Die Krankenhaus-Standorte in Offenburg, Lahr und Wolfach (Bild) scheinen sicher. Für alle anderen hat längst das große Zittern begonnen. Foto: Ortenau-Klinikum Foto: Lahrer Zeitung

Gesundheit: Neues Gutachten schreckt vor allem kleinere Standorte auf / Ausschuss berät am Donnerstag

Es braut sich etwas zusammen über der Klinik-Landschaft in der Ortenau. Zu erwarten sind gewaltige Donnerwetter und es rumort hinter den Kulissen bereits heftig. Die kleinen Krankenhäuser werden langfristig wohl im Regen stehen und dichtgemacht.

Ortenau. Kommende Woche, am Donnerstag, steht die nächste Sitzung des Kreistags-Ausschusses für das Krankenhauswesen an. Dort wird es erste Einblicke geben, wie sich die Leitung des Ortenau-Klinikums die Zukunft der neun Standorte vorstellt und was das mit Spannung erwartete Gutachten eines Fachbüros den Ortenauern rät. Vorab sickerte schon durch, dass mit gewaltig Ärger zu rechnen ist.

Wie ist die Ausgangslage?

Für die nächsten Jahre sind alle neun Standorte des Ortenau-Klinikums gesichert. Das wurde über das "Modell Landrat" geregelt. Doch wie es mittel- und langfristig im Verbund weitergehen wird, soll ein umfangreiches Gutachten, die "Agenda 2030" aufzeigen, das derzeit noch in den letzten Zügen liegt.

Was könnte passieren?

Grundsätzlich vieles. Als Standorte sind auf jeden Fall Offenburg, Lahr und Wolfach sicher, heißt es. Offenburg als Zentrum des Kreises, Lahr als zweite große Stadt und Wolfach, weil das Kinzigtal wegen der weiten Wege sonst nicht ausreichend versorgt wäre. Die weiteren Standorte Ettenheim, Kehl, Achern, Oberkirch und Gengenbach müssen aber bangen.

Was würde das für die Patienten bedeuten?

Für viele nichts Gutes. Bürger, die wegen Notfällen oder geplanten Behandlungen ins Krankenhaus müssen, hätten teils deutlich weitere Wege auf sich zu nehmen. In der südlichen Ortenau wäre dann Lahr die nächstgelegenste Anlaufstelle und nicht mehr Ettenheim.

Was würde eine Zentralisierung für das Personal bedeuten?

Auch wenig Gutes für viele Krankenschwestern, Pfleger und Mediziner. Viele müssten zu neuen Jobs in weiter entfernte Kliniken anreisen. Ob sie dies tun? Viele der dringend gebrauchten Mitarbeiter könnten abspringen und sich andere Arbeitsplätze suchen, fürchten Kenner der Situation. Pflegepersonal ist schon jetzt heftig gefragt.

Was ist bis jetzt bekannt?

Offiziell noch nicht viel. Mitglieder des Kreistags berichten, dass die endgültige Fassung des heißen Papiers noch nicht fertig sei. Doch in bisherigen Fassungen werde deutlich, dass Offenburg zum neuen Großzentrum werden solle und kleinere Kliniken deshalb verschwinden müssten. Kosten für ein solches komplett neues Mega-Krankenhaus: bis zu 500 Millionen Euro. So viel hat etwa auch das neue Klinikum in Villingen-Schwenningen gekostet, sagt FDP-Kreisrat Karlheinz Bayer.

Wie reagiert Lahr?

Hier rührt sich schon offener Widerstand. Der Gemeinderat will am Montag eine Resolution verabschieden, die von allen Fraktionen unterstützt wird. "Der Gemeinderat der Stadt Lahr wendet sich mit Entschiedenheit gegen die Bestrebungen des Ortenaukreises, in Offenburg ein Klinikum der Maximalversorgung einzurichten und dadurch den Status der Zentralversorgung des Klinikums Lahr in Frage stellen", heißt es darin. Die Fraktionen erinnern den Kreis an seine vertragliche Verpflichtung, "die Häuser in Lahr und Offenburg gleichrangig zu fördern". "Lahr besteht auf den Anspruch der Zentralversorgungsfunktion", betonen die Fraktionen. Sollte im Kreis ein Maximalversorgungsniveau angestrebt werden, sei dies auf Offenburg und Lahr zu verteilen.

Wie reagiert der Freundeskreis?

Der Freundeskreis des Lahrer Krankenhauses befürchtet "massive negative Auswirkungen" für den Standort Lahr, wenn der Kreis in Offenburg ein neues Zentralklinikum baut. Dem Klinikum Lahr drohe die Demontage, vom Niveau der Zentralversorgung auf ein Haus der Regelversorgung abgestuft zu werden. Als ein solches wäre es weder für Assistenz- und Oberärzte noch für Mitarbeiter der Pflege attraktiv.

Wie reagiert Ettenheim?

Bürgermeister Bruno Metz ist ein ausgewiesener Kenner der Krankenhaus-Materie, naturgemäß ein Verfechter des Ettenheimer Standorts – und als solcher höchstgradig alarmiert. Nach Informationen unserer Zeitung hat er diese Woche Brand-Mails an seine Kreistagskollegen aus der südlichen Ortenau sowie an Landrat Frank Scherer geschrieben. Zwar kenne er das Papier der Hamburger Berater Lohfert und Lohfert "nur auszugsweise". Doch was er weiß, "lässt nichts Gutes vermuten", so Metz auf Nachfrage. Offen sagt er: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Gutachter ausreichend die dezentrale Struktur des Ortenaukreises berücksichtigen." Und: "Noch hat mir niemand schlüssig die Vorteile einer Maximalversorgung darlegen können." Eine Großklinik in Offenburg würde mindestens den Abzug von Betten an den kleineren Standorten bedeuten.

Fürchtet Metz das Aus für Ettenheim?

"Für die nächsten zehn Jahre nicht, für alles danach macht sich der Kreis berechtigterweise Gedanken." Allerdings dürfe das Ergebnis nicht lauten, dass "das Tor zum Süden" (Metz) geschlossen wird. "Dafür werde ich kämpfen wie ein Löwe." Der Ettenheimer Gemeinderat soll – analog zu den Lahrer Kollegen – bei seiner Sitzung am kommenden Dienstag eine Resolution für den Erhalt des Klinik-Standorts auf den Weg bringen. Dabei dürfte er dank der Initiative von Metz die Nachbargemeinden hinter sich wissen.

Was sagen die niedergelassenen Ärzte im Kreis?

Sie sind ziemlich eindeutig gegen eine Zentralisierung der Kliniken. Bei einer Umfrage unter Allgemeinmedizinern im Landkreis sprachen sich so gut wie alle Ärzte für die Beibehaltung der jetzigen Standorte aus. Eine Zentralisierung lehnen die mehr als 200 Ärzte definitiv ab. Das würde die medizinische Versorgung massiv schwächen.

Das Gutachten, in dem die zukünftige Struktur des Ortenau-Klinikums konzipiert ist, wird am Donnerstag, 19. April, im Krankenhausausschuss vorgestellt. Die öffentliche Sitzung im Landratsamt Offenburg beginnt um 13 Uhr. Wie und ob das Gutachten dann am Ende umgesetzt wird, soll noch in diesem Sommer entschieden werden. Dieses Ziel hat Landrat Frank Scherer vorgegeben.