Maxime Klörs, Sebastian Bühler, Horst Sahrbacher, Rebekka Kamm, Jürgen Isenmann und Peter Sammer werben für die Umschulung: Sie gibt bislang ungelernten Beschäftigten neue berufliche Perspektiven und wird von der Arbeitsagentur bezuschusst. Foto: Kauffmann

Für ungelernte Angestellte kann eine Umschulung ganz neue Perspektiven eröffnen

Offenburg - Viele Betriebe in der Ortenau suchen Arbeitskräfte. Keine leichte Aufgabe, bedenkt man, dass im Kreis nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Die Arbeitsagentur Offenburg wirbt daher für eine alte neue Methode, Personal zu gewinnen: umschulen.

"Wir haben in der Ortenau eine Arbeitslosenquote von unter drei Prozent", stellt Horst Sahrbacher klar. Der Geschäftsführer der Arbeitsagentur Offenburg spricht in diesem Zusammenhang von "Vollbeschäftigung" und davon, dass sich der Fachkräftemangel auch aufgrund des demografischen Wandels weiter verschärfe, um im gleichen Atemzug eine Lösung dafür zu präsentieren: die Umschulung. Auch ältere Arbeitnehmer können dabei einen neuen Beruf erlernen. Das Potenzial sei vorhanden: Rund 24 500 Menschen ohne Berufsausbildung sind im Ortenaukreis derzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Und doch habe die Arbeitsagentur im vergangenen Jahr nur 89 von ihnen überzeugt, "dass es sinnvoll ist, eine Ausbildung zu machen". Gründe dafür liegen aus seiner Sicht auf der Hand: Bei den Betrieben gehe das Thema im Tagesgeschäft unter und unter den Arbeitnehmern würden die Hürden, wieder Azubi zu sein, als hoch empfunden. Nach Jahren ohne Schule, Prüfungen und Qualifizierungen, stellten sich die Menschen ohne Ausbildung oftmals Fragen, wie: "Schaffe ich das? Will ich das? Kann ich das?", bringt es Sahrbacher auf den Punkt. Die Versuchung sei groß, wieder bei einem Arbeitgeber anzufangen, bei dem man keine Ausbildung brauche. "Wir wollen diese Menschen überzeugen, eine berufliche Tätigkeit zu beginnen, die nicht dauernd von Arbeitslosigkeit unterbrochen ist", sagt Sahrbacher. "Wir wünschen uns, dass mehr Menschen kommen und sich dieser Aufgabe stellen."

Einer von ihnen ist der 33-jährige Sebastian Bühler aus Offenburg. Er hat es fast geschafft: Seine Ausbildung zum Kaufmann für Spedition- und Logistikdienstleistung ist in wenigen Wochen beendet.

Und das, obwohl er erst Sicherheitsingenieur werden wollte. Sechs Semester hat er an der Hochschule in Furtwangen studiert, abgebrochen und im Einzelhandel als ungelernte Kraft begonnen. Doch nach Jahren bemerkt er: "Ich habe mich gefragt, was ich erreichen will." Kann es das schon gewesen sein? Studium abgebrochen und den Rest des Lebens ungelernt bleiben?

Er entschied sich, seine Situation in die Hand zu nehmen, zumal er sich für Berufsfelder interessiert hat, für die eine Ausbildung zwingend ist. Nach der Beratung bei der Arbeitsagentur hat er einen neuen Weg gefunden: die Ausbildung beim Logistik-Dienstleister DSV Road in Lahr. Ein gutes Dutzend Bewerbungen habe er verschickt und zwei Zusagen bekommen. "Ich bereue es nicht und bin glücklich mit meiner Entscheidung", sagt er zurückblickend. Für seinen Vorgesetzten Maxime Klörs ist ein Azubi in diesem Alter Premiere. Dennoch bereut auch er die Entscheidung nicht, Bühler eingestellt zu haben.

Die Arbeitgeber einfach auch mal nerven

Ältere Auszubildende wüssten genau was sie wollten, sie seien sehr motiviert und zielstrebig. Im Hinblick darauf, dass DSV Road händeringend Personal sucht, sollen nun auch ältere Bewerber als Azubis ins Auge gefasst werden.

Jürgen Isenmann vom gleichnamigen Ingenieursbüro in Haslach ist einen ähnlichen Weg gegangen: Er hat erst vor wenigen Monaten die 36-jährige Rebekka Kamm eingestellt. Die Mutter zweier Kinder absolviert bei ihm eine Ausbildung zur Bauzeichnerin. "Es ist sehr schwer, da draußen Fachkräfte zu finden. Im Kinzigtal ist es noch schwerer als in Karlsruhe", sagt Isenmann. Auch er fasst deshalb neue Wege ins Auge, Personal zu gewinnen. Eine Situation, die für Menschen wie Kamm nicht ungünstig ist. Und doch hatte die 36-Jährige anfangs Bedenken: Wird sie die Schule schaffen? Wird sie noch genug Zeit für ihre Kinder haben? Doch schon nach den ersten Tagen hätten sich die Bedenken gelegt. Sie müsse ihre Zeit geschickter einteilen, "aber das geht", sagt Kamm.

Was sie Frauen mit Kindern empfehlen würde, die eine Ausbildung absolvieren wollen? "Sich auf keinen Fall entmutigen lassen. Und manchmal muss man die Arbeitgeber einfach auch mal nerven und mehrfach anrufen."

Firmen und Arbeitnehmer erhalten für die Umschulung finanzielle Unterstützung von der Arbeitsagentur. Diese bezahlt dem Arbeitgeber die Hälfte des Azubi-Bruttogehalts. Zudem bekommen die Arbeitnehmer einen Zuschuss zum verhältnismäßig geringen Gehalt eines Auszubildenden. Die Höhe dieses Zuschusses orientiert sich am Gehalt bei der vorigen Arbeitsstelle und an der individuellen Lebenssituation.