Jörg Weisbrod veröffentlicht Memoiren über seine Jugend in der Kriegs- und Nachkriegszeit im Südwesten

Offenburg (red/lmk). "Berliner – Zigiener" heißt das zweite Buch des Offenburgers Jörg Weisbrod. In diesem hat er seine Kindheitserinnerungen niedergeschrieben. Der gebürtige Berliner wuchs zwischen Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit in Schwenningen auf.

"Es soll nicht nur meine Geschichte sein, sondern ein Zeitdokument von 1943 bis 1956", beschreibt Weisbrod seine Intention. Das 162 Seiten starke Werk beschreibt die Geschichte eines kleinen Jungen in einer schweren Zeit. Weisbrod macht die Schrecken des Krieges plastisch, verbindet sie aber mit der Unbeschwertheit der Kinder- und Jugendzeit. Die vielen Fotos aus dem Familienalbum und Bilder vom alten Schwenningen geben lebendige Eindrücke von einer vergangenen Zeit.

Von der Reichshauptstadt ins beschauliche Schwenningen

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kam Jörg Weisbrod mit seiner Mutter und den beiden jüngeren Brüdern von der Reichshauptstadt ins beschauliche Schwenningen, wo die Eltern seines Vaters lebten. Der war zu dieser Zeit im Krieg. An die erste Unterkunft in Schwenningen, im Elternhaus seines Vaters, erinnert er sich mit gemischten Gefühlen: "Es war eine Katastrophe, weil die Wohnung ohnehin schon klein war. Ich war in einer Großstadt aufgewachsen, und so kam mir am Anfang alles wie ein großes Abenteuer vor. Als Erstes fiel mir die komische Toilette auf, ein kleiner Raum, der sogenannte Abort ...  In unserer Berliner Wohnung hatten wir ein schönes helles Klosett mit dem Spülkasten an der Decke und einem Waschbecken daneben", schreibt er.

Neben den neuen Lebensumständen machten auch die Sprache und das ungewohnte Essen dem Jungen mit der Berliner Schnauze zu schaffen. Mit Schaudern habe er das ungewürzte Essen bei den Großeltern zu sich genommen. "Da gab es Rotkohl, der ebenso wie das Bayrischkraut mit Apfelmost abgelöscht wurde; außerdem ein fades, lasches Kohlrabigemüse, das ohne Soße und Geschmack mit verkochten Kartoffeln auf den Tisch kam."

Im Frühjahr 1944 wurde Jörg Weisbrod eingeschult. Wegen seines fremden Dialektes wurde der Schulweg für ihn zum Martyrium. "Meine Berliner Schnauze war der Anlass dafür, dass ich beinahe jeden Tag von einigen Schülern Schläge bekam." Noch heute höre er die Rufe der einheimischen Schulkinder: "Berliner – Zigiener, Berliner – Zigiener".

Weisbrod erzählt auch von der Lebensmittelrationierung 1945 und dem Bombenangriff auf das Schwenninger Bahnhofsgelände. "Am 22. Februar waren wir fünf nach dem Essen durch unerwarteten Fliegeralarm aufgeschreckt worden und schnell in den Luftschutzbunker in der Karlschule gerannt ... Welle um Welle kamen die Angriffe, manchmal waren die Einschläge entfernter, doch oft direkt in der Nähe. Es wollte kein Ende nehmen, selbst die wuchtige Schule erzitterte bei jedem Einschlag."

Nach dem Krieg standen Hungerszeit, requirieren und organisieren im Vordergrund. Doch die Zeiten wurden Anfang der 50er-Jahre auch besser. Weisbrod und seine Freunde liebten Seifenkistenrennen. Seine Streifzüge mit den Spielkameraden gingen durch die ganze Stadt. Auch die Erinnerungen an den Tanzkurs und den Abschlussball im feinen Anzug fehlen bei seinen Erinnerungen nicht.

Die erste Auflage von "Berliner – Zigiener" war 200 Stück stark. Bereits kurz nach Erscheinen war sie vergriffen, eine zweite folgte. Das Buch, das der Autor im Eigenverlag herausgebracht har, ist in Lahr in der Buchhandlung Rombach erhältlich