Achim Feyhl ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe im Ortenaukreis (AGBO) Foto: Merck

Behindertenorganisation bemängelt Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Eigene Berater kommen

Ortenau - Behördendeutsch ist keine einfache Sprache. Gesetze sind weder leicht zu lesen, zu verstehen und selten einfach umzusetzen. Das gilt auch für das Bundesteilhabegesetz. Damit es regional funktioniert, setzt sich eine Arbeitsgemeinschaft ein.

"Im Prinzip", so Achim Feyhl, "ist das eine gute Sache". Das 2016 verabschiedete Bundesteilhabegesetz, kurz BTHG, soll das Recht auf Selbstbestimmung "von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen" stärken. Daher fördert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales "eine von Leistungsträgern und Leistungserbringern unabhängige ergänzende Beratung als niedrigschwelliges Angebot, das bereits im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen zur Verfügung steht". Das klingt einleuchtend, denn der Dschungel an Mitwirkenden und deren Rechte und Möglichkeiten, wenn es um Hilfe für Behinderte geht, ist nahezu undurchdringbar.

Warum das so ist, zeigt Feyhl, Vorsitzender des Vereins Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe im Ortenaukreis (AGBO), anhand eines kleinen Beispiels. "Allein, wenn es ums Wohnen geht, müssen die Betroffenen einen Antrag auf Grundsicherung stellen sowie Wohngeld und Eingliederungshilfe beantragen." Das sei generell ein schwieriges Unterfangen. Kommen weitere Aspekte hinzu, werde es komplett unübersichtlich, findet Feyhl: "Ich habe in meinem Leben noch nichts Komplexeres als die Sozialgesetzgebung gesehen – ein Dschungel." Daher auch sein Urteil über das BTHG: "Gut gemeint, aber nicht durchdacht." Zumal es nicht eine Stelle für alle Anträge gibt, sondern jeder Träger, jedes Amt für sich entscheidet – und andere Fristen hat oder Unterlagen benötigt.

Kampf gegen die Komplexität

Damit die Betroffenen, für die das Leben sowieso mit größeren Herausforderungen gespickt ist,Hilfe erfahren, will sich die AGBO kümmern. In den kommenden Wochen sollen drei Berater eingestellt werden, die voraussichtlich ab Juni als Lotsen durch den Beratungsdschungel zur Verfügung stehen. Denn so schwer das Gesetz auch zu verstehen sei, "man erreicht viel, wenn man hartnäckig ist", so Feyhl. Von den Betroffenen könne und dürfe man diese Hartnäckigkeit weder erwarten noch verlangen. Daher übernehme die AGBO diesen Job und damit den Kampf gegen die Komplexität.

Was den AGBO-Vorsitzenden ebenfalls ärgert: Die Zuordnung der Kosten, die aufgrund des BTHG entstehen. "Die für die Administration wurden weder thematisiert noch später eingerechnet, obwohl die Umsetzung einen Riesenaufwand bedeutet."

Die so genannte Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), die ab sofort von der AGBO angeboten wird, soll nicht nur niederschwellig sein – wie es das Gesetz fordert, sondern auch möglichst wohnortnah, damit der oder die Betroffene keine allzuweiten Wege fahren muss. "Wir sind nicht Berlin mit der Infrastruktur. Hier sind die Wege länger! Deswegen ist es bedauerlich, dass eine aufsuchende Beratung seitens des Ministeriums nicht finanziert wird." Gerade für Betroffenen im Schutter-, Kinzig-, Rench- oder Achertal käme so schon viel Fahrtzeit zusammen, wenn nur in Offenburg beraten werden würde. Wo genau die stattfinde, sei Sache bei der individuellen Terminvereinbarung. Da die Mitglieder der AGBO im ganzen Landkreis vertreten sind, seien letztlich viele Orte möglich.

Info: Sprachrohr

Die Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe im Ortenaukreis (AGBO) ist ein gemeinnütziger Verein von Behindertenorganisationen für psychisch Kranke sowie geistig und körperlich behinderte Menschen im Ortenaukreis. Ihr gehören unter anderem die Lahrer Werkstätten, der Club 82 aus Haslach und der Verein "Leben mit Behinderung Ortenau". 95 Prozent aller Menschen mit diesen Behinderungen im Landkreis werden eigenen Angaben zufolge durch die AGBO vertreten.

Weitere Informationen: www.agbo.info