Annette Ising (links) und Carolin Brenner von der Apotheke am Storchenturm in Lahr spüren eine große Nachfrage nach Medikamenten gegen die Grippe und vor allem ihre Symptome. Besser wäre es allerdings, die Ursachen zu bekämpfen, sagen die Apothekerinnen. Foto: Merck

Husten, Halsschmerzen, Heiserkeit: Erkältungskrankheiten erleben eine Hochzeit

Ortenau - Die Wartezimmer sind voll, in den Apotheken herrscht Hochbetrieb. Dafür ist der Arbeitsplatz in manchen Betrieben leer: Die Grippewelle schwappt durch den Ortenaukreis.

"So voll wie lange nicht mehr", sagt Allgemeinmediziner Stephan Ziehms über sein Wartezimmer Anfang der Woche. Der Grund: die Grippewelle. Rund 80 Prozent der Patienten, die den Hausarzt in seiner Praxis in Haslach aufsuchten, waren wegen der Grippe oder eines grippalen Infekts gekommen, berichtet er. "Es sind deutlich mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Es ist heftiger, das kann man schon sagen." Wobei der Facharzt da erstmal keinen Unterschied macht, ob es sich um einen grippalen Infekt oder eine echte Grippe, die Influenza, handelt. Die Statistik unterscheidet dies allerdings.

"Wir haben aktuell für diese Grippesaison 415 Meldungen, in der Vorsaison waren es insgesamt 507, bis zum 18. Februar 449 Fälle", schreibt Kai Hockenjos, Pressesprecher des Landratsamtes. Er weist in diesem Zusammen auch darauf hin, "dass nur der Labornachweis gemeldet werden muss." Diese Meldungen bilden daher nicht die tatsächliche Krankheitslast ab, "weil viele Ärzte bei eindeutigen Symptomen keine Diagnostik veranlassen".

Dass es derzeit um die Gesundheit der Ortenauer nicht allzugut bestellt ist, merken auch die Apothekerinnen Carolin Brenner und Annette Ising, von der Apotheke am Storchenturm in Lahr. Und das nicht nur, weil zwei Kolleginnen krankheitsbedingt fehlen. Stark gefragt seien derzeit vor allem Medikamente, die den Symptomen einer Erkältungskrankheit entgegenwirken, sagt Annette Ising. "Aus fachlicher Sicht ist das allerdings nicht sinnvoll." Schließlich sei es besser, die Ursache zu bekämpfen. Die Vermutung liege daher nahe, dass es weniger darum gehe, die Krankheit zu bekämpfen, sondern darum, sich nicht krankmelden zu müssen.

Keine Zeit mehr zum Auskurieren

Was Carolin Brenner ebenfalls festgestellt hat: "Es wird sich immer weniger Zeit genommen, um sich wirklich auszukurieren." Dabei sei Ruhe ein wichtiger Genesungsfaktor. Auch wichtig: Viel trinken! "Am besten Tee", sagt Annette Ising,

Wie sich die Grippewelle weiterentwickle, lasse sich nicht voraussagen, teilt das Landratsamt mit. Sie wird vermutlich bis Mitte März dauern, "es kann aber auch sein, dass sie bis in den April anhält". Für gefährdete Personengruppen, dazu zählen Ältere ab 60 Jahren, Schwangere und Personen mit erhöhter Gefährdung wie etwa medizinisches Personal sowie Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr, sei sogar noch eine Impfung zu erwägen, schreibt Hockenjos. "Allerdings dauert es circa 14 Tage, bis ein adäquater Impfschutz aufgebaut ist."

Dass es in diesem Jahr zu mehr Erkrankungsfällen gekommen ist, führt Mediziner Ziehms auf die Qualität des Impfstoffs zurück. Das vermutet man auch im Offenburger Landratsamt. "Die Effektivität ist in jeder Saison unterschiedlich", erläutert Hockenjos. "Dieses Jahr ist sie wohl deutlich geringer."

Auswirkungen hat die Grippewelle auch auf die Unternehmen. "Bei uns hat sich der Krankenstand um 15 Prozent erhöht", melden die Kiesspezialisten von Hermann Uhl in Schutterwald. Damit die Produktion nicht darunter leidet, helfen nicht nur Teilzeit- und Leihkräfte aus, sondern auch ehemalige Mitarbeiter, die längst im Ruhestand sind, berichtet Herbert Uhl.

Gefühlt sei die Grippewelle auch bei Herrenknecht angekommen. Zahlen dazu würden jedoch nicht preisgegeben. Ganz anders sieht es beim Säge- und Hobelwerk Karl Streit in Hausach aus. Dessen Geschäftsführer Klaus Henne sagt: "Von der Grippewelle sind wir bislang ganz gut verschont geblieben. Es sind nicht mehr Krankmeldungen zu verzeichnen als sonst. Da wir im Sägewerk an der frischen Luft arbeiten, sind hier eigentlich sowieso alle ganz gut abgehärtet."

Genaue Zahlen hat auch die AOK Südlicher Oberrhein nicht. Allerdings: "Im Vergleich zum Januar gab es im Februar deutlich mehr Krankmeldungen – diagnoseunabhängig."

Info: Influenza

Der Südwesten und das Saarland sind aktuell die am stärksten von akuten Atemwegserkrankungen (ARE) betroffenen Gebiete, teilt das Robert-Koch-Institut mit. In. Deutschland wurden dem RKI mittlerweile 82 038 Fälle seit Beginn der Grippesaison im Herbst 2017 übermittelt. Die Influenza-Aktivität ist damit in der vergangenen Woche nochmal deutlich gestiegen.