Ortenau - Die Regierungskrise in Thüringen hat dramatische Folgen für die Spitze der Bundes-CDU. Die Parteichefin kündigt ihren Rückzug an. Was bedeutet das für die Union? Wir haben Ortenauer Christdemokraten danach gefragt.

Annegret Kramp-Karrenbauer will bis zum Sommer den Prozess der Kanzlerkandidatur organisieren, die Partei weiter auf die Zukunft vorbereiten und dann den Vorsitz abgeben. "Wie schätzen Sie diese Entscheidung ein und wie geht es für die CDU weiter?", lautet die Frage an die Ortenauer Christdemokraten.  

  • Peter Weiß,Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Lahr-Emmendingen,
ist überrascht, dass die CDU-Vorsitzende so klar entschieden und reagiert hat. "Es war immer eine Stärke der CDU, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft oder Kanzlerkandidatur bei einer Person lagen", so Weiß im Gespräch mit unserer Zeitung. Es könne auf keinen Fall auch eine Zusammenarbeit "mit einem Faschisten wie Björn Höcke" geben. Dass dies in Ostdeutschland wohl anders gesehen werde, habe auch damit zu tun, dass die geschichtliche Aufarbeitung des Dritten Reiches anders als in Westdeutschland verlaufen sei.
  • Thorsten Frei, CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Schwarzwald-Baar:
"Auch wenn der Druck in den letzten Tagen nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen enorm war, so hat mich die Ankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer am Montagmorgen überrascht." Es sei richtig, dass die Vorsitzende jetzt für klare Verhältnisse sorge. Die Entscheidung zum Verzicht komme zum richtigen Zeitpunkt. Die CDU habe im Umgang mit AfD und Linken insgesamt in der letzten Woche unglücklich agiert und bundespolitisch den maximalen Schaden aus der schwierigen Lage in Erfurt gezogen. Er habe großes Verständnis für jeden Bürger, der in den letzten Tagen den Kopf geschüttelt hat.
  • Volker Schebesta, CDU-Kreisvoritzenden und Landtagsabgeordneter:
"Mit ihrer Ankündigung ermöglicht Kramp-Karrenbauer der CDU nach den turbulenten letzten Tagen eine davon unbelastete neue Aufstellung." Mit Personalentscheidungen sei es aber nicht getan: "Um wieder mehr Vertrauen zu gewinnen, brauchen wir mehr Zusammenhalt in der Partei und ein besseres Erscheinungsbild der großen Koalition."
  • Marion Gentges, CDU-Landtagsabgeordnete für Lahr und das Kinzigtal,
respektiert die Entscheidung, die Annegret Kramp-Karrenbauer getroffen hat, und hält sie für ehrenhaft: "Sie bedeutet einen harten Schnitt, der es uns aber auch ermöglicht, die Partei nach den Ereignissen der vergangenen Woche in Thüringen wieder neu zu formieren." Über die Nachfolge zu spekulieren, sei momentan aus ihrer Sicht nicht angebracht.
  • CDU Lahr:
Weder von der örtlichen Vorsitzenden Annette Korn noch von CDU-Fraktionssprecherin Ilona Rompel waren am Montag Stellungnahmen zu bekommen.  
  • Sven Kehrberger, CDU-Ortsvorsteher im Gemeindeverband Schwanau,
schätzt die Arbeit der CDU-Vorsitzenden: "Auch wenn ich mir die Wahl von Friedrich Merz zum Bundesvorsitzenden der CDU gewünscht hätte." Als "starke Stimme der Wirtschaft" favorisiere er Merz auch für den Posten des CDU-Kanzlerkandidaten. Ansonsten seien die Vorgänge um die Erfurter Wahl noch im Detail aufzuarbeiten: "Wenn die CDU eine klare Linie fährt, kann sie den Schaden begrenzen", so Kehrberger.
  • Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner
betrachtet den Rücktritt als konsequent, weil sie keinen Rückhalt und kein Durchsetzungsvermögen bei den Flügeln der Union gehabt hätte. "Ich befürchte jetzt eine Spaltung der Unionsflügel, zwischen den eher moderaten Politikern und den Konservativen um die Werte-Union, die offen sind für die AfD-Zusammenarbeit. Wenn sich die Kräfte in der Union durchsetzen würden, die mit der AfD zusammenarbeiten wollen, wäre dies das Ende der Koalition.
  • Walter Caroli, früherer Lahrer Landtagsabgeordneter und SPD-Stadtrat,
sieht bei der CDU einen Neuanfang ohne AKK. "Den gesteckten Zeitplan bis in den Sommer zu halten scheint mir nicht möglich." Die CDU habe "keine Kopie von Angela Merkel" gewollt, jetzt sei Tacheles im Präsidium geredet worden.
  • Thomas Seitz, AfD-Bundstagsabgeordneter des Walkreises Lahr-Emmendingen:
"Annegret Kramp-Karrenbauer hätte die CDU von Merkel befreien und für neue Regierungsoptionen öffnen können. Sie hat aber weder diese Chance genutzt noch die Erwartungen von Merkel erfüllt. Die Preisgabe ihres Führungsanspruchs ist da nur konsequent." Solange die CDU weiter stramm nach links marschiere, sei für ihn ein Bruch der Großen Koalition unwahrscheinlich – CDU wie SPD drohten zu große Verluste.

Info: Karriereknick

Im März 2017 gewann Annegret Kramp-Karrenbauer die Landtagswahl im Saarland haushoch für die CDU. Im Februar 2018 wechselte sie nach Berlin, zunächst als CDU-Generalsekretärin. Als Merkel den Parteivorsitz aufgab, setzte sich "AKK" auf einem Bundesparteitag gegen den Konkurrenten Friedrich Merz als Nachfolgerin durch.