Wird aktuell noch am Landgericht verhandelt: Im Zusammenhang mit dem Offenburger Kreiselmord haben Einsatzkräfte der Polizei auch einen nahegelegenen Flusslauf nach Hinweisen durchsucht. Archivfoto: Goltz Foto: Lahrer Zeitung

Justiz: Akten werden bald nur noch elektronisch geführt / Spektakuläre Verhandlungen

Krabbeltiere im Döner, fehlende Richter, ein rasanter Anstieg der Diesel-Klagen – das alles waren Themen mit denen sich das Landgericht Offenburg im vergangenen Jahr beschäftigen musste.

Offenburg (red/ma). Neben kuriosen und dramatischen Fällen aus dem vergangenen Jahr berichteten Gerichtspräsident Christoph Reichert und Pressesprecher Rüdiger Moll am Mittwoch unter anderem vom Richter-Mangel am Offenburger Landgericht und der Einführung der "elektronischen Akte" (E-Akte).

  Zwei Richter fehlen: Zwar seien die Auswirkungen des Einstellungsprogramms des Landes auch am Landgericht zu spüren, so Reichert, trotzdem fehle es an zwei Richtern. "Insbesondere im Strafbereich", erklärt Pressesprecher Moll. Die Ursache: Im vergangenen Jahr sei es zu einem rasanten Anstieg schwerer Straftaten gekommen. Im Vergleich zu 2017 habe sich die Zahl der Fälle auf zwölf verdreifacht. "Woran das liegt, weiß ich nicht", so Moll. "Wir hoffen, dass das nur ein Ausreißer war", ergänzt sein Vorgesetzter. Schwurgerichtsverfahren, also alles, was mit Tötungsdelikten zu tun habe, seien generell sehr aufwendig. Im vergangenen Jahr sei es sogar zu Engpässen beim Wachpersonal gekommen, da so viele schwere Verbrechen verhandelt worden seien. "Bisher werden die Mehrheit der Engpässe von Kollegen übernommen", erklärt der Gerichtspräsident auf Nachfrage.

Gericht ohne Papier: Die E-Akte soll zukünftig landesweit dem Papierwust ein Ende machen. Bisher sei es für Anwälte und Bürger bereits möglich den sogenannten "elektronischen Rechtsverkehr" zu nutzen, erklärt Reichert. Damit könnten Anträge, Klagen und Beschwerden digital an das Landgericht versendet werden. Theoretisch lasse sich damit vor allem der Papierverbrauch reduzieren. Allerdings klappe das noch nicht so ganz, so Reichert. Eine elektronische Bearbeitung sei am Landgericht Offenburg noch nicht möglich, daher würden alle Eingänge ausgedruckt.

Das Resultat: "Der Papierverbrauch hat sich verdoppelt", so der Gerichtspräsident. "Das ist nicht Sinn der Umstellung", kommentiert Reichert. Ab dem Frühjahr 2020 soll sich die Situation jedoch verbessern, dann werde auch in Offenburg das neue System umgesetzt.

  325 Diesel-Fälle: Auch bei den Zivilsachen kam es im vergangenen Jahr zu einem sprunghaften Anstieg. Unter diesen seien viele "Diesel-Fälle", erklärt Moll. Waren es 2016 noch 13 Eingänge im Fahrwasser des Diesel-Skandals, so sei die Zahl 2017 auf 68 und schließlich im vergangenen Jahr auf 325 Fälle gestiegen. Das könne an der "öffentlichen Diskussion über eine Verjährung 2018" liegen, vermutet Moll.

Spektakuläre Fälle:  Besonders der Fall des getöteten Offenburger Arztes vom vergangenen Sommer beschäftigte die Ortenauer. In der Öffentlichkeit stieß die richterliche Entscheidung, den Täter aufgrund seiner psychischen Erkrankung frei zu sprechen und in eine geschlossene Psychiatrie einzuweisen, auf viel Unverständnis (wir berichteten). "Ich habe einige Schreiben bedrohender Art bekommen", berichtet Reichert. Doch: "Wer schon mal in einer psychiatrischen Anstalt war, der wird das nicht als Sanatorium erlebt haben", so der Gerichtspräsident und verweist auf das deutsche Recht.

Für Diskussionsstoff habe auch der Fall einer schiefgelaufenen Sterilisation (Vasektomie) gesorgt, so Moll. Da forderte der "Vater wider Willen" vom behandelten Arzt "Schadensersatz" in Höhe von 350 000 Euro – um die durch ein ungewollt gezeugtes Kind entstehenden Kosten zu decken. Hier habe man sich gütlich geeinigt, so Moll. Der Mediziner habe einen "vergleichsweise geringen Betrag" bezahlt, womit das Verfahren eingestellt werden konnte. Zündstoff bot hierbei die ethische Frage, ob ein Kind als "Schaden" gelten könne.

Ebenfalls durch einen Vergleich konnte der "Döner-Fall" beigelegt werden. Ein Ortenauer Imbiss-Betreiber hatte einen Kunden verklagt, der sich in den sozialen Medien "rufschädigend" geäußert habe, so Pressesprecher Moll. Er hatte ein Video online gestellt, in dem er vermeintlich aus seinem bestellten Essen krabbelnde Insekten zeigte und forderte gleich noch dazu auf, besagten Imbiss zu meiden. Der Beklagte war schlussendlich bereit in Zukunft keine "wahrheitswidrigen Behauptungen" mehr öffentlich zu machen.