Beantworteten auch Publikumsfragen (von links): Joachim Fischer, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Moderatorin Sarah Wist, Minister Manfred Lucha, Landrat Frank Scherer, Amtsleiterin Evelyn Bressau und Moderator Johannes Nöldeke Foto: Armbruster

Agenda 2030: Behörde stellt Ergebnisse der Bürgerbeteiligung vor / Lucha: "Leuchtturm-Landkreis"

Offenburg - Wie soll die Gesundheitsversorgung im Kreis künftig aussehen? Fast 1000 Vorschläge hat das Gesundheitsamt dazu gesammelt. Am Montag stellte Leiterin Evelyn Bressau die Ergebnisse vor. Mit dabei war Sozialminister Manfred Lucha (Grüne).

Klinikreform ist Ausgangspunk der Planungen 

"Es geht um die Frage, wie man die stationäre Krankenhausversorgung, ambulante Angebote und die notärztliche Versorgung am besten miteinander verzahnt", fasste Landrat Frank Scherer am Montagvormittag zusammen. Sein Amt hatte zum Forum mit dem sperrigen Thema "Sektorenübergreifende Versorgung" eingeladen. Zahlreiche Kreisräte, Bürgermeister sowie Vertreter von Krankenkassen und Verbänden waren gekommen.

Ausgangspunkt für die Planung ist die 2018 vom Kreistag beschlossene Klinikreform Agenda 2030. Sie sieht vor, dass die stationäre Versorgung an den Klinikstandorten Achern, Offenburg und Lahr zentralisiert sowie kleinere Häuser in Ettenheim, Kehl und Oberkirch geschlossen und umfunktioniert werden sollen. Zur Erinnerung: Das Thema Agenda 2030 hatte immer wieder zu heißen Diskussionen geführt. Häufig waren die Finanzierung der Reform oder fehlende Nachnutzungskonzepte für die zu schließenden Häuser Anlass für heftige Kritik.

Fast 1000 Wünsche an das Gesundheitsamt

Seit 2018 hat das Gesundheitsamt Haus- und Fachärzte, Gemeinden sowie die Bürger gefragt, was sie sich von der Reform der Klinikstruktur im Kreis erhoffen. Höhepunkt waren sechs sogenannte Strukturgespräche – Mitmachangebote an die Ortenauer – bei denen jeder seine Vorstellungen hat einbringen können. Am Montag präsentierte Evelyn Bressau, Chefin des Ortenauer Gesundheitsamts, exemplarisch einen Auszug der rund 940 Wünsche und Anregungen, die Grundlage für Handlungsempfehlungen an die Kreispolitik geworden sind.

"Vielen Bürgern war nicht klar, dass sie heute schon im Notfall zu den besten Spezialisten gebracht werden", erläuterte Bressau. Dabei spiele es keine Rolle, welche Klinik tatsächlich die nächste sei. Auch Anlaufstellen wie der kassenärztliche Bereitschaftsdienst seien vielen unbekannt gewesen. "Wichtig ist für die Zukunft, dass der Bürger auch weiß, wo er hin muss", so Bressau. Darum habe ihr Amt als eine erste Maßnahme auch eine in drei Sprachen erhältliche Info-Broschüre herausgebracht.

"Natürlich war auch die Agenda 2030 ein großes Thema", berichtete Bressau. Viele Bürger wollten bei der Konzeption der Klinik-Neubauten einbezogen werden. Ein weiterer Wunsch in dem Zusammenhang waren Konzepte für chirurgische Notfälle – den klassischen "blutenden Finger" – in der Nähe des eigenen Wohnorts.

Minister lobt das Vorgehen in der Ortenau

Sogenannte Patientenlotsen sollten zudem in Ergänzung zum Hausarzt helfen, dass Patienten "die richtige Behandlung zur richtigen Zeit am richtigen Ort bekommen". Bressau übergab die erarbeitenden Handlungsempfehlung inklusive aller 942 Anregungen an Minister Lucha und Landrat Scherer und betonte: "Es ist nichts verloren gegangen." Angesprochen auf ihr persönliches Fazit, erklärte Amtsleiterin Bressau: "Ich bin ein Fan von Bürgerbeteiligung geworden."

Von der "aktiven Bürgerbeteiligung" zeigte sich Sozialminister Manfred Lucha begeistert: "Die Gesundheitsversorgung ist ein zutiefst demokratischer Prozess", betonte er. Hier seien die Bürger als Experten in eigener Sache gefragt gewesen die Politik aktiv zu gestalten. Das Land habe die Strukturgespräche auch gerne gefördert, darum werde man auch noch bis März gemeinsam am Ball bleiben.

Eines sei dabei deutlich geworden: "Das Entscheidende ist nach wie vor, der ambulante, niederschwellige Zugang für die ersten Leistungen", so Lucha. Die Menschen wollten nicht "von Pontius zu Pilatus" geschickt werden, sondern eine möglichst wohnortnahe Anlaufstelle bei gesundheitlichen Fragen. "Sie sind ein Leuchtturm-Landkreis", erklärte Lucha weiter. "Sie sind der beste Beweis dafür, dass das Geld des Landes gut angelegt ist."

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung inklusive einer anschließenden Podiumsdiskussion ist auf der Facebook-Seite des Ortenaukreises www.facebook.com/ortenaukreis abrufbar.

Wenig konkret

Die Bürgermeister Bruno Metz (Ettenheim, CDU) und Kai-Achim Klare (Rust, SPD) wollten es in einer Fragerunde genau wissen. Die CDU- und SPD-Fraktionen im Kreistag hatten vergangene Woche ein Konzept für "Gesundheitszentren" als Nachnutzungsoption für die zu schließenden Krankenhäuser vorgestellt (wir berichteten). "Wo konkret greift uns das Land unter die Arme?", wollte Metz mit Blick auf die angekündigte Förderung der "sektorübergreifenden Versorgung" wissen. In seiner Antwort blieb Minister Lucha vage: Dazu müsse man den Bedarf am Standort ganz genau anschauen, so Lucha. "Können wir heute verabreden, wie wir nun weitermachen?", wollte der Ruster Rathauschef wissen. Einen zeitlichen Umsetzungsrahmen nannte Lucha nicht. "Ihr müsst uns einfach nerven, wir nerven dann die anderen", riet der Minister.