Offenburg/Gengenbach - Strafrechtlich verjährt Mord nie. Der Prozess um ein 23 Jahre zurückliegendes Tötungsdelikt in Gengenbach hat begonnen. Der 48 Jahre alte, türkische Angeklagte schilderte die Tat als Unfall. Er war jahrzehntelang abgetaucht.

Der Prozess wird vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts verhandelt. Die Anklage lautet auf Mord aus Habgier und niedrigen Beweggründen. Der Angeklagte befindet sich seit Juni in Untersuchungshaft. Sein größter Fehler sei gewesen, dass er das Messer aus der Küche genommen habe. Nach einer Diskussion, als beide ihre Trennung und Scheidung bereits beschlossen hatten und aus getrennten Urlauben in ihre Wohnungen nach Gengenbach zurückkamen, verließ er nicht wie nach solchen Streitereien üblich die Wohnung, sondern griff aus einem Reflex heraus nach dem Messer. "Ich wollte ihr Angst machen", sagte er. Seine Ehefrau sei auf ihn zugekommen und habe ihn an der Hand angefasst.

Der Angeklagte schilderte ein Gerangel. Seine Frau sei zurückgewichen und er ihr nachgegangen. "Dabei müssen wir über den Teppich gestolpert sein." Sie stürzte auf den Rücken, er fiel auf sie. Sie hörte auf zu kämpfen. Er sah dann nur noch Blut. Das Opfer hatte Schnittverletzungen an Ober- und Unterarmen und an den Handinnenflächen. Tödlich war ein Stich ins Herz, von oben gesetzt und mit Wucht ausgeführt, da das Messer mit einer Klingenlänge von 10,5 Zentimetern brach und eine Rippe verletzte. Dass sie tot war, sei ihm sofort klar gewesen, sagte der 48-Jährige. Er bedeckte die Leiche und versuchte, sich selbst zu töten, sich zu erhängen, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Er brachte es jedoch nicht fertig. Als die Polizei die Leiche fand, in der noch das Messer steckte, entdeckte sie auch eine Wäscheleine, die an einem Balken baumelte.

Da er kein Geld hatte, hob er 1000 Mark vom Konto der Getöteten ab

Der Angeklagte ging von der kleinen Dachgeschosswohnung in die im selben Haus von ihm bewohnte Einliegerwohnung. Er wollte nach Holland, wo er zuvor mit einem Freund Urlaub machte, erklärte er. Da er kein Geld hatte, ging er wieder in die Dachgeschosswohnung, suchte nach Bargeld und nahm die EC-Karte seiner Ehefrau, deren Passwort er kannte. Am Abend jenes 20. Juni 1996 hob er innerhalb von drei Minuten dreimal Geld ab – insgesamt 1000 Mark. In Holland angekommen, sah er am Bahnhof ein Hinweisschild zum Flughafen. Daraufhin flog er in die Türkei, in die zurückzukehren er wochenlang aus Angst zögerte.

"Es macht mich traurig, dass unsere Liebesgeschichte so endete", sagte der Türke, der sich nach eigenen Angaben in den vergangenen 23 Jahren den Vorfall nie verziehen hat. Bis zu dem Abend habe es nur verbale Auseinandersetzungen gegeben. "Es war eine große Liebe." Begonnen hatte die Beziehung in einem Türkeiurlaub des Opfers 1991. Die beiden schrieben sich anschließend und sahen sich in weiteren Urlauben der Frau wieder. 1994 heirateten sie in der Türkei. Anschließend kamen sie wegen einer Praktikumsstelle der Ehefrau in die Ortenau. Da der Angeklagte in der Türkei seinen Militärdienst noch nicht geleistet hatte, reiste er mit dem Pass seines Cousins aus. Als die Ehe in Deutschland bröckelte, zog es ihn wieder zurück. Er stamme aus guten Verhältnissen, hatte ein Boot in Bodrum, arbeitete als Bootsführer, erklärte er. Aus Angst vor einer Inhaftierung wegen des nicht geleisteten Militärdienstes zögerte er die Rückkehr jedoch immer wieder hinaus. "Zuletzt hatten wir eine Lösung gefunden." Sollte er in Haft kommen, würde seine Ehefrau ihm Geld geben, um sich freizukaufen.

"Wir haben uns freundschaftlich getrennt, wir wollten Freunde bleiben." Als sie ihm an jenem Abend auf sein Drängen berichtete, in ihrem Urlaub eine Affäre gehabt zu haben, sei er wütend geworden, hatte er vor dem Haftrichter geäußert, als er 23 Jahre nach der Tat festgenommen worden war. Wegen politischer Unruhen hatte er 2018 die Türkei verlassen. Für den Prozess sind sechs Verhandlungstage vorgesehen. Ein Urteil soll am 4. Dezember verkündet werden.

So geht's weiter

Für den Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Offenburg sind sechs Verhandlungstage vorgesehen. Ein Urteil soll dann am 4. Dezember verkündet werden.