Kurz hinhalten und schon bezahlt: Gerade in Pandemie-Zeiten schätzen viele Ortenauer das bargeld- und vorallem kontaktlose Bezahlen mit ihrer Bankkarte.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Symbolfoto: Hildenbrand Foto: Lahrer Zeitung

Wirtschaft: Experte der Sparkasse Offenburg/Ortenau berichtet von der Abkehr vom Bargeld durch Corona

Offenburg (red/ma). Die Entwicklung hin zum bargeldlosen Bezahlen hält deutschlandweit an. Das zeigen die aktuellen Girocard-Zahlen für die Sparkassen-Finanzgruppe: Im April lag der Anteil der kontaktlosen Zahlungen bei rund 60 Prozent – wohl auch bedingt durch die Corona-Krise. Harald Kirschner, Experte für elektronische Bezahlverfahren bei der Sparkasse Offenburg/Ortenau, berichtet, wie sich der Trend in der Ortenau auswirkt.

Kartenzahlungen sind auf dem Vormarsch. Sind die regionalen Händler aber auch gerüstet?

Ja! Bei uns gab es in den vergangenen Wochen verstärkt Nachfragen insbesondere von Betrieben, die bislang noch keine elektronischen Zahlungslösungen installiert hatten. Vor Corona benötigten sie kein "Electronic Cash"-Terminal, weil die Nachfrage der Kunden nach elektronischen Zahlungen zu gering war. Mit Corona hat sich das massiv verändert, da sowohl die Händler als auch deren Kunden erkannt haben, wie einfach, schnell und hygienisch kontaktlose Zahlungen funktionieren. Die Händler weisen explizit und prominent darauf hin, dass sie vorzugsweise Zahlungen mit Karte wünschen. Gerade bei Kleinbeträgen, zum Beispiel beim Bäcker, scheuten sich die Kunden in Zeiten vor Corona, mit Karte zu bezahlen. Jetzt berichten mir die Händler davon, dass sogar für die Brötchentüte häufig die Karte gezückt wird.

Wie hat sich regional der Anteil kontaktloser Zahlungen verändert?

Der Anteil von kontaktlosen Zahlungen über die Sparkassen-Terminals betrug an den Gesamt-Transaktionszahlen im vergangenen Jahr circa 17 Prozent. Im März 2020 ist dieser auf 29 Prozent angestiegen. Allerdings verzeichneten wir auch einen Rückgang der Gesamt-Transaktionszahlen. Insbesondere bei saisonabhängigen Betrieben aber auch im Gesundheitswesen und im kulturellen Bereich hatten fast ein Viertel unserer Händler große Umsatzausfälle am "Electronic Cash"-Terminal.

Demgegenüber gab es in den Betrieben, die noch geöffnet hatten, deutlich verstärkte Kartennutzungen insbesondere im Lebensmittelbereich aber auch bei Gärtnereien und Baumärkten. Im April verschlechterte sich die Lage deutlich – viele Betriebe mussten Einbußen zwischen 50 und 100 Prozent hinnehmen. Gegenüber den Referenzwerten der Gesamttransaktionszahlen verzeichneten wir bei den Händlern zwar insgesamt nur einen Rückgang von rund neun Prozent, allerdings aufgrund der weiter verstärkten Karten- statt Barzahlung der Konsumenten. So stieg auch die Quote des kontaktlosen Zahlens im April auf fast 40 Prozent. In den geöffneten Betrieben gab es weiter deutliche prozentuale Zuwächse.

Also ein anhaltender Trend?

Die Disziplin der Zahler ist sehr gut. Immer mehr Menschen erkennen, dass das eine gute Sache ist, wenn man nichts mehr aus der Hand geben muss. Mit der Anhebung der Betragsgrenze zum kontaktlosen Zahlen ohne PIN-Eingabe auf 50 Euro – bisher 25 Euro – wird das sicher auch noch weiter gefördert. Bei den Bargeldabhebungen berichten die Kollegen von einem gegenläufigen Trend. So wurde im April 2020 rund 30 Prozent weniger Bargeld abgehoben als im gleichen Monat des Vorjahres.

Wie steht es ums Bargeld auch als zukünftiges Zahlungsmittel?

Im europäischen Vergleich gelten die Deutschen ja bis heute als treue Bargeld-Anhänger mit großer Hingabe zur Bargeldzahlung. Die Corona-Pandemie könnte dieser Liebe in den nächsten Jahren einen ordentlichen Knacks verpassen. Ausgelöst durch die aktuellen Sicherheitsmaßnahmen und Hygienevorschriften ist in den nächsten Jahren von einer Trendwende auszugehen, die unter normalen Umständen deutlich länger dauern würde. Nach dem Corona-Ende wird eine Vielzahl der Kunden ihr geändertes Bezahlverhalten beibehalten.

Müssen wir uns dann bald komplett von Scheinen und Münzen verabschieden?

Eine vollständige Bargeldablösung sehe ich allerdings noch lange nicht. Dafür müsste zuerst einmal bei allen Banken Einigkeit über die Konditionen herrschen. Elektronische Zahlungssysteme liegen immer in den Händen der Kreditinstitute, die diese gemeinsam betreiben. In Deutschland gibt es circa 1800 Banken – zum Vergleich in Schweden nicht einmal ein Prozent davon. Es versteht sich von selbst, dass dort die Abstimmung für ein gemeinsames System deutlich einfacher ist.

Elektronische Zahlmethoden liegen im Trend – auch in Lahr. Immer mehr Geschäfte bieten Kartenzahlung auch bei Kleinstbeträgen an. Das ist für viele deutlich hygienischer als wenn Geldscheine von einer in die andere Hand wechseln. Der Kohler-Edekamarkt im Einkaufsareal Arena geht noch einen Schritt weiter: Dort können Kunden die Waren nun selbst einscannen (wir berichteten) – der Kontakt an der Kasse kann also noch weiter minimiert werden. Wer möchte kann aber auch weiterhin das klassische Bezahlerlebnis haben. In beiden Fällen bleiben die Kunden bei der Art der Zahlung frei – auch die neuen Geräte akzeptieren Münz- und Scheingeld.