Berichteten über die Grenzpendler(von links): Matthias Kirch, Personalentwickler beim Europa-Park, Simon Kaiser und Pascale Mollet-Piffert (beide IHK), Andreas Truttenbach, IHK-Vizepräsident und RMA-Chef, Rolf Kaufmann, Zehnder-Personalchef sowie Norbert Uphues, IHK-Referent. Foto: Armbruster Foto: Lahrer Zeitung

Wirtschaft: Industrie- und Handelskammer stellt Studie vor / "Franzosen für heimische Firmen lebenswichtig"

Die Wirtschaft auf der deutschen Rheinseite braucht Mitarbeiter aus dem Elsass. Rund 12 000 pendeln derzeit herüber. Die IHK würde diese Zahl gerne weiter erhöhen und hat Ergebnisse einer Studie über elsässische Grenzgänger vorgestellt.

Offenburg. Fachkräftemangel in Deutschland und ein Überschuss an Arbeitssuchenden in Frankreich – was liegt näher, als beides zusammenzubringen? Nach einem stetigen Rückgang steigt die Zahl der in Deutschland arbeitenden Elsässer seit 2013 wieder an. 2017 waren es immerhin rund 12 000, die in Frankreich wohnten und in Deutschland arbeiteten.

Die Zahlen stellte Norbert Uphues, Referent für Verkehr, Konjunktur und Statistik bei der IHK Südlicher Oberrhein, bei einem Pressetermin vor. Die Industrie- und Handelskammer hatte – angeregt durch die Grenzschließung im März – eine Analyse der Pendlerzahlen in Auftrag gegeben. Das sollte die Bedeutung der elsässischen Arbeiter deutlich machen, erklärte IHK-Vizepräsident Andreas Truttenbach. Er selbst ist Chef der Firma RMA Pipeline Equipment in Kehl – mit rund einem Viertel französischer Mitarbeiter.

Pendler werden im Schnitt immer älter

Die Analyse zeigt "erwartbare Ergebnisse", so Uphues. Grenznahe und verkehrstechnisch gut angebundene Gemeinden seien Spitzenreiter. Alleine nach Kehl pendeln mehr als 2600 elsässische Beschäftigte. Doch auch Lahr, Neuried und Rust sind attraktive Arbeitsorte für unsere französischen Nachbarn.

Ein Blick in die Entwicklung der Altersstruktur der Beschäftigten gibt jedoch Anlass zur Sorge: "Das Problem des demografischen Wandels vollzieht sich auch in Frankreich", erläuterte Uphues. Die elsässischen Arbeitskräfte werden im Schnitt immer älter, jüngere Jahrgänge kommen nicht ausreichend nach. Sollte also in den kommenden Jahren ein großer Schwung der ältesten Gruppe in Rente gehen, könnte das für die regionale Wirtschaft zum Problem werden, so Uphues.

Aus den Ergebnissen der Analyse habe die IHK vier Handlungsfelder – gleichwohl Forderungen an die Politik – abgeleitet, erklärte Truttenbach. Diese seien nicht alle ganz neu, man arbeite durchaus schon seit Jahren daran, wolle diese aber nun verstärkt angehen:

Wirtschaftsraum: "Die Situation im Frühjahr hat uns vor Augen geführt, wie wichtig die Pendler aus dem Elsass sind", erklärte Truttenbach im Hinblick auf die Grenzschließung Mitte März. Eine ähnliche Situation könne für manche Unternehmen existenzbedrohend sein. "Eine Grenzschließung sollte daher das allerletzte Mittel sein", so Truttenbach.

Verkehr und Mobilität: "Da, wo es Brücken gibt, sind die Zuwächse stärker ausgefallen", betonte Truttenbach. Die Tramverbindung zwischen Straßburg und Kehl nannte er ein Erfolgsmodell. "Nur die Anbindung von der Tram-Station an die Arbeitsplätze ist noch wichtig", erklärte der Unternehmer. "Viele französische Mitarbeiter haben kein eigenes Auto und sind auf den ÖPNV angewiesen." Wichtig sei auch, die bestehenden Brücken instandzuhalten. "Eine Unterbrechung einer Verbindung kann zu erheblichen Ausfällen führen", betonte er.

Ausbildung: "Am Image der dualen Berufsausbildung in Frankreich müssen wir noch arbeiten", erläuterte Simon Kaiser, Leiter des Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung der IHK. Das Modell gebe es in Frankreich nicht, dort laufe vieles über schulische Ausbildungen. Der praktischere deutsche Ansatz habe daher den Ruf einer schlechteren Ausbildung. "Da sind wir bei unseren Nachbarn unterwegs und leisten Überzeugungsarbeit", so Kaiser. Auch die Anerkennung von französischen Qualifikationen in Deutschland sei zunehmend ein Problem.

Sprache: Die abnehmenden Sprachkenntnisse stellen ebenso ein Problem dar, erläuterte RMA-Chef Truttenbach. Früher sei das kein Problem gewesen, da viele Pendler elsässisch sprechen konnten. "Die jungen Leute wollen keinen Dialekt mehr sprechen", konstatiert er. Mittlerweile bieten manche Unternehmen Sprachkurse an. "Da müssen wir dran bleiben", so der IHK-Vize.

Die französischen Mitarbeiter, etwa im Europa-Park, bei Zalando in Lahr und Herrenknecht in Schwanau, dürfen trotz Corona-Pandemie aktuell weiter über die Grenze pendeln. Entsprechende Regelungen hatte es auch zu Hochzeiten der ersten Corona-Welle gegeben. An der Grenze mussten sich die Pendler allerdings ausweisen.