Foto: Seeger Foto: Lahrer Zeitung

Kernkraftwerk auch nach Stilllegung vorerst gefährlich / Regionalverband wendet sich an Betreiber

Der Blick über die Grenze, auf das in die Jahre gekommene französische Kernkraftwerk Fessenheim, erfüllt auch in der Ortenau Menschen mit brennender Sorge. Die Ankündigung der Stilllegung bringt Erleichterung – das Risiko bleibt aber.

Fessenheim/Freiburg. Der Regionalverband Südlicher Oberrhein – darunter zahlreiche Vertreter aus der Ortenau – hat sich am Donnerstag zu den Risiken der Stilllegung der Fessenheimer Anlage informiert. Frankreichs ältestes Kernkraftwerk steht rund 54 Kilometer Luftlinie von Lahr entfernt, direkt am Rhein.

"Die Arbeit ist noch nicht vorbei", lautete der dringende Appell Rudolf Rechsteiners, Vorstandsmitglied des Trinationalen Atomschutzverbands (TRAS), an die Gemeindevertreter. Zwar habe die Betreibergesellschaft Électricité de France (EDF) Ende September angekündigt, dass Reaktorblock 1 im Februar und Reaktorblock 2 im Juni endgültig stillgelegt werden. Die Gefahr für die Region verschwinde jedoch nicht mit dem Ende der Stromerzeugung, erläuterte Rechsteiner.

Denn bis die radioaktiven Brennstäbe abgebaut werden können, dauere es nochmals Jahre. Ein Zeitraum, in dem es weiterhin zu einer Katastrophe kommen könnte: "Die alten Reaktorblöcke sind nicht flugzeugsicher gebaut", berichtete der Experte.

Auch eine Überflutung kann der Anlage zum Verhängnis werden: Bei Erdbeben könnten die veralteten Dämme eines nahegelegenen Kanals brechen – die Reaktoren seien dagegen nicht ausreichen geschützt, so Rechsteiner. "Wir haben im Oberrheingraben die höchste Wahrscheinlichkeit für Erdbeben nördlich der Alpen", gab er weiter zu bedenken. Einer der Zuhörer wollte das genau wissen: "Ab welcher Magnitude wird dem Kraftwerk ein Beben gefährlich?" Das sei nicht entscheidend, so Rechsteiner. "Die Frage ist, wo ist das Epizentrum?" Auch ein schwaches Beben könne schon zu Schäden führen.

Der Experte sah aber auch ein gewisses Know-How-Problem: Frankreich habe keine Erfahrung mit dem Rückbau großer Kernreaktoren, erläuterte der Schweizer. Er gehe von einer engen Zusammenarbeit mit deutschen Experten aus. Auch die TRAS will den Prozess weiter begleiten: "Wir möchten das Stilllegungskonzept für Fessenheim intensiv prüfen", so das Vorstandsmitglied.

Der Expertenbericht schien den Gemeindevertreter zu Denken zu geben: Ratsmitglieder sprachen von "vielen Unsicherheiten", weswegen der Regionalverband am Thema dranbleiben müsse. "Nachdenklich gemacht, hat mich die fehlende Erfahrung der Franzosen mit dem Abbau", äußerte Edith Schreiner, ehemalige Oberbürgermeisterin von Offenburg. Rusts Rathauschef Kai-Achim Klare betonte die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: "Ganz wichtig ist die überregionale Solidarität." Ein weiterer Rat bekannte freimütig: "Ich hatte bisher keine Ahnung, dass das Problem mit der Stilllegung noch nicht gelöst ist."

Laut Regionalverband wäre vorstellbar, dass es nach der Stilllegung des Kernkraftwerks zu einem personellen Engpass in Fessenheim und mangels Gewinnerwartung zu einer laxeren Betriebsführung kommen könnte. Einstimmig beschloss das Gremium die EDF und die französische Fachstellen aufzufordern, die Befürchtungen "nachweislich zu entkräften".

Der Trinationale Atomschutzverband (TRAS) setzt sich für den Schutz der Bevölkerung vor den Risiken der Kernenergie ein. Er wurde 2005 von Gemeinden aus dem Dreiländereck Frankreich, Schweiz und Deutschland gegründet. Der Regionalverband Südlicher Oberrhein ist seit 2016 Mitglied der grenzüberschreitenden Organisation.