Seenotretter in Aktion: Das Bündnis "United for Rescue" hat unter anderem mit Hilfe der evangelischen Kirche das Schiff "Sea-Watch 4" dabei unterstützt, Flüchtlingen im Mittelmeer das Leben zu retten. Foto: Fabian Melber

Initiator Martin Groß will auf die Not der Flüchtlinge aufmerksam machen

Offenburg - Ertrunken, eingesperrt, weggeschickt – im Mittelmeer spielen sich immer wieder Flüchtlingsdramen ab. In Deutschland wird das oft nur zur Randnotiz. Das muss sich ändern, findet der Friesenheimer Martin Groß – und initiiert eine bundesweite Aktion.

Überladene Schlauchboote, von der Küstenwache gestoppte Flüchtlinge oder an Strände gespülte Leichen sind tragische Folgen der Flüchtlingskrise. "Ich war immer wieder erschüttert von den Bildern", berichtet der vielfach engagierte Kirchenmusiker Martin Groß bei einer Online-Pressekonferenz am Mittwochmorgen. Er sei mehrfach in Afrika gewesen, habe selber eine Landung von Bootsflüchtlingen erlebt. Er habe immer wieder überlegt, wie er helfen könne. Seine Antwort: "Öffentlich machen, was an schrecklichen Dingen passiert."

Als stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum organisiert Groß zusammen mit der evangelischen Kirche und der Seenotrettungsorganisation "United for Rescue" (Gemeinsam Retten, "U4R") daher unter dem Motto "Grenzenlose Menschlichkeit – Man lässt keine Menschen ertrinken" Aktionswochen. Sie sollen weit über den Kreis hinaus wirken.

Veranstaltungen zu Gunsten der Seenotrettung

Der Auftakt ist die Eröffnung einer Dokumentationsausstellung am Samstag, 10. Juli, in der Evangelischen Stadtkirche Offenburg. Auf 16 großen Tafeln sollen die Probleme und das Leid der Menschen, die versuchen über das Mittelmeer nach Europa zu flüchten, deutlich gemacht werden, berichtet Groß.

Für die Veranstaltung samt Benefiz-Konzert – zu Gunsten der Seenotrettung – und Podiumsdiskussion ist es den Organisatoren gelungen, hochkarätige Gäste zu gewinnen: So übernimmt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Schirmherrschaft der Aktion. Geplant ist, dass der CDU-Politiker am 10. Juli unter anderem mit Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland, diskutieren soll. Die Ausstellung selbst werde im ganzen Bundesgebiet umherwandern, kündigt Groß an.

Leider handele es sich beim Auftakt am 10. Juli um eine geschlossene Veranstaltung, bedauert Projektpartnerin Claudia Roloff, Leiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung Ortenau. Aufgrund der unsicheren Corona-Situation gehe es aber vorerst nicht anders. In den darauffolgenden Wochen sei aber eine ganze Reihe von öffentlichen Veranstaltungen in der Ortenau geplant. So berichte Michael Schwickart, stellvertretender Vorsitzender von "Gemeinsam Retten", am Montag, 12. Juli, beispielsweise von der Seenotrettung und den Schwierigkeiten mit denen Helfern konfrontiert werden (siehe Info). Auch ein Filmgespräch und eine Menschenkette über den Rhein seien geplant, zudem gebe es die Möglichkeit für Schulklassen eine Führung zur Ausstellung zu bekommen.

Abschlusskonzert ist in Lahr geplant

In Lahr ist für Samstag, 25. September, unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Guido Schöneboom ein Abschlusskonzert vorgesehen. Dort seien auch weitere Aktionen in Planung, kündigt Groß an. So zum Beispiel Veranstaltungen mit dem Kulturamt unter Mitwirkung mit Menschen aus der Migration. Eine Übersicht über geplante Veranstaltungen werde noch veröffentlicht.

"Die Aktionen wächst noch", erklärt Groß und ergänzt: "Vielleicht gibt es Menschen, die beim Lesen der Vorberichte noch Ideen haben und dazukommen."

"Alleine in diesem Jahr sind über 800 Menschen im Mittelmeer ertrunken", berichtet Michael Schwickart bei dem Online-Pressegespräch am Mittwochmorgen. Die Dunkelziffer sei hoch, viele würden nie gefunden.      Der Unternehmer aus Hamburg ist seit 2015 in der Seenotrettung tätig, war schon selbst im Rettungseinsatz und ist zweiter Vorsitzender des Vereins "Gemeinsam Retten". Vor wenigen Jahren seien die größten Schwierigkeiten bei der Seenotrettung "Wind und Wellen" gewesen, "heute ist unser Hauptproblem die Europäische Union, die zunehmend verhindert, dass die Schiffe überhaupt auslaufen können", erklärt Schwickart. Die Gründe seien teils abenteuerlich, wie etwa nicht ausreichende Toilettenkapazitäten. Statt den Rettern unterstütze die EU lieber die libysche Küstenwache, die die Flüchtlingsboote aufbringen soll.

Menschen, die zurückgebracht würden, drohe Folter, Haft und Hinrichtung, konstatiert Schwickart. "In Libyen gibt es kein faires Asylverfahren", erklärt der für die Evangelische Landeskirche tätige Jurist Jürgen Blechinger. An der Außengrenze der EU habe sich ein "Wettlauf der Schäbigkeiten" entwickelt, damit Länder möglichst unattraktiv für Flüchtlinge würden. Es brauche dringend ein anderes System einer gerechten Verantwortungsverteilung. Nicht jeder, der nach Europa komme, solle aufgenommen werden, jeder verdiene aber ein faires Asylverfahren, so Blechinger.

 Im Bündnis "United for Rescue" unterstützt "Gemeinsam Retten" unter anderem mit der evangelischen Kirche die Seenotrettung im Mittelmeer finanziell. "Schiffe die wir gefördert haben, haben seit Sommer 2020 mehr als 2000 Menschen gerettet", berichtet Schwickart.