Die DRK-Rettungskräfte sind ehrenamtlich im Einsatz, um anderen zu helfen. Gerade bei Großveranstaltungen mit Alkohol sehen sich aber immer häufiger Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt. Foto: Vichra Foto: Lahrer Zeitung

Gesellschaft: Beleidigungen und Bedrohungen sind keine Ausnahme mehr / Meist ist Alkohol im Spiel

Sie wollen anderen helfen, sehen sich dabei aber Beleidigungen, Bedrohungen oder sogar Angriffen ausgesetzt: Ihre Mitarbeiter seien bei größeren Veranstaltungen wie an der Fasent immer öfter auf die Hilfe der Polizei angewiesen, berichtet das DRK.

Südliche Ortenau/Nördlicher Breisgau. Das DRK Kenzingen ist viel unterwegs , unterstützt auch andere Ortsvereine bei größeren Veranstaltungen – besonders jetzt in der Fasentzeit. In den vergangenen Jahren waren damit aber auch viele negative Erfahrungen verbunden, berichtet Kenzingens DRK-Vorsitzender Diethelm Scholle. Dieses Jahr seien Rettungskräfte bei einem Umzug mit Laserpointern angegriffen worden. Es gab Beschimpfungen und Beleidigungen. Zwei Jahre zuvor sei es gar zu einem tätlichen Angriff gekommen, die Einsatzkräfte mussten sich im Rettungswagen verschanzen. Der Grund: Die DRK-Mitarbeiter wollten sich um einen Besucher kümmern, der sich die Hand gebrochen hatte. Seine sieben Kumpels wollten das aber nicht. Warum, das wurde beim Eintreffen der dazugerufenen Polizei klar. Der Verletzte wurde per Haftbefehl gesucht.

Mangelnder Respekt den Rettungskräften gegenüber ist jedoch kein reines Fasent-Phänomen, die DRKler haben damit seit fünf bis zehn Jahren bei jeder größeren Veranstaltung zu kämpfen – immer dort, wo viel Alkohol ausgeschenkt wird und der Täter meint, in der Menge anonym zu bleiben.

Eine Entwicklung, die auch Scholles Kollegen in der Ortenau nicht fremd ist. "Insbesondere verbale Entgleisungen gegen Rettungskräfte haben in den vergangenen Jahren zugenommen", sagt Klaus Zapf vom DRK-Rettungsdienst Ortenau. Besonders respektlos gehe es bei Großveranstaltungen zu, "wo aufgrund des Alkohols bei manchen ein Stück weit der gesunde Menschenverstand aussetzt".

Aber nicht immer sind Alkohol und vermeintliche Anonymität die Ursache für das schlechte Benehmen: Auch abseits von Feiern haben die DRK-Einsatzkräfte mit mangelnden Respekt zu kämpfen, Stichwort Gaffer bei Unfällen. "Dass man sich in so einer Situation hinstellt, fotografiert und die Sanitäter sogar bei ihrer Arbeit behindert, zeigt eine unglaubliche Respektlosigkeit", erklärt Zapf.

Statistisch belegbar ist der Respektsverlust aber nicht, "da aggressives Verhalten nicht zwingend in Taten mündet, die zu Strafermittlungen führen", erklärt Jerry Clark vom Polizeipräsidium Freiburg. Denn tätliche Angriffe auf Rettungskräfte seien glücklicherweise weiterhin selten. Der Kreisverband Lahr verzeichnete in den vergangenen zwei Jahren fünf Fälle und auch Yannik Hilger vom Polizeipräsidium Offenburg spricht "von einer Zahl im einstelligen Bereich", die sich in den vergangenen fünf Jahren nicht erhöht habe. Im Kreis Emmendingen sind 14 tätliche Angriffe für 2016 und 2017 auf Angehörige aller Rettungsdienste verzeichnet.

Eigenschutz geht vor Hilfe am anderen

Dass der Respekt gegenüber den Rettungskräften fehle, sei ein gesellschaftliches Problem, sind sich sowohl Zapf als auch Scholle sicher. Die Streithähne sind besonders bei der Fasent selten die Einheimischen. Oftmals reisten die Täter aus Städten an, weil sie davon ausgingen, auf dem Land wären die Sicherheitsvorkehrungen schwächer. "Mit Fasent oder Brauchtum haben die meist gar nichts am Hut. Die kommen gezielt hierher, um sich daneben zu benehmen", erklärt der Kenzinger DRK-Leiter.

Wie reagieren die Sanitäter darauf, wenn sie helfen wollen, aber mit Beleidigungen zu kämpfen haben? Scholle bereitet seine Einsatzkräfte in Schulungen gezielt darauf vor, dass sie in solche Situationen geraten können – und weist sie an, sich deeskalierend zu verhalten. Zudem gelte ganz klar die Parole "Eigenschutz geht vor Hilfe": Wenn die Gefahr bestehe, attackiert zu werden, werde sofort die Polizei gerufen, die bei den meisten Großveranstaltungen bereits vor Ort sei und schnell eingreifen könne.

Scholle lobt ausdrücklich die gute Arbeit der Polizei, die bei Fasent und anderen Großveranstaltungen stets starke Präsenz zeige und somit sowohl Einsatzkräften als auch Feiernden ein extremes Gefühl der Sicherheit vermittle. Aber dennoch: "Es ist schade, dass es oftmals nur so geht. Letztendlich sind es die Vereine, die immer höhere Auflagen erfüllen müssen, was ihnen immer schwerer fällt." Zu sehen wie letztendlich das Brauchtum darunter leidet, tue ihm im Herzen weh, sagtScholle. Er fordert härtere und konsequentere Strafen für die, die sich bei Feiern nicht zu benehmen wissen.

Dass manche Feiernden auf Ärger aus sind, trifft nicht nur die Rettungskräfte, sondern auch die Feiernden. Was Scholle besonders schockiert: "Es gibt für uns mittlerweile keine Großveranstaltung mit Alkohol mehr, bei der wir nicht mindestens einen Fall hätten, bei dem jemanden K.o.-Tropfen ins Glas gekippt wird." In der Ortenau sei das Problem noch nicht so stark verbreitet, berichtet Zapf. Aber dennoch: Oft reichten Sekundenbruchteile der Unaufmerksamkeit aus. Scholle rät deshalb besonders Mädchen und Frauen ihre Getränke niemals aus den Augen zu lassen – und bittet alle Feiernden aufeinander zu achten. Wenn man bemerke, dass es jemanden nicht gut geht oder er sich in einer schwierigen Situation befindet, solle man Rettungs-, Sicherheitsdienst oder die Polizei rufen – unabhängig davon, ob man die Person kennt oder nicht.