahrer Standorten kommen aus Frankreich – etwa 25 Prozent.

Dass Pendler aus dem Elsass Mitte März nicht mehr in die Ortenau kommen sollten, sei ein Schlag gewesen. "Mit den jetzigen Regeln können wir umgehen", so Kaufmann. "Ein zweiter Lockdown wäre eine kritische Situation für unser Unternehmen in Lahr."

Wichtig sei nun, dass es zu keiner Kurzschlusshandlung komme, betonte Kirch. "So hoffen wir, dass wir weiter unser Geschäft betreiben können."

Aktuelle Lage

"Wie es jetzt aussieht, dürfen die elsässischen Arbeiter rüberkommen", erläuterte IHK-Vizepräsident Andreas Truttenbach. Allerdings dürfen sie nicht länger als 24 Stunden bleiben. Generell gilt: Wer aus einem Risikogebiet nach Baden-Württemberg einreist, muss in Quarantäne.

Die Ausnahme gilt für Berufspendler, Studenten und Paare. Diese Regeln sind seit vergangenen Samstag gültig (Stand Mittwochnachmittag). Eine erneute Neuregelung des Landes würde diese Regeln aushebeln.