Kinder können es kaum abwarten, bis die Schule beginnt Foto: Realschule Neuried

Eltern folgen nicht immer der Schul-Empfehlung     

Ortenau - Eltern von Viertklässlern entscheiden, welche weiterführende Schule ihre Sprösslinge künftig besuchen sollen. Im Ortenaukreis ist die Wahl dabei in den vergangenen Jahren immer seltener auf Haupt- oder Werkrealschulen gefallen.

Beim Kopf-an-Kopf-Rennen um die beliebteste Schulart wechselten sich Gymnasium und Realschule in der Vergangenheit nahezu jährlich ab. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Landesamts bis zurück zum Schuljahr 2012/13. Die Zahlen schwankten seitdem bei beiden Schularten nur geringfügig.

Den prozentual größten Zuwachs verbuchten die Gemeinschaftsschulen in der Ortenau. Diese standen vorher noch gar nicht zur Auswahl. Der Prozentsatz derjenigen Schüler, die sich für eine Werkreal- oder Hauptschule entschieden, hat sich seit dem Schuljahr 2012/2013 dagegen mehr als halbiert.

> Gymnasium konstant beliebt: Von den 3757 Kindern im Ortenaukreis, die zum Schuljahr 2016/17 von einer öffentlichen oder privaten Grundschule auf eine weiterführende Schule wechselten, gingen genau 1500 Schüler auf ein Gymnasium. Das sind 39,9 Prozent – eine knappe Mehrheit.

Damit liegt die Ortenau deutlich unter dem Landesdurchschnitt: In Baden-Württemberg haben sich im selben Jahr 44,2 Prozent der 91  444 ehemaligen Viertklässler für das Gymnasium entschieden.

Sowohl im Kreis, wie auch im Land bewegen sich diese Zahlen seit 2012/13 auf einem konstant hohen Niveau. Sie schwankten seither lediglich um ein oder zwei Prozentpunkte. 2016/17 waren es 39,5 Prozent im Ortenaukreis und 43,8 Prozent im Land.

> Realschule ähnlich populär: Kaum weniger beliebt als die Gymnasien sind die Realschulen im Ortenaukreis. 1412 Schüler – also 37,6 Prozent – wechselten im vergangenen Jahr auf diesen Schultyp. Landesweit schlugen nur 34,2 Prozent der ehemaligen Grundschüler den Weg zur Mittleren Reife ein. Und das ist kein Einzelfall. Schon in den Jahren zuvor waren die Realschulen in der Ortenau überdurchschnittlich populär und ließen seit 2012/13 sogar die Gymnasien zweimal ganz knapp hinter sich.

> Werkreal- und Hauptschulen immer seltener gewählt: Wechselten zum Schuljahr 2012/13 noch 22,7 Prozent der Viertklässler im Kreis auf eine Werkreal- oder Hauptschule, trafen im vergangenen Jahr nur noch 9,7 Prozent (364 Schüler) diese Entscheidung. In ganz Baden-Württemberg waren es sogar nur noch 5,7 Prozent. Der Trend ist allerdings derselbe: Fünf Jahre zuvor lag der Anteil landesweit noch bei 15,8 Prozent. Seitdem haben die Haupt- und Werkrealschulen hier wie da mindestens zwei Prozentpunkte jährlich verloren – teilweise sogar vier.

> Gesamtschulen im Aufwind: Eine private und zehn staatliche Gesamtschulen gibt es in der Ortenau mittlerweile. Doch das war nicht immer so. Für die Schuljahre vor 2012/13 werden sie deshalb in der Statistik gar nicht erst aufgeführt. Anfangs mit nur einem Prozent Anteil vertreten, wechselten zum aktuellen Schuljahr immerhin 393 Kinder im Landkreis – also 10,5 Prozent – auf eine Gemeinschaftsschule. 2016/17 waren es sogar noch etwas mehr: 418 Schüler (11,1 Prozent). Damit liegt der Ortenaukreis etwa im Landesschnitt. Dort bewegten sich die Zahlen von 1,7 Prozent (2012/13) über den vorläufigen Höchststand von 13,4 Prozent (2016/17) bis zum aktuellen Wert von 12,5 Prozent.

> Eltern halten sich nicht immer an Empfehlung: Das stellt fest, wer die Zahlen der tatsächlichen Übergänge mit jenen vergleicht, die das Statistische Landesamt zu den Grundschulempfehlungen für das Schuljahr 2017/18 veröffentlicht hat.

Von den 3757 Kindern im Ortenaukreis, die zum Zeitpunkt der Empfehlung in der vierten Klasse waren, erhielten 1623 eine Empfehlung für das Gymnasium (43,2 Prozent). Letztlich schlugen jedoch "nur" 1500 den direkten Weg zum Abitur ein – das entspricht 39,9 Prozent.

Dagegen empfahlen die Lehrer 1092 Kindern (29,1 Prozent), auf eine Realschule zu wechseln. Deutlich mehr – nämlich 1412 (37,6 Prozent) – entschieden sich aber schließlich für diesen Schultyp.

985 Viertklässlern (26,2 Prozent) wurde nahegelegt, eine Werkreal- oder Hauptschule zu besuchen. Wesentlich weniger, nämlich 364 und somit 9,7 Prozent der statistisch erfassten Schüler wechselten dann in diesem Sinne der Empfehlung.

Allerdings verrät die Statistik nicht, wie viele Schüler – oder deren Eltern – der Empfehlung tatsächlich gefolgt sind. Klar ist angesichts der teilweise weit auseinandergehenden Zahlen nur, dass sich viele von ihnen letztlich anders entschieden haben müssen.

> Grundschulempfehlung ist nicht verbindlich, muss aber vorgelegt werden:  Seit dem Schuljahr 2012/13 ist die Grundschulempfehlung aufgrund einer Gesetzesänderung in Baden-Württemberg nicht mehr verbindlich, sondern hat nur noch eine beratende Funktion. Damit sollten auch die Rechte der Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schulart gestärkt werden, wie das Landeskultusministerium seinerzeit mitteilte.

Nun gibt es eine weitere Neuregelung, die das Land beschlossen hat: Ab sofort müssen Eltern die Grundschulempfehlung bei der Anmeldung für eine weiterführende Schule vorlegen. Das soll einerseits für mehr Transparenz sorgen, wie das Ministerium erläutert. Einen weiteren Hintergrund erklärt Kultusministerin Susanne Eisenmann: "Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule ist eine entscheidende Schnittstelle in der Schülerbiografie. Ich bin überzeugt, dass die weiterführenden Schulen die Kenntnis der Grundschulempfehlung für eine bestmögliche Förderung und Beratung nutzen werden." 57 Kinder (1,5 Prozent) erhielten keine Grundschulempfehlung. Allerdings gelte auch: Eltern entscheiden weiterhin frei über die Schulwahl ihres Kindes.

Info: Schulwegweiser

Um Eltern von Viertklässlern einen Überblick über die weiterführenden Schulen und ihre Angebote im Ortenaukreis zu verschaffen, veröffentlicht unsere Zeitung in den kommenden Wochen eine neue Serie: den Schulwegweiser. Er umfasst redaktionelle Berichte zu Entwicklungen in der Schullandschaft ebenso wie mehrere Sonderseiten mit einer Übersicht zu vielen Gymnasien, Real-, Werkreal-, Haupt- und Gemeinschaftsschulen in der Region. Der nächste Teil der Serie erscheint in der Ausgabe am Dienstag, 27. Februar.