Eva Christoph und Axel Richter (hinten rechts) berichteten in der viel genutzten Wärmestube des St. Ursula-Heims über den besorgniserregenden Anstieg der Zahl an Wohnungslosen. Foto: AGJ

Zahl der Bedürftigen im Ortenaukreis steigt / Helfer fordern mehr Unterstützung von der Politik

Mit großer Sorge beobachten die AGJ-Wohnungslosenhilfe und der Förderverein Pflasterstube die Zunahme wohnungsloser Menschen in der Ortenau. Vor allem der Mangel an sozialem Wohnungsbau sei dafür verantwortlich.

Ortenau. "Seit dem vergangenen Sommer ist die Zahl unverhältnismäßig und schnell angestiegen", betonte Eva Christoph, die im Ortenaukreis die Wohnungslosenhilfe des "AGJ-Fachverbands für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg" leitet, im Pressegespräch. Der Verband unterhält in Offenburg das St. Ursula-Heim sowie Tagesstätten und Fachberatungsstellen für Wohnungslose – unter anderem auch eine für wohnungslose Frauen und betreutes Wohnen. Auch der Fachdienst Obdachlosenbetreuung in Lahr zählt zu den AGJ-Einrichtungen.

"Wir fühlen uns von der Politik in Hinblick auf finanzielle Unterstützung verlassen", sagt Alex Richter, Vorsitzender des Fördervereins Pflasterstube im St. Ursula-Heim. Seit elf Jahren leiste der Verein eine aufopferungsvolle Arbeit – besonders bei der sozialen und medizinischen Versorgung von Menschen, die auf der Straße leben – und finanziere sich dabei ausschließlich durch Spenden. Das Geld komme von Privatpersonen und Firmen. "90 000 Euro haben wir in diesem Jahre benötigt, um unsere laufenden Kosten für medizinische Hilfe und Personalkosten zu decken, vor drei Jahren war es gerade einmal die Hälfte", so Richter. Zahlen, die für sich sprechen.

Dass die Zahl der Hilfesuchenden nicht nur bei deutschen Bürgern, sondern auch bei EU-Ausländern zunimmt, beunruhigt Christoph ebenfalls. Und: "Jetzt kommen auch Personen unter 25 Jahren verstärkt hinzu. Der Hauptgrund ist das völlige Fehlen eines sozialen Wohnungsbaus in den vergangenen Jahrzehnten", klagt sie. "Die Politik unternimmt nichts. Wofür steht eigentlich noch das C in CDU oder das S in SPD", so Richter. Aus seiner Sicht haben die Wohnungslosen schlicht keine Lobby. Und im Winter – nach den ersten Frostnächten – vergrößerten sich die Probleme automatisch. Da ist es besonders wichtig, dass im St. Ursula-Heim in Offenburg jedem im Rahmen der dortigen Möglichkeiten geholfen wird.

In der Ortenau seien die Städte Lahr und Offenburg hinsichtlich der Lösung dieser Probleme durchaus zu loben, sagen die beiden. Doch fehlende finanzielle Mittel sowie die Belastung durch die Unterbringung der vielen Flüchtlinge und illegalen Einwanderer überforderten die Gemeinden. So werde Wohnraum für diese Gruppen zurückgehalten, der dann oftmals gar nicht genutzt werde. Dieser meist preiswerte Wohnraum fehle so schlicht und einfach auf dem sowieso angespannten Wohnungsmarkt. "Unsere Kommunen machen viel, aber es müsste viel mehr sein", so die einhellige Meinung.

Richter sieht gar einen Verlust in Bezug auf Menschlichkeit und Menschenwürde – auch in der Ortenau: "Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften müssen wieder gemeinnützig werden und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Mit gieriger Profitsucht und ungezügelter Globalisierung muss Schluss sein."

Wer helfen will, kann den Förderverein Pflasterstube und die AGJ-Wohnungslosenhilfe mit einer Geldspende auch direkt unterstützen. Die Kontodaten finden sich auf den Webseiten des Vereins und des Fachverbands. Jede noch so kleine Spende ist willkommen, wie die Verantwortlichen betonen.

Weitere Informationen:

- www.pflasterstube.de

- www.agj-freiburg.de

INFO

Pflasterstube

Das Ziel ist die Schaffung einer Einrichtung für schwerkranke und sterbende Wohnungslose. "Diese können sich an die Ordnungen in normalen Pflegeheimen aufgrund ihrer Anamnese nicht gewöhnen, wir wollen ihnen einen Raum bieten, in dem sie sich wohlfühlen und trotzdem ausreichend betreut werden", heißt es auf der Homepage. Um das Ziel zu erreichen, brauche es noch viele Überzeugungsarbeiten. Gegründet wurde die Pflasterstube von Wilhelm Rosenberg. Als er Mitte der 90er-Jahre ins Offenburger St. Ursula-Heim kam, habe er es nicht ertragen, wie unterversorgt seine Mitbewohner waren. So begann er, selbst Hilfe zu leisten, und nahm Kontakt zu Offenburger Allgemeinärzten auf. Mit Unterstützung der Bürgerstiftung St. Andreas wurden bei einem Neubau am St. Ursula-Heim ein Pflegebad, ein Krankenzimmer, ein Büro und ein Behandlungszimmer eingerichtet. Dort helfen ehemals von Wohnungslosigkeit Betroffene. Die medizinischen Leistungen werden durch den 2006 gegründeten Solidaritätsfonds finanziert, für den sich Offenburger Bürger verpflichten, für zwei Jahre in einer ihnen möglichen Höhe Geld zu spenden. Dazu kommen noch viele andere kleine und große Spenden – jedoch keine öffentlichen Gelder.