Offenburg - Die Fraktionsvorsitzenden der CDU, Freien Wähler, Grünen, SPD und FDP im Kreistag wollen mit einem gemeinsamen Antrag die Notbremse ziehen: Sie fordern die "konstruktiv-kritische Bewertung" der weiteren Entwicklung der "Agenda 2030".

Zur Klinikreform Agenda 2030 haben sich die schlechten Nachrichten in letzter Zeit gehäuft: Zunächst stand die Nachnutzung des Klinikums in Oberkirch als ambulantes Rehazentrum in Frage. Dann ließ Landrat Frank Scherer die Kosten-Bombe platzen: Anstatt 720 Millionen Euro könnte die Agenda bis zu 1,3 Milliarden Euro teuer werden. Beides hat sowohl in der Bevölkerung als auch im Kreistag für Diskussionsstoff gesorgt (wir berichteten).

Die Fraktionsvorsitzenden der CDU, Freien Wähler, Grünen, SPD und FDP fordern als Folge in einem am Freitag versendeten Antrag, die weitere Entwicklung – und die Kosten – der Klinikreform zu prüfen. "Eine konstruktiv-kritische Bewertung und Betrachtung der weiteren Entwicklungen schließt eine Nachjustierung nicht aus", ist im Antrag, der unserer Zeitung vorliegt, zu lesen. Allerdings: "Wir stellen die Agenda 2030 nicht in Frage", heißt es aus dem Kreis der Antragssteller gegenüber unserer Zeitung. "Wir bemängeln allerdings, dass die finanziellen Aspekte schlecht kommunziert werden." Der Anlass für den Antrag sei die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und innerhalb der Fraktionen, die man zunehmend gespürt habe. "Informationsdefizite dürfen nicht mehr vorkommen." Im Antrag selbst heißt es: "In dieser Situation hilft keine weitere Polarisierung." Ebenso wenig wie die Methode "Augen zu und durch".

Mittlerweile liegen mehrere Gutachten vor:
Die Entscheidung für die Agenda 2030 hatten die Kreisräte 2018 auf Grundlage zweier Gutachten getroffen: Das erste wurde 2017 von der Krankenhausgesellschaft CMK erstellt, ein weiteres ein Jahr später von der Beraterfirma Lohfert und Lohfert. Darin war die Rede von 504 Millionen Euro. Im Juli 2019 wurde dann bekannt, dass das Planungsbüro Teamplan von Kosten in Höhe von 720 Millionen Euro ausgeht. Landrat Scherer schätzte die Kosten kurz darauf nochmals deutlich höher ein.

Fakten und Zahlen sollen aufgearbeitet werden:
Um den aktuellen Stand und die zukünftige Entwicklung beurteilen zu können, fordern die Fraktionsvorsitzenden eine vergleichende Aufstellung der drei Gutachten. Zwar stehen die Antragssteller nach außen hin hinter der Agenda, trotzdem fordern sie Klarheit darüber, ob "Neubauten und Sanierung nach wie vor günstiger als die Weiternutzung und Sanierung im Bestand sind", so der Antrag. Die Investitionen für Neubauten, Sanierungen, Betrieb, Nebennutzungen und Infrastruktur sollen einzeln dargestellt werden. "Außerdem wäre ein ›Zeitstrahl‹ notwendig, der einen Ablauf der Agenda nachvollziehbar macht", so der Antrag.

Finanzierung muss geklärt werden:
Die Antragssteller interessieren sich zudem dafür, ob das Ortenau-Klinikum die Mehrkosten selbst stemmen könne oder ob der Kreis seine Beteiligung an der Finanzierung erhöhen müsse. Dabei seien die Kosten anderer Großprojekte des Kreises zu beachten, so zum Beispiel die Sanierung des Landratsamts oder der Kreisschulen.

Nachnutzung von Standorten noch offen:
Die Situation in Oberkirch hat gezeigt: Die Nachnutzung der im Zuge der Agenda zu schließenden Krankenhäuser ist noch nicht geklärt. Unter anderem darüber diskutieren die Experten der kommunalen Gesundheitskonferenz des Ortenaukreises. Zwei Bürgergespräche zur Gesundheitsversorgung im Kreis fanden bereits statt. "Die Verwaltung muss die Ergebnisse der kommunalen Gesundheitskonferenz unmittelbar aufnehmen und Umsetzungsvorschläge unterbreiten", so die Vorsitzenden der Fraktionen. "Außerdem muss rasch geklärt werden, ob der Kreis Träger dieser Einrichtung wird und wie die daraus resultierenden Angebote finanziert werden."

Ausschuss soll Ergebnisse neu beraten:
Sobald alle Fragen beantwortet worden seien, "gehen wir von einer erneuten Beratung im Krankenhausausschuss des Kreistags aus", so der Antrag.

Landratsamt lädt zum Pressegespräch: Als Ergebnis des an die Öffentlichkeit gedrungenen Antrags hat das Landratsamt am Samstag eilends zu einem Pressegespräch am Montagmorgen geladen. Landrat Scherer und Klinikum-Geschäftsführer Christian Keller wollen sich dabei zum Antrag äußern.

Info: Agenda 2030

Bis 2030 sollen die ursprünglich neun Kliniken in der Ortenau in nur noch vier Häusern zusammengefasst werden. Dazu gehören der Neubau in Offenburg sowie die bisherigen Krankenhäuser in Achern, Wolfach und Lahr. Insgesamt 1600 Bettenplätze sollen im Verbund verteilt werden. Für Offenburg bedeute die Zusammenlegung eine Verdoppelung der Bettenzahl auf 850 bis 900.