Räte knüpfen ihre Entscheidung an ein dickes Paket von Bedingungen – etwa Ortsumfahrungen und den A5-Ausbau

Von Sabrina Deckert

Offenburg. Eine satte Mehrheit sieht anders aus: Mit 48 Ja-, 28 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen haben sich die Kreisräte gestern für die Autobahnparallele ausgesprochen. Jetzt fehlt nur noch die Entscheidung des Projektbeirats, um die Wünsche der Region in Berlin vortragen zu können.

Diskutiert im klassischen Sinne ist gestern vor der Abstimmung nicht mehr worden. Jede Fraktion hatte, wie bei jedem Beschluss, die Möglichkeit, nochmal ihre Sicht der Dinge kund zu tun. Und davon machten die Kreisräte auch reichlich Gebrauch – knappe zwei Stunden lang.

Zuvor hatte aber Landrat Frank Scherer (parteilos) das Wort. Er erinnerte daran, dass vor 165 Jahren, als die Rheintalbahn in Betrieb genommen worden ist, es von den Menschen als Privileg empfunden worden sei, nahe an der Bahn zu wohnen. Die Trasse sollte alle großen Städte zwischen Mannheim und Basel miteinander verbinden. Damals seien allerdings auch nicht 480 Züge täglich, davon 320 Güterzüge, über die Gleise gedonnert.

Dann zeichnete Scherer die wichtigsten Stationen des Themas in den vergangenen rund 20 Jahren nach und endete mit den "Stapeln von Papier", auf dessen Grundlage die Kreisräte ihr politisches Votum abzugeben hätten. Denn, und das betonte der Landrat klar: "Das ist eine rein politische Positionierung heute." Die Bundesregierung, präziser der Bundestag, entscheidet, wie viel Geld er der Bahn zur Verfügung stellt. Die leitet ihr Anliegen an das Eisenbahnbundesamt weiter und dort wird zum Schluss entschieden. Dass Scherer dennoch immer mit einem Auge nach Stuttgart und einem nach Berlin linste und betonte wie wichtig ein einstimmiges Votum der Region sei, liegt daran, dass sowohl die Landes- als auch die Bundesregierung ihren Geldbeutel für das Mammutvorhaben öffnen müssen.

Nirgends entlang der Strecke darf es lauter werden, betonen die Räte

Stuttgart würde nämlich beispielsweise beim Lärmschutz bis zu 50 Prozent der Mehrkosten übernehmen, wenn es etwa um die Schallschutzmaßnahmen geht, die über den rechtlich vorgeschriebenen Rahmen hinaus gehen. Es gelte also ein starkes Zeichen an die Entscheidungsträger zu senden, mahnte Scherer.

Um das zu erreichen, musste Scherer allerdings den Beschlussvorschlag der Verwaltung, den er im Vorfeld verschickt hatte, in einer Tischvorlage für die gestrige Sitzung, den Wünschen und Anträgen der Fraktionen, anpassen. So musste rein, dass an der Autobahnparallelen durch "ergänzende Schallschutzmaßnahmen sichergestellt wird, dass ein Anstieg der derzeitigen Gesamtlärmbelastung aufgrund Straßen- und Schienenverkehrs vermieden wird". Außerdem wollen die Kreisräte, dass das durch Tieflagen der Bahn, also Tröge oder Tunnels, gelöst wird und das Landschaftsbild nicht verschandelt wird. Zudem soll an der bestehenden Rheintalbahn "über das erforderliche Maß hinausgehender Lärmschutz auch für die Ortslagen" vorgesehen werden. und zwar auch für die Anwohner, die nicht im Zuge der Lärmsanierung oder des Gleisneubaus vor dem Krach geschützt werden. Damit erfüllten die Räte zwei der Forderungen der "Grafenhausener Erklärung".

Zudem sprachen sich 79 der 81 anwesenden Räte dafür aus, dass Bund und Bahn im Zuge des Ausbaus der Rheintalbahn aufgefordert werden, Brücken, die beim Bau der Antragstrasse automatisch wieder beziehungsweise neu gebaut worden wären, auch bei der Autobahnparalle zu bauen. Das betrifft vor allem eine Verbindung zwischen den beiden Friesenheimer Ortsteilen Schuttern und Oberschopfheim. Zudem soll der Friesenheimer Bahnhof barrierefrei umgebaut werden. Durch "wirksamen Erschütterungsschutz" müsse außerdem gewährleistet werden, dass Firmen, die neben den Gleisen produzieren, nicht beeinträchtigt werden.

Scherer denkt darüber nach, den Güterbahnhof nach Lahr zu verlegen

Einstimmig hingegen wurde beschlossen, dass das Landratsamt unverzüglich die Planungen für eine Ortsumfahrung für Kippenheim, Mahlberg, Lahr-Kippenheimweiler, Lahr-Langenwinkel und Ettenheim-Altdorf aufzunehmen. Letzteres wurde spontan, kurz vor dem Beschluss, noch eingefügt. Die SPD beantragte außerdem, den Bund aufzufordern, den Ausbau der A 5 zu planen und umzusetzen. Dem stimmten 63 Kreisräte zu. Zehn lehnten das ab, acht enthielten sich.

Doch auch wenn die Mehreit der Kreisräte für die Güterzugtrasse entlang der A5 stimmte, so betonte doch jeder Fraktionsvorsitzende, in seiner Ansprache, mehr oder weniger mit denselben Worten, dass es "keine optimale Lösung" gebe und man sich für die Variante ausspreche, die am besten für die Menschen in der Region sei. Ausschlaggebend sei für viele Räte auch der Lärm- und Naturschutz gewesen. Die Kosten spielten eine geringere Rolle.

Der Landrat bezeichnete den Ausgang der Sitzung als "starkes Signal" und ein "klares Votum". Stunk von Seiten der Gegner der Autobahnparallele erwartet er nicht. "Natürlich kann später, wenn alles rechlich überprüft wird, jeder Beteiligte klagen", so Scherer. Aber, man habe ja auch Bedingungen der zehn Unterzeichner mit aufgenommen. "Wir können jetzt standortpolitisch nach vorne schauen und die Rheintalbahn auch als Chance für unsere Region begreifen", warb der Landrat. "Der Güterumschlag bringt Wertschöpfung und wir können auch die Infrastruktur verändern. Etwa indem der Güterbahnhof von Offenburg nach Lahr verlagert wird und die rollende Landstraße auch von Freiburg nach Lahr." Dadurch gewinne die gesamte Region und man könne etwas Positives aus der Bahn ziehen.