Gewerkschaft: Delegierte des Offenburger Verbands diskutieren hitzig / Mehr Geld in Kfz-Betrieben

Bei der jüngsten Delegiertenversammlung der IG Metall in Offenburg kam es zu hitzigen Diskussionen. Der Grund: Die Gewerkschaft will sich jetzt auch verstärkt für Nicht-Mitglieder öffnen. Bei den Debatten entlud sich da einiges an Frust.

Offenburg. Die deutschen Gewerkschaften haben ein Problem: Der Organisationsgrad der Beschäftigten nimmt in vielen Betrieben ab. Immer weniger Beschäftigte sind gewerkschaftlich organisiert. Das reduziert nicht nur die Schlagkraft bei Aktionen, sondern auch das Gewicht, welches die Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen in die Waagschale werfen können. Die IG Metall Offenburg begegnet dieser Herausforderung nun mit einer neuen "betriebspolitischen Strategie". Für diese sprach sich trotz Diskussionen eine große Mehrheit der Delegierten bei der jüngsten Sitzung aus.

Man wolle nun alle Kollegen, auch solche welche keine Mitglieder sind, stärker in die Gewerkschaftsaktivitäten einbeziehen, erklärt Norbert Göbelsmann, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Offenburg. "Damit sie von Zuschauern zu Handelnden in eigener Sache werden", so der Gewerkschaftsfunktionär. Das sei die Essenz eines zuvor abgehaltenen Workshops. Die "betriebspolitische Strategie" soll in Zukunft den Slogans "Wir bewegen etwas mit denen, die etwas bewegen wollen" und "Wer uns anruft, dem helfen wir" sein. Das bedeutet jedoch, dass auch Nicht-Mitglieder noch mehr von den Erfolgen der organisierten Arbeitskollegen profitieren würden. Das stieß bei einigen der Delegierten in der Versammlung auf Unverständnis.

Appell an das schlechte Gewissen

Da wetterte etwa ein Redner über die "nicht-wertschöpfenden" Mitarbeitern, dem "Wasserkopf" an Angestellten in seinem Betrieb, die sich nicht motivieren lassen würden, sich zu engagieren, jedoch von erstrittenen Rechten profitieren würden. "Irgendjemand macht aber die Arbeit", mokierte ein Anderer. Genau darüber müsse man aufklären, so ein dritter Diskussionsteilnehmer. Hier müsse man mehr an das schlechte Gewissen der Nicht-Mitglieder appellieren. Aber: "Wir sind Arbeitnehmervertreter. Das heißt, alle Kollegen müssen von uns vertreten werden", so einer der Wortbeiträge. "Ich finde, die müssen wenigstens ein bisschen Druck spüren", ein anderer. Zwischenzeitlich forderte Ahmet Karademir, erster Bevollmächtigter der IG Metall Offenburg, zu einer "sachlichen, ruhigen Diskussion" auf.

Nach einigem Hin und Her sprach sich am Ende jedoch ein Großteil der Delegierten für die neue Strategie aus. "Das hat doch mal richtig Leben in die Bude gebracht", so Göbelsmann und sprach sich nochmals für die Öffnung auf: Man habe als Gewerkschaft nur eine Chance, "wenn Beschäftigte das Gefühl haben, gemeinsam etwas bewegen zu können". Auch Karademir schloss sich dem an: "Wir wollen erreichen, dass Beschäftigte gemeinsam aktiv werden statt Zuschauer der Gewerkschaft und des Betriebsrats zu sein. Wenn die Menschen aktiv mitgestalten, erreichen wir mehr", erklärte der erste Bevollmächtigte.

Neben der Abstimmung über die neue Strategie berichtete Karademir über die Tarifrunde 2020 in der Metall- und Elektroindustrie. "Bereits jetzt werden die Weichen für die Forderung gestellt, daher ist eine rechtzeitige Planung besonders wichtig."

Einen Erfolg bei den Verhandlungen im Bereich Handwerk gab es zu verkünden: Die Löhne und Gehälter steigen rückwirkend zum 1. Juni um 2,7 Prozent, mindestens jedoch um 80 Euro. Zum 1. August 2020 steht die zweite Erhöhung um weitere 2,6 Prozent an, ebenso mindestens um 80 Euro. Auszubildende und untere Einkommen profitieren überproportional.